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24. Oktober 2009

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 4.9.2009

Stuttgarter Landtag
gegen „Wasserprivatisierung“

 

Der Landtag von Baden-Württemberg hat sich in einer Plenardebatte am 14. Mai 2009 fraktionsübergreifend zu einer kommunal geprägten Wasserversorgung bekannt (s. Drs. 14/2591). Der Plenardebatte lag ein Antrag der SPD zu Grunde, die Beteiligung von Privaten an kommunalen Wasserzweckverbänden künftig von Gesetzes wegen auszuschließen. Anlässlich dieses SPD-Antrags debattierte das Stuttgarter Landesparlament über die Frage, ob die Versorgung mit Wasser dem europäischen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechtsregime unterworfen werden darf.

Einig waren sich die Parlamentarier, dass man gegen diesbezügliche Zumutungen aus Brüssel aktiv vorgehen müsse. Dem Postulat „Wir wollen keine britischen Verhältnisse!“ schlossen sich alle Redner an. Im Detail zeigten sich in der Debatte trotz der prinzipiellen Einigkeit aber Nuancen zwischen den Positionierungen der Landtagsparteien. So kritisierte die oppositionelle SPD, dass im Bundestag auf Bestreben der CDU in der Novelle zum Vergaberecht in § 99 die interkommunale Zusammenarbeit in der Wasserversorgung nicht ausdrücklich von einer Ausschreibungspflicht ausgenommen worden sei (s. RUNDBR. 910/1-3, 897/2). Mit einer entsprechenden Klarstellung im deutschen Vergaberecht hätte man „gegenüber der EU markieren können“, dass für Deutschland eine Ausschreibung von Wasserversorgungen nicht in Frage komme. Ferner griff die SPD die Positionierung des FDP-geführten Stuttgarter Wirtschaftsministeriums an. So zitierten die SPD-Parlamentarierer genüsslich aus einer Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums:

„Dessen ungeachtet sollten nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums, angesichts des erheblichen Investitionsbedarfs in der Wasserversorgung und des Erfordernisses einer effizienten Bereitstellung von Wasser, Privatunternehmen stärker einbezogen und mehr Wettbewerbselemente ein-geführt werden.“

Die FDP-Fraktion konterte mit dem Vorwurf, dass in vielen badenwürttembergischen Kommunen die Beteiligung an fragwürdigen Cross-Border-Leasing¬-Geschäften auf Betreiben von SPD-Oberbürgermeistern und SPD-Stadtratsfraktionen erfolgt sei. So habe beispielsweise im Stadtrat von Reutlingen nur die FDP als die vermeintliche „Partei der Finanzhaie“ den von der SPD eingeschlagenen Irrweg in das US-amerikanische „Steuerschlupflochsystem“ verhindern können. Gleichwohl lehne die FDP das SPD-Ansinnen ab, kommunalen Zweckverbänden die Zusammenarbeit mit Dritten von Gesetzes wegen zu verbieten.

Gönner: Statt Privatisierung mehr
interkommunale Zusammenarbeit
 

In der Debatte ergriff auch die badenwürttembergische Umweltministerin das Wort. TANJA GÖNNER (CDU) betonte u.a., dass sich die kommunale Daseinsvorsorge in der Wasserversorgung „bestens bewährt“ habe:

„Ich unterstütze diesen Ansatz, weil sichergestellt werden muss, dass die Aufgabenerledigung vorrangig am Gemeinwohl orientiert bleibt. Allein mit freier wirtschaftlicher Betätigung unter dem Aspekt der Gewinnerzielung können langfristige Strukturen bei der Wasserversorgung nicht gewährleistet werden.“

„Wesentliche Optimierungspotenziale“ sah die Umweltministerin „in der Verbesserung der Zusammenarbeit mittlerer und kleiner Wasserversorgungsunternehmen“: Die Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden bei der Wasserversorgung ermögliche „eine wirtschaftlichere Nutzung der Anlagen und einen effizienteren Einsatz des Personals“. Durch eine Verbundlösung könne zudem die Versorgungssicherheit bei einem Ausfall einzelner Anlagen verbessert werden.

„Zur Unterstützung dieses Prozesses, die Strukturveränderungen anzugehen, fördern wir bereits seit dem Jahr 2005 prioritär Strukturgutachten zu dieser interkommunalen Zusammenarbeit, und zwar unabhängig von der Gebührenhöhe in den Kommunen“,erläuterte die Ministerin.

Auch TANJA GÖNNER konnte sich dem Antrag der SPD nicht anschließen, Privaten die Beteiligung an kommunalen Zweckverbänden gesetzlich zu verwehren. Ob man sich mit Privaten einlassen wolle, müssten die Kommunen im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung selbst entscheiden können. Die Ministerin warnte zugleich vor den Folgen eines derartigen Techtelmechtels:

„Entscheidet sich aber eine Kommune für die Beteiligung eines privaten Dritten an der Wasserversorgung, so ist nach den Mitteilungen zur Institutionalisierung öffentlicher und privater Partnerschaften sowohl die Beteiligung als auch die Aufgabe selbst ausschreibungspflichtig“ (s. RUNDBR. 889/2-4, 835/3).

Die Stuttgarter Umweltministerin bedauerte in diesem Zusammenhang „sehr“, dass die Initiative der Bundesregierung, die Beteiligung Dritter bis zu einem Anteil von 20 % ausschreibungsfrei zu stellen, von der EU-Kommission nicht aufgegriffen worden war (s. 889/2). Die Einführung eines derartigen Schwellenwertes wäre aus der Sicht der Stuttgarter Landesregierung „ein hilfreicher Weg gewesen“. Weil ein 20-Prozent-Schwellenwert in Brüssel aber keinen Anklang gefunden habe, bleibe es dabei,

„dass nur die interkommunale Zusammenarbeit zwischen Kommunen ohne Beteiligung eines privaten Dritten nicht ausschreibungspflichtig ist. Das spricht für die Zusammenarbeit der kommunalen Wasserversorgungsunternehmen in einem Zweckverband“, betonte TANJA GÖNNER.

Stuttgart wirbt in Brüssel
für kommunale Daseinsvorsorge
 

Weil die Stuttgarter SPD-Landtagsfraktion den Vorwurf erhoben hatte, dass die Landesregierung in Brüssel im Hinblick auf die Bewahrung der kommunalen Daseinsvorsorge zu wenig Flagge zeigen würde, ging GÖNNER auch auf diese Vorhaltungen ein:

„Sie können davon ausgehen, (…), dass das Umweltministerium und auch die Umweltministerin regelmäßig zu Gesprächen in Brüssel sind und das Thema der Daseinsvorsorge und der Ausgestaltung der Daseinsvorsorge dort eine wichtige Rolle spielt. U.a. habe ich in Brüssel das Leitbild der deutschen Wasserwirtschaft, das sich genau an den Überlegungen des Landes orientiert, in Anwesenheit von Kommissions-, aber auch von Parlamentsvertretern vorgestellt, weil es uns wichtig ist, dort für die Besonderheiten eines Flächenlandes wie Baden-Württemberg zu werben und deutlich zu machen, was das Thema Daseinsvorsorge mit sich bringt, und auch deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass man den Kommunen dann aber auch entsprechende Möglichkeiten gibt.“

GÖNNER distanzierte sich damit auch indirekt von den wirtschaftsliberalen Positionierungen des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums. In einer Pressemitteilung am 14. Mai 2009 legte die Umweltministerin nach und erteilte Privatisierungsbestrebungen in der Wasserwirtschaft „eine klare Absage“. Die bewährte Struktur der öffentlichen Wasserwirtschaft in Baden-Württemberg dürfe „nicht zum Spielball einseitiger wirtschaftlicher Interessen werden". Allerdings machte die Ministerin die entscheidende Einschränkung,

dass „eine Beteiligung von privaten Unternehmen dagegen durchaus ein möglicher Weg“ sei, „die Wasserversorgung sicherzustellen“. „Entscheidend“ sei, dass „die Letztverantwortung bei der Kommune bleibt".

[Dass man sich mit der Involvierung von Privaten in kommunale Wasserwerke auf das Glatteis des EU-Wettbewerbsrechtes begibt, hat man in der Presseabteilung des Stuttgarter Umweltministeriums offensichtlich noch nicht voll erkannt! Angesichts der „Inhouse-Urteile“ des Europäischen Gerichtshofes und einer immer noch drohenden Konzessionsrichtlinie für den Wassersektor kann sich die Kommune ihre „Letztverantwortung“ an den Hut stecken.].

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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