aktualisiert:
22. Juni 2014

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 3.6.2014

 

Was tun gegen Pharmaka
in der aquatischen Umwelt?

 
 

Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich ein Workshop, zu dem das das baden-württembergische Umweltministerium (UM) am 14. Mai 2014 zehn VertreterInnen der interessierten Kreise in die Stuttgarter Umweltakademie eingeladen hatte. Von den Umweltverbänden über die Landesärzte- und Landesapothekerkammer, die Krankenkassen, die Pharmabranche bis hin zum Verband der Chemischen Industrie wurden die TeilnehmerInnen gebeten, Handlungsfelder zu benennen und zu bewerten, um den Eintrag von Pharmawirkstoffen in die Gewässer zu reduzieren. Der Workshop soll den Auftakt bilden, um sich künftig kontinuierlich im Dialog mit allen interessierten Kreisen mit der Thematik zu beschäftigen.

Angesichts der nach ihrer Ansicht noch unklaren und dünnen Datenlage warnten die VertreterInnen der Pharmabranche und der Apotheker davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Eine zu weit gehende Reglementierung würde die Pharmabranche aus dem Land treiben. Bei allen in Erwägung gezogenen Maßnahmen (beispielsweise einem Werbeverbot für frei verkäufliche Arzneimittel mit potenziell schädlichen Auswirkungen auf den Gewässerökologie“) sei unbedingt das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten.

Ein ausführliches Protokoll aus diesem Workshop können AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS kostenlos via nik@akwasser.de anfordern.

Nachstehend einige Details aus dem Einleitungsvortrag.

Strategien gegen Pharmawirkstoffe -
von Brüssel bis Stuttgart
 

Nach der Vorstellungsrunde referierte der für den Gewässerschutz zuständige UM-Abteilungsleiter PETER FUHRMANN über die „neuen Herausforderungen“für den Gewässerschutz aufgrund der Pharmawirkstoffe. Dabei erwähnte FUHRMANN die Vorgaben der EU-Gewässerschutzpolitik – u.a. im Hinblick auf die Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN) mit der Auflistung von „prioritär gefährlichen Stoffen“. Die ursprüngliche Liste mit 33 „prioritär gefährlichen Stoffen“ habe noch keine Pharmawirkstoffe enthalten. Die vorgesehene Aufnahme von Diclofenac („Voltaren“) und von Östrogenen sei jedoch gecancelt worden. Diese Stoffe stehen vorläufig nur auf einer Beobachtungsliste, über die 2015 neu verhandelt werden müsse. Ferner sei die EUKommission gebeten worden, bis 2014 eine EU-Strategie zu Pharmawirkstoffen in der aquatischen Umwelt auszuarbeiten.

FUHRMANN führte weiter aus, dass die Arzneimittelwirkstoffe überwiegend aus der Siedlungswasserwirtschaft, also aus Kläranlagen, stammen würden. Aufgrund der Vorgaben aus Brüssel werde in Deutschland derzeit über die Reglementierung von zehn bis 15 Arzneimittelwirkstoffen nachgedacht. Baden-Württemberg habe 2012 ein Spurenstoffkonzept aufgeschient und fördere den Bau von vierten Reinigungsstufen bei Kläranlagen an besonders neuralgischen Gewässerabschnitten bzw. bei besonders großen Kläranlagen (beispielsweise in Ulm und Mannheim). Der Abteilungsleiter gab der Hoffnung Ausdruck, dass weitere große Kläranlagen (Stuttgart, Freiburg) von der finanziellen Förderung durch das Land Gebrauch machen werden.

4. Reinigungsstufe für Großkläranlagen:
UQN-Ziele werden gerissen
 

Über das in Baden-Württemberg gegründete Kompetenzzentrum Spurenstoffe wolle man das Erfahrungswissen bei Bau und Betrieb von vierten Reinigungsstufen (siehe RUNDBR. 1028/4, 1026/1, 999/3-4, 966/1, 939/1-3, 899/1) verbreiten, die Effizienz der Spurenstoffeliminierung steigern und die Auswirkungen auf die Gewässer erforschen. Ferner sei man auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit aktiv und habe beispielsweise eine Flyer zu sachgerechten Entsorgung von Altmedikamenten publiziert – Motto: Rein in die Totalmülltonne und ab in die Verbrennung. Es sei jetzt schon erkennbar, dass auch bei der Aufrüstung aller großen Kläranlagen mit einer Spurenstoffeliminierung die vorgesehene Umweltqualitätsnorm für Diclofenac nicht unterschritten werden könne. Eine baden-württemberg-weite Ausstattung der kleineren Kläranlagen mit
vierten Reinigungsstufen sei allerdings nicht finanzierbar.

Pharmaka: In die „hochdynamischen
Prozesse“ in Brüssel eingreifen
 

FUHRMANN führte weiter aus, dass man beim quellenbezogenen Ansatz sofort an Stoffverbote denken könne – das sei jedoch im gesundheitssensiblen Pharmabereich ethisch nicht zulässig. Aber bei der Entwicklung neuer Medikamente sollten die Pharmafirmen mehr als bislang auch die Auswirkungen auf aquatische Systeme mit berücksichtigen. Im Übrigen sei es so, dass mit einem Handlungsfeld allein, das Problem „nicht zu erschlagen“ sei. Vom quellenbezogenen Ansatz über die Sensibilisierung der Öffentlichkeit bis zum Bau von vierten Reinigungsstufen müssten alle Schritte in Angriff genommen werden, um im Gewässerschutz voranzukommen.

Da die Musik „nicht in der Villa Reitzenstein“, sondern in Berlin und noch mehr in Brüssel spiele, sei man im UM bestrebt, intensiv in den nationalen Meinungsbildungsprozess eingreifen – dies gelte insbesondere für die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), deren Beschlüsse wiederum die Beschlusslage der Umweltministerkonferenzen (UMK) vorbereiten würde. „Isoliertes Gutmenschentum in Baden-Württemberg“ sei nicht zielführend. Mit den LAWA- und UMK-Beschlüssen könne man dann auch in Brüssel versuchen, zu sachgerechten und realisierbaren Lösungen beizutragen.

Und in Baden-Württemberg sei bezüglich der Konsensfindung „der Dialog mit allen Beteiligten“ angesagt. Mit der Sitzung am 14. Mai wolle man den Startschuss zu einem Forum geben, in dem man den Meinungsaustausch institutionalisieren wolle. Das Forum solle dazu beitragen, die baden-württembergische Positionierung zu festigen und die Netzwerkbildung zu fördern. Die Zeittaktung in Brüssel laufe äußerst kurzfristig von heute von morgen. Um in diese „hoch zeitdynamischen“ Prozesse jeweils ad hoc eingreifen zu können, sei es erforderlich, schon im Vorfeld die erforderlichen Standpunkte geklärt zu haben.


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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