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15. März 2009

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

Berliner Zeitung 17.2.2009


Falscher Anschluss

Familie Plenzke will in ihrem Haus eine eigene Kläranlage nutzen.
Das kommt sie teuer zu stehen

von Karin Bischhoff

 

RAUEN. Der Wohnzimmertisch ist bedeckt mit Papieren: Gerichtsbeschlüsse, Beschwerden, Klagen, Anzeigen. Barbara Plenzke hat schon selbst keinen Überblick mehr, wie vieleVerfahren sie und ihr Mann seit dem Jahr 2000 geführt haben. "Dreißig vielleicht", sagt sie. Doch mit dem letzten amtlichen Schreiben, das sie aus dem Briefkasten ihres Einfamilienhauses in Rauen (Oder-Spree) holte, ist der Höhepunkt des neun Jahre währenden Rechtsstreits um den Zwangsanschluss ihres Grundstücks an das zentrale Abwassernetz erreicht. Das Amtsgericht in Frankfurt (Oder) ordnete die Zwangsversteigerung von Haus und Grundstück an. Wenn die Plenzkes nicht bis morgen die inzwischen auf 3000 Euro gestiegenen Kosten für den Abwasseranschluss bezahlen, kommt ihr Zuhause unter den Hammer.

Die Geschichte um Brandenburgs "Abwasserrebellen" beginnt eigentlich schon Mitte der 80er -Jahre. Damals zogen Plenzkes mit den beiden Töchtern nach Rauen ins selbst gebaute Eigenheim. Vom Rat der Gemeinde erhielten sie für das nichtangeschlossene Grundstück eine "wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung" und errichteten eine hochökologische Kleinkläranlage, bei der keinerlei Abwasser mehr übrig bleibt. "Mein Mann war ja vom Fach, hatte er doch beim Abwasserzweckverband gelernt", sagt Barbara Plenzke. Doch nach der Wende wurde auch der Teil von Rauen, in dem die Plenzkes wohnen, an die Kanalisation angeschlossen. Den Einwohnern entstanden dabei erhebliche Kosten.

Auch Plenzkes sollten angeschlossen werden. "Obwohl die von unserer Kleinkläranlage wussten", sagt Barbara Plenzke, die beruflich Behinderte betreut. 11500 Mark sollte der Anschluss kosten. Zuviel für die Familie, die den Anschluss ablehnte. Das juristische Hick-Hack begann. Der Zweckverband wollte anschließen, weil es die damalige Satzung so vorsah. Dass die Anlage ökologisch arbeitet, wie ein Ingenieurbüro den Plenzkes im September 2005 bescheinigte, spielte keine Rolle. "Es wurden keine die Umwelt negativ beeinflussenden Faktoren festgestellt. Einleitungen jeder Art ins Erdreich unter dem Grundstück wurden nicht festgestellt: es gab auch keinen Grund oder Anlass, eine solche Einleitung zu vermuten", hieß es im Gutachten.

Selbst die Polizei war mehrfach auf Betreiben des Zweckverbandes vor Ort, um den Zwangsanschluss durchzusetzen - sie weigerte sich aber, wegen der Unverhältnismäßigkeit der Mittel einzugreifen. Im vorigen September erfolgte der zwangsweise Anschluss ans öffentliche Netz, die Kosten dafür wurden gerichtlich auf rund 2 300 Euroh herabgesetzt. "Ein Erfolg", sagt Barbara Plenzke. Doch zahlen konnten sie trotzdem nicht - Pfändungen blieben erfolglos, es gab nichts mehr zu holen.

"Der Antrag auf Zwangsversteigerung war nicht der erste Schritt in dieser Auseinandersetzung. Plenzkes haben bisher noch überhaupt nichts bezahlt und auf keine Zahlungsaufforderung reagiert", sagt Manfred Reim, der FDP-Bürgermeister von Fürstenwalde und zugleich Verbandsvorsteher beim Zweckverband. Man wolle den Plenzkes aber wahrlich nicht das Haus unter dent Hintern wegziehen.

Und Marlies Görsdorf, die technische Geschäftsführerin des Zweckverbands, sagt: "Plenzkes müssen sich an den Kosten für die Gesamtanlage beteiligen, wie alle. Das beruht auf dem Solidarprinzip. Egal, ob sie die Anlage nutzen oder nicht. "Weder Pfändung noch Ratenvereinbarungen seien erfolgreich gewesen. Nur unregelmäßig gingen Zahlungen der Plenzkes ein. Daher der Antrag auf Zwangsversteigerung. "Wir haben schließlich eine Abgabeerhebungspflicht."

Das Vorgehen des Gläubigers sei nicht normal und "total unverhältnismäßig", sagt Rechtsfachwirtin Henriette Kersten, die die Plenzkes vertritt. Die Höhe der Schuld stehe nicht im Verhältnis zu der jetzt angedrohten Maßnahrne. Zumal bei einer Zwangsversteigerung noch ein Gutachter bestellt werden müsse, der den Verkehrswert des Grunclstücks ermitteln soll. "Das sind dann noch einmal 1500 Euro, die die Familie bezahlen müsste", sagt Henriette Kersten. Sie habe den Plenzkes aber geraten, die 3000 Euro irgendwie aufzutreiben und zunächst zu bezahlen.

Die Landtagsabgeordnete Renate Adolph (Linke) wirft dem Zweckverband vor, im Fall Plenzke seine Monopolstellung sichern zu wollen. "Die Familie soll ruiniert werden", sagt die Verbraucherschutzexpertin. Zudem sollen Aktivisten, die auf ökologische Kleinkläranlagen setzen, abgeschreckt werden. "Dabei hat der Landtag vor sechs Jahren diese Anlagen im ländlichen Raum explizit erlaubt", sagt sie. Nur drei Prozent der Haushalte wollten eine Kleinkläranlage.

Barbara Plenzke wird versuchen, das Geld bis morgen irgendwie aufzutreiben. Sie hat beim Landesverfassungsgericht Klage gegen den Zwangsanschluss eingereicht. Eine Entscheidung steht noch aus.

3000 Euro

Kläranlage:
Mitte der 80er-Jahre zogen Barbara und Thomas Plenzke mit ihren Kindern nach Rauen. Da es dort keine Kanalisation gab, erhielten sie eine "wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung" und bauten 1986 eine eigene kleine ökologische Kläranlage.

Klärwerke:
Nach der Wende entstanden in Ostdeutschland riesige Kläranlagen die mit Steuergeld gefördert wurden. Auch in Fürstenwalde. Das Klärwerk dort war einst für 48000 Haushalte ausgelegt, klärt aber bereits die Abwässer von fast 60 000 Haushalten.

Streitbeginn:
Der Streit begann im Jahr 2000. Damals erhielt Familie Plenzke vom Zweckverband einen Bescheid über die Festsetzung eines Abwasseranschlussbeitrages über 11500 DM. Dagegen gingen sie gerichtlich vor und gewannen. Daraufhin wurde der Herstellungsbeitrag auf 2283,40 Euro festgelegt.

Streithöhepunkt:
Weil Plenzkes nicht zahlten, ordnete das Amtsgericht Frankfurt (Oder) Anfang Februar dieses Jahres die Zwangsversteigerung des Grundstücks in Rauen an. Bis Mittwoch müssen Plenzkes insgesamt rund 3000 Euro aufbringen; zu den Anschlusskosten kommen erhebliche Säumnisgebühren.


 
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