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28. Oktober 2020

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 13. Oktober 2020

Coca-Colas Flaschenwasser
sorgt für Empörung in Lüneburg

 

Der Schutz des Grundwassers für den Menschen bereitet im Zuge des fortlaufenden Klimawandels zunehmend Schwierigkeiten. Ein aktuelles Beispiel verschärfter Nutzungskonflikte im Hinblick auf den dritten Dürresommer in Folge stellt die geplante Erweiterung der Grundwasserentnahme durch den Coca-Cola-Konzern im Kreis Lüneburg dar.

Neben den beiden bestehenden Pumpen in Lüneburg soll eine dritte Pumpe in der benachbarten Gemeinde Reppenstedt die Grundwasserförderung um weitere 350.000 Kubikmeter auf 700.000 Kubikmeter pro Jahr steigern, um das Tiefengrundwasser schließlich für Coca-Colas Mineralwassermarke Vio zu vermarkten (vgl. RUNDBR. 772/4). Im Herbst 2020 ist dafür ein Pumpversuch vorgesehen, bei dem 118.000 Kubikmeter Wasser aus dem Grundwasservorrat entnommen werden sollen.

Noch bedenklicher stufen es die GegnerInnen der zusätzlichen Grundwasserentnahme ein, dass der Brunnen für den Pumpversuch bereits für den angestrebten Betrieb fertig gestellt werden soll. Aus der Sicht der Bürgerinitiative „Unser Wasser“, die sich im Januar 2020 in Lüneburg gründete, sollen mit dem Pumpversuch Fakten geschaffen werden, noch bevor die Erlaubnis für die wirtschaftliche Nutzung erteilt werden kann. Außerdem wird das nötige hydrogeologische Gutachten vom Coca-Cola bezahlt, wodurch Zweifel an der Neutralität des Gutachtens geschürt werden. Dagegen sollte laut der BI der Schutz der Trinkwasservorkommen die höchste Priorität erhalten.

Die Klimaschutzmanagerin Karina Timmann hat zum gleichen Anlass eine Online-Petition gestartet, die inzwischen (Stand 13.10. 2020) rund 103.000 Unterschriften sammeln konnte. Vertreter der Linken und Grünen sprachen ebenfalls ihre Unterstützung für die Petition aus.


Wer Coca-Colas Vio-Wasser nicht mag,
kann ja Leitungswasser trinken!

 

Der Coca-Cola-Konzern bleibt von den Vorwürfen der Verschärfung von Nutzungskonflikten unbeeindruckt. Es würden keine Auswirkungen wie Wasserknappheit erwartet, weil das zusätzlich geförderte Wasser aus rund 200 Metern Tiefe gefördert wird. Außerdem wird auf das betreffende Gutachten der Behörde verwiesen, wonach auch für eine ausgeweitete Förderung ein ausreichendes Wasservolumen verfügbar sei.

Der Landkreis Lüneburg steht dem Vorhaben ebenfalls gelassen gegenüber; Sigrid Vossers, Kreisrätin in Lüneburg, sieht die Situation laut einem ntv-Interview folgendermaßen:

Darüber empören sich viele, dass Coca-Cola wahnsinnige Gewinnspannen erreicht. Da kann ich aber auch nur sagen: Wenn wir das alle nicht wollen, dann können wir alle Leitungswasser trinken.“

Damit rechtfertigt sie das Vorgehen, dass Landkreise Bohrgenehmigungen an Unternehmen erteilen können, auch wenn es dabei um etwas so Tiefgreifendes wie die De-facto-Privatisierung des Grundwassers geht. Als Ziel dieser Argumentation kann vermutet werden, dass der Standort für Coca-Cola in der Region gefestigt wird und auch die Gemeinden über die Gewerbesteuer am Geschäft profitieren. Dass diese Praxis jedoch mit dem Risiko einer möglichen Grundwasserabsenkung mit nachhaltigen Folgen für die Region verbunden ist, lässt sich an dem Unmut der Bürger gegen das Vorhaben von Coca-Cola absehen. Am 28. August versammelten sich rund 1.200 Menschen bei einer Demo auf dem Marktplatz in Lüneburg, um Druck für ihre Kernforderungen aufzubauen. Somit ist noch lange nicht mit einem Ende des Konflikts zu rechnen. Wer mehr zu diesem Konflikt wissen will, kann folgende Links anklicken:

Mehr zum seit Jahrzehnten hin- und herwogenden Flaschenwasser-Disput im Allgemeinen kann in den RUNDBR. Nr. 1162/S.3, 1153/1, 1145/2-3, 1139/1, 1132/1-2, 1126/2-3, 1091/3-4, 1034/3, 928/2-3, 902/1, 874/1-2, 847/3, 800/1, 797/2, 772/4, 697/2-3, 676/2-3, 662/1, 620/3-4, 615/4, 587/3, 554/1-2, 544/2, 519/2, 493/1, 469/3-4, 425/3, 370/4, 337/4 und 333/4 nachgelesen werden.

[Oder nutzen Sie die SUCH-Funktion links auf dieser Webseite (WiB-Redaktion)]

 

Lukratives Flaschenwassergeschäft
mit wertvollem Tiefengrundwasser

Der gegenwärtige Nutzungskonflikt um das Grundwasser unter Lüneburg erreicht zu Recht eine steigende öffentliche Resonanz. Einerseits werden mit der privatisierten Nutzung des Tiefengrundwassers Engpässe in Zeiten einer offenbar eskalierenden Trockenheit verschärft, in denen die BürgerInnen vielerorts und immer häufiger aufgefordert werden, Wasser zu sparen. Andererseits sind die Folgen der Entnahme von Grundwasser durch Coca-Cola für die Region infolge des anhaltenden Klimawandels nicht absehbar. Wegen der gesteigerten Entnahme des Tiefengrundwassers liegt die Vermutung nahe, dass die Ressource für künftige Generationen nicht mehr im selben Maße zur Verfügung stehen wird. Damit würde der Konzern sicherlich ein lukratives Geschäft machen, da der Umsatz bei dem Verkauf des Mineralwassers Vio um einen Faktor von mehreren Tausend höher als der Preis für die Grundwasserförderung ist. Da ändern auch die Kosten für die Abfüllanlage, das Marketing und die PET-Flaschen nicht viel. -mk-

 

 

Wasserversorgung als
generationenübergreifende Aufgabe“ …

 

… hat Dr. Wolf Merkel, neuer DVGW-Vorstand für das Ressort Wasser, sein Editorial in der ENERGIE-WASSER-PRAXIS 2/20, S. 3, überschrieben. Merkel bedauert, dass in der Öffentlichkeit und in der Politik „der Leitgedanke einer Daseinsvorsorge in Vergessenheit“ gerate - einfach schon deswegen, weil das hohe Niveau der Versorgungssicherheit im Trinkwassersektor als pure Selbstverständlichkeit angesehen werde. Aber eine sichere Trinkwasserversorgung sei das Resultat

„einer langfristig aufgebauten Infrastruktur, auf der Basis jahrzehntelanger wissenschaftlicher Erkenntnis, technischer Entwicklung, verbindlicher Regelsetzung, sorgfältiger Betriebsführung und verantwortungsbewusster Finanzierung“.

Der notwendige Stellenwert der Trinkwasserversorgung als Aufgabe einer langfristig angelegten Daseinsvorsorge komme beispielsweise dann zu kurz, wenn Wasserschutzgebiete und die dort geltenden Auflagen „in erster Linie“ als „Hindernisse für Gewerbeansiedlung“ betrachtet würden. Und allen Kostendrückern in Gemeinderäten, Werksausschüssen und Bürgermeisterämtern schreibt Merkel ins Stammbuch, dass ein verantwortungsvolles Anlagenmanagement („Asset Management“) dazu diene,

„unsere Infrastruktur zu pflegen, zu entwickeln und an die nachfolgende Generation zu übergeben“.



Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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