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18. Mai 2015

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 4.5.2015

Hendricks: „Wasserprivatisierung
kommt nicht in die TTIP-Tüte!“

 

Anlässlich ihrer Ansprache auf dem WASSER BERLIN-Kongress am 24. März 2015 hat die Bundesumweltministerin eine Zusage bekräftigt, die vor ihr schon andere Kabinettsmitglieder (siehe RUND­BR. 1060/3) gegeben hatten. Dr. Barbara Hendricks hat sich dafür ausgesprochen, die Spielräume für Rekommunalisierungen im Bereich Wasser- und Abwasserwirtschaft zu erhalten. Die Bundesregierung werde darauf achten, dass die Aufgaben der Daseinsvorsorge auch künftig durch die Kommunen vor Ort wahrgenommen werden können, versprach Hendricks in ihrer Eröffnungsrede zur WASSER BERLIN 2015. Zur Bewahrung der kommunalen Daseinsvorsorge würden auch die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung gehören.

"Weder TTIP und CETA noch andere Handelsabkommen wie etwa TISA können oder dürfen hieran etwas ändern",

betonte die Ministerin lt. einer BMUB-Pressemitteilung vom 24.03.15.

EU-Handelskommissarin:
An Wasser werden wir uns nicht vergreifen!

 

Während Hendricks sich eher allgemein zum Schutz der kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorgung im geplanten TTIP-Abkommen geäußert hatte, ging die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ins Detail. In einer umfassenden Antwort vom 18.03.15 auf die Anfrage eines EU-Parlamentariers (s. Kasten) erklärte die Kommissarin zunächst, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung bereits im CETA-Abkommen (S. 1502) ausgeklammert sei. Die in CETA bereits enthaltenen und die in TTIP geplanten „spezifischen Vorbehalte“ würden es ermöglichen, Wettbewerbern aus den USA und aus Kanada den Zugang zum europäischen »Wassermarkt« „zu verwehren“. Ferner sei es weiterhin statthaft, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zu subventionieren. Malström betont zudem, dass durch die beiden Abkommen die Regierungen und die Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten

„nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zu regulieren, z.B. über die Bestimmungen von Sicherheits- und Qualitätsstandards“.

Die Kommissarin ergänzte diese Ausführungen mit dem Hinweise, dass Dienstleistungen, „die durch den Staat finanziert oder anderweitig gefördert werden“ generell von den Liberalisierungsverpflichtungen ausgenommen seien. Die Kommissarin geht auch auf Befürchtungen ein, dass durch Ratchet-Klauseln (Sperrklauseln) eine künftige Rekommunalisierung von privatisierten Dienstleistungsunternehmen verhindert werden könnte. Die Anwendung von Sperrklauseln sei für „die Bereiche der Daseinsvorsorge ausdrücklich ausgeschlossen“ (siehe Kasten im nächsten Abschnitt). Davon abgesehen, könnten „die EU-Mitgliedsstaaten jederzeit entscheiden, eine früher privat erbrachte Dienstleistung staatlich erbringen zu lassen“.

Niemand da, der Cecilia Malström auseinandernimmt“?

Die Antworten von Cecilia Malström beziehen sich auf einen Fragenkatalog des EU-Abgeordneten Peter Simon (SPD). Die Antworten können beispielsweise unter
www.spd-notzingen.de/
TTIP_Fragenkatalog_Antworten.pdf

heruntergeladen werden. Die Antworten der Handelskommissarin haben inzwischen bei deutschen Bürgermeistern und bei den kommunalen Spitzenverbänden für große Erleichterung gesorgt. Über den TTIP-Verteiler ging der Antwortenkatalog aus Brüssel auch an die TTIP-kritische Szene – mit der Aufforderung, die Antworten von Malström möglichst „auseinander zu nehmen“. Allerdings hat sich bis zum Redaktionsschluss für diesen RUNDBR. niemand gemeldet, der der Argumentation von Malström grobe Fehler nachgewiesen hätte.

Alle EU-Handelsabkommen klammern
die Trinkwasserversorgung aus!

 

In der Antwort auf Frage 9 zu den öffentlich-rechtlichen „Monopolen“ in der Wasserversorgung schreibt die Handelskommissarin, dass „speziell hinsichtlich der Wasserversorgung alle EU-Handelsabkommen“ eine Ausnahmeregelung enthalten würden, wie sie auch im CETA-Vertrag auf Seite 1502 f. enthalten sei:

The EU reserves the right to adopt or to maintain any measure with respect to the provision of services relating the collection, purification and distribution of water to household, industrial, commericial and other users, including of the provision of drinking water, and water management.“

(Auf den möglichen Haken, dass diese Ausnahmeregelung nur auf Trinkwasserbetriebe abzielt, Abwasserdienstleistungen aber nicht genannt werden, wird weiter unten noch eingegangen.) In der Antwort auf Frage 10 wird noch ergänzt, dass die EU-Handelsabkommen auch

„die bestehenden Hoheits- und Satzungsrechte der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften nicht einschränken“ dürften.

In der Antwort auf Frage 26 nach der Aufrechterhaltung europäischer bzw. deutscher Standards bei der Produktsicherheit sowie im Sozial- und Gesundheitssektor betont die Kommissarin, dass TTIP festschreiben werde,

dass jede Seite weiterhin das Recht haben wird, auf dem Schutzniveau zu regulieren, das die jeweilige Vertragspartei als wünschenswert betrachtet.“

Keine Anwendung von Sperrklinken- und Stillhalteklauseln bei Wasserbetrieben

In der Wasserszene im Speziellen und in der TTIP-kritischen Öffentlichkeit im Allgemeinen war vielfach vermutet worden, dass die Handelsabkommen dazu führen könnten, dass nach Inkrafttreten von CETA, TTIP und TISA die Rekommunalisierung von Wasser- und Abwasserbetrieben verunmöglicht würde. Deshalb hier die Antwort von Cecilia Malström auf die Frage 7 „Welches ist die beabsichtigte Wirkung von ‚Standstill“- bzw. ‚Ratchet‘-Klausen?“.

Grundsätzlich bewirkt eine Standstill-(Stillhalte-) Klausel, dass ein Land keine neuen Handelshemmnisse in den hiervon erfassten Sektoren einführen kann, die über die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgeführten Handelshemmnisse hinausgehen. Eine Rachet-(Sperrklinken-) Klausel bewirkt, dass ein Land ein Handelshemmnis, dass es nach dem Inkraftreten eines Abkommens abschafft, zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder einführen kann. (…) Dienstleistungen der Daseinsvorsorge werden sowohl in CETA als auch im Angebot der EU für TISA ausdrücklich von diesen Klauseln ausgenommen.“

Und in der Antwort auf Frage 8 wird noch ein Mal klargestellt:

Eine Rekommunalisierung [von privatisierten Dienstleistungen] ist selbstverständlich möglich.“

CETA-Exegese: Hintertür zur
Privatisierung von Wasserdienstleistungen?

 

Die Szene, die den sogenannten Freihandelsabkommen kritisch gegenüber steht, hat den CETA-Vertrag daraufhin abgeklopft, ob er trotz der oben zitierten Ausführungen von EU-Handelskommissarin Cecilia Malström Passagen enthält, die auf eine transatlantische Ausschreibung von Wasser- und Abwasserdienstleistungen hinauslaufen könnten.

Aus­gangspunkt derartiger Analysen ist immer Artikel X.08 (siehe Kasten). In Artikel X.08 werden die natürlichen Wasserressourcen zunächst einmal vor einer kommerziellen Nutzung und Privatisierung geschützt. Allerdings steht es den Vertragsparteien frei, bestimmte Wasserquellen einer kommerziellen Nutzung preiszugeben – gemeint ist damit wohl vor allem die Abfüllung natürlicher Wasserressourcen für die Produktion von Flaschenwasser. Zu Wasser- und Abwasserdienstleistungen werden in Artikel X.08 keine Aussagen getroffen. Aussagen dazu finden sich jedoch in Kaptiel XX zur Domestic Regulation. Dort wird auf S. 247 in Artikel X.1 der Geltungsbereich und die Definitionen der innerstaatlichen Regulierung benannt. In Ziffer 2 b) werden sowohl für Kanada als auch für die EU die Sammlung, Reinigung und Verteilung von Wasser gegenüber den sonstigen Liberalisierungsansätzen ausgenommen.

Article X.08 im CETA-Vertrag:

Rights and Obligations Relating to Water

1. The Parties recognize that water in its natural state, such as water in lakes, rivers, reservoirs, aquifers and water basins, is not a good or a product and therefore, except for Chapter XX – Trade and Environment and Chapter XX – Sustainable Development, is not subject to the terms of this Agreement.

2. Each Party has the right to protect and preserve its natural water resources and nothing in this Agreement obliges a Party to permit the commercial use of water for any purpose, including its withdrawal, extraction or diversion for export in bulk.

3. Where a Party permits the commercial use of a specific water source, it shall do so in a manner consistent with the Agreement.

Beispielsweise der Berliner Wassertisch macht die Einschränkung, dass sich diese Ausnahmeregelung aber lediglich auf sonst im Abkommen festgelegte Regeln beziehen würde,

„welche die Lizensierungsanforderungen und –verfahren sowie Qualifikationsanforderungen und –verfahren im Hinblick auf das Niederlassungs- und Berufsrecht betreffen“.

Das sei zwar zu begrüßen, würde aber nichts am generellen Ausschreibungszwang nach Kapitel XX, Art. X.01 für Dienstleistungen – und damit auch für Wasserdienstleistungen - ändern – siehe:
www.Berliner-Wassertisch.info

Die spezifische Ausnahmeregelung für Wasserdienstleistungen auf Seite 1502 f. wird in diesen CETA-Exegesen nicht berücksichtigt, weil der von tagesschau.de im August 2014 veröffentlichte CETA-Vertragstext in der geleakten Version nur bis Seite 519 reicht. Die Durchsicht des gesamten Vertragswerkes zeigt jedoch, dass auf S. 791 in Anhang II auch Kanada die Dienstleistungen in der Wasserversorgung ausgeklammert hat. Wie schon erwähnt: Den Reservierungsvorbehalt der EU im Hinblick auf Dienstleistungen in der Wasserversorgung kann man auf den S. 1502/1503 nachlesen. Den CETA-Vertrags-Text in gesamter Länge (über 1.600 Seiten) findet man inzwischen auf der Homepage der EU-Handelskommission:

trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf

Und was ist mit dem Abwassersektor?

 

Ein offener Punkt bleibt aber weiterhin, dass sich der Reservierungsvorbehalt der EU nicht auch auf Dienstleistungen im Abwassersektor erstreckt.

Wie Thomas Fritz in seiner „Analyse und Bewertung des EU-Kanada Freihandelsabkommen CETA“ für die Hans-Böckler-Stiftung (down­load­bar unter http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2014-779-1-1.pdf) erwähnt, hat Deutschland wegen dieses Defizits eine eigene Ausnahme für den Abfall- und Abwassersektor in seine Annex II-Liste eingetragen.

Eher theoretisch dürfte der Einwand sein, dass sich die Ausnahmeklauseln für den Trink- und Abwassersektor nur darauf beziehen, dass ein künftiger Marktzugang durch kanadische Unternehmen nicht erzwungen werden kann – dass aber bereits auf dem europäischen Wasser- und Abwassermarkt operierende Unternehmen aus Kanada auf Gleichbehandlung mit deutschen Abwasserunternehmen pochen könnten („Inländerbehandlung“). Bislang ist zumindest nicht bekannt geworden, dass kanadische Dienstleister Aufträge in der Trinkwasserver- bzw. Abwasserentsorgung der EU-Mitgliedsstaaten akquiriert haben.

Eher theoretisch ist auch der Hinweis, dass SUEZ oder VEOLIA über ihre kanadischen Niederlassungen wegen vermeintlicher Ungleichbehandlung oder vermeintlichen Benachteiligungen in den EU-Mitgliedsstaaten mit Berufung auf den CETA-Vertrag vor ein Investor-Staats-Schieds-Gericht ziehen könnten. Handelskommissarin Malström macht in ihrem Antwortkatalog im Hinblick auf eine entsprechende Schiedsgerichts-Frage (21) darauf aufmerksam, dass der CETA-Vertrag Vorkehrungen gegen „betrügerische oder manipulative Klagen“ getroffen habe (s. Kapitel X.17.3). Klagen über Briefkastenfirmen in Kanada seien „ausgeschlossen“.

CETA, die ppp-Unternehmen und
die interkommunale Zusammenarbeit

 

Trotz der zunächst als schlüssig erscheinenden Malmström-Argumentation bleibt man auch bei der Allianz öffentliche Wasserwirtschaft (AöW) vorsichtig. Man müsse jetzt „ganz fein“ die möglichen Auswirkungen von CETA auf den äußerst komplexen Bereich der (kommunalen) Daseinsvorsorge herausarbeiten. Dies würde beispielsweise die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen (ppp) betreffen – also die Wasserversorger und die Stadtwerke, in denen bereits privates Kapital engagiert ist. Im Hinblick auf diese vielschichtige Gemengelage in Deutschland müsse man die Malström-Antworten noch näher analysieren. Unklar sei auch, welche Auswirkungen der CETA-Vertrag (und der zur Diskussion stehende TTIP-Vertrag) auf die in Deutschland vielfach vertretenen Wasser- und Abwasserverbände haben könnte – also die Frage, ob letztlich nicht doch die interkommunale Zusammenarbeit aufgebrochen werden könnte.


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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