aktualisiert:
19. August 2010
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
26.7.2010
Veolia
und der Kollaps
der
Brüsseler Großkläranlage
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Seit
Weihnachten 2009 hat die Brüsseler Umweltministerin EVELYNE HUYTEBROECK
eine schöne Bescherung am Hals. Die grüne Politikerin wird
von der politischen Konkurrenz für den Leistungseinbruch der Brüsseler
Großkläranlage im Dezember 2009 verantwortlich gemacht.
Im
Dezember 2009 war das neue Klärwerk von Brüssel gerade
mal zwei Jahre im Betrieb. Zuvor war die EU-Hauptstadt neben Mailand
die einzige Metropole in Westeuropa ohne Abwasserreinigung (s.
RUNDBR. 922/1-2). Bis 2007 flossen die Abwässer der
Fabriken und die Fäkalien
der mehr als eine Million Einwohner des Großraums Brüssel
ungeklärt in die Flüsse und weiter in die Nordsee. Zum Jahresende
2009 war es wieder so weit: Die Abwässer der belgischen Hauptstadt
strömten völlig ungereinigt Richtung Nordsee. Nach ersten
Problemen bei der größten Kläranlage der Stadt am 25.
November wurde das Klärwerk im Dezember ganz abgeschaltet. 1,5
Kubikmeter ungeklärtes Abwasser ergossen sich pro Sekunde in
den „Vorfluter“.
Die
Folge: In der von Kondomen, anderen Hygieneartikeln und Fäkalien verunreinigten Senne und Maas japsten
die Fische nach Luft. Anschließend rang die Umweltministerin
um Luft. Denn die konservativen Parteigegner der Bürgermeisterin
wüteten, weil Frau HUYTEBROECK den Abgeordneten des Brüsseler
Parlamentes wichtige Dokumente und Informationen vorenthalten habe.
Die Ecolo-Politikerin habe von den gravierenden Problemen in dem
Klärwerk gewusst – und nicht vorsorgend gehandelt, zürnten
die Konservativen.
Es
gibt aber eine Geschichte hinter der Geschichte, die jetzt eine unserer
Praktikantinnen ausfindig gemacht hat – und
in der Geschichte spielt der französische
Wasserdienstleistungskonzern VEOLIA eine unrühmliche Rolle. VEOLIA
hatte der EU-Metropole ein unerprobtes Abwasserreinigungsverfahren
angedreht. Brüssel muss jetzt weiter mit dem schlechten Ruf leben,
ausrechnet als Hauptstadt der EU keine funktionierende Großkläranlage
vorweisen zu können. Mehr dazu in den nächsten beiden Notizen …
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Sand
im Getriebe der
Brüsseler Veolia-Großkläranlage
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2001 hatte die
Stadt Brüssel den Auftrag zum längst überfälligen
Bau der Kläranlage vergeben – ein epochales Projekt,
für das 1,2 Milliarden Euro veranschlagt worden waren. Der
Auftrag zum Kläranlagenbau musste an einen Privatinvestor weitergegeben
werden, denn in der Staatskasse war zu wenig Geld.
Unter den Bewerbern
befand sich auch AQUIRIS, ein Konsortium, das vom französischen
Wassermulti VEOLIA ENVIRONMENT gegründet worden war. AQUIRIS
bekam den Zuschlag für den Bau der schlüsselfertigen
Kläranlage.
Eine Besonderheit: AQUIRIS verpflichtete sich dazu, den Klärschlamm
nicht vor Ort zu verbrennen, sondern zur Reduzierung des Klärschlamm-Volumens
den von VEOLIA entwickelten Nass-Luft-Oxidationsprozess einzusetzen.
Im Juni 2003 begann der Bau der Anlage und 2007 war sie fertig,
so dass 2008 Brüssel endlich seine Großkläranlage
in Betrieb nehmen konnte.
Doch schon nach
kurzer Zeit ergaben sich technische
Probleme, was die Brüsseler Behörden davon abhielt,
die endgültige Freigabe der Anlage auszu-sprechen. Die ungelösten
Technikprobleme führten zu Spannungen zwischen AQUIRIS und
der Gesellschaft für Wasserverwaltung in Brüssel (Société Bruxelloise
de Gestion des Eaux, SBGE). Ende 2008 bat AQUIRIS die SBGE um
weitere 40 Millionen Euro zur Durchführung „ergänzender“ Arbeiten,
um die Technik-Probleme zu lösen. Der Nachschuss wurde jedoch
nicht gewährt.
Bei einer Inspektion
2009 fand SBGE heraus, dass AQUIRIS einen Sandfang bauen wollte,
ohne dafür eine
Erlaubnis zu haben. Der Bau wurde daraufhin eingestellt und
AQUIRIS beschwerte
sich, die Abwasserqualität im Kläranlagenzulauf
sei – auf
Grund der Menge an Sand und Kies im Wasser – schlechter
als bei Vertragsabschluss angenommen. Deshalb solle die SBGE
für
den Bau des jetzt notwendigen Sandfangs die 40 Millionen zahlen.
Da die SBGE allerdings 2001, also bei Vertragsabschluss, eine
Studie über
die Zusammensetzung des Rohabwassers durchgeführt hatte,
verneinten sie eine solche Veränderung. Die Gesellschaft
ordnete eine neue Studie über die ak-tuelle Rohabwasserqualität
an. Gleichzeitig
fragte die SBGE bei AQUIRIS nach, ob die Großkläranlage
denn demnächst komplett in Betrieb gehen könne,
doch AQUIRIS behauptete, dass es weiterhin Probleme mit der
Qualität
des Kläranlagenzulaufs geben würde. Wegen dem hohen
Sandgehalt im Brüsseler Kommunalabwasser würde
das Nass-Oxidationsverfahren
zur Klärschlammbehandlung nicht zufriedenstellend funktionieren.
AQUIRIS verlor
wegen des nicht rund laufenden Nass-Oxidationsverfahrens
nicht unbeträchtliche Geldsummen, weil die VEOLIA-Tochter
täglich
200 Tonnen nicht volumenreduzierten Klärschlamms nach
Deutschland karren mussten, um den Vertrag mit der SBGE
einhalten zu können.
VEOLIA ENVIRONMENT versuchte wegen dem Defizitgeschäft
seine Anteile an AQUIRIS zu verkaufen, doch es konnte kein
Käufer
aufgetrieben werden.
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„Umwelt-Erpressung“?
Veolia stellt Brüsseler Großkläranlage ab
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Im November
2009 schloss AQUIRIS einen der drei zur Kläranlage führenden
Hauptsammler mit der Begründung, starke Regenfälle hätten
die Wasser-qualität weiter verschlechtert.
Im Dezember
2009 wurde die zweite von SBGE in Auftrag gegebene Abwasserstudie
veröffentlicht,
die besagte, dass es im Vergleich zur Auftragsvergabe keine bemerkenswerte
Veränderung der Abwasserzusammensetzung gegeben habe. Noch
am selben Tag stellten die AQUIRIS-Manager die Brüsseler
Großkläran-lage komplett ab - und leiteten das Abwasser
von 1,1 Millionen Menschen in drei Flüsse, die in die Nordsee
fließen.
Aufgrund des
großen öffentlichen Tumults
wurde die Anlage jedoch 10 Tage später wieder in Betrieb
genommen. Dies führte zu Schlagzeilen in allen großen
Zeitungen des Landes: die SBGE beschuldigte AQUIRIS, dass das
Unternehmen
mit der Stilllegung der Großkläranlage „Umwelt-Erpressung“ betrieben
habe, während AQUIRIS behauptete, Brüssels schlechte
Abwasserqualität brächte die Anlage selbst in Gefahr.
Die Opposition
der Rechten, deren Führer den Vertrag mit
AQUIRIS einst unterzeichnet hatte, beschuldigte nun die Umweltministerin,
sie hätte unverantwortlich gehandelt und AQUIRIS nicht
genügend überwacht.
Schließlich
musste der VEOLIA-Chef JEAN-MICHEL HERREWYN nach Brüssel reisen
und versprechen, dass VEOLIA dafür
sorgen würde, dass keines ihrer Tochterunternehmen
Bankrott anmelden müsse. Anschließend ergaben
weitere Untersuchungen, dass das Nass-Luft-Oxidationsverfahren
von VEOLIA zuvor nur
mit Industrieabwässern getestet worden war – aber
nicht mit kommunalem Mischwasser, das immer einen vergleichsweise
hohen Sandgehalt enthält.
Die unerprobte Übertragung
des Nass-Oxidationsverfahrens
auf Kommunalabwasser war also Ursache des Desasters.
Bei Vertragsabschluss hatte AQUIRIS noch groß damit
geworben, dass das VEOLIA-Nass-Oxidationsverfahren zur
Klärschlammbehandlung
deutlich umweltfreundlicher als andere Verfahren sei.
Das unausgereifte Verfahren hat dazu
geführt,
dass Brüssel auf einem Schuldenberg und AQUIRIS
auf einem Haufen Klärschlamm sitzen. Dazu kommt
eine nagelneue Großkläranlage,
die nicht richtig funktioniert.
-is-
Quelle: http://www.corporateeurope.org/water-
justice/content/2010/02/aquiris-veolias-lost-bet-brussels
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