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14. Dezember 2022

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 2000, 23. November 2022

 

UmweltmanagerInnen den
betrieblichen Gewässerschutze nahe bringen

 

Zehntausende von Unternehmen auf dem Globus haben ein betriebliches Umweltmanagement nach der internationalen Norm ISO 14000 aufgebaut. Entsprechend der ISO 14001 verpflichten sich diese Unternehmen, dem betrieblichen Umweltschutz ein besonderes Augenmerk zu schenken. Ob der Umweltschutz im Unternehmen tatsächlich „gelebt“ wird, wird von externen Zertifizierungsgesellschaften in der Regel alle drei Jahre überprüft. Derzeit wird in der Internationalen Standardisierungs-Organisation (ISO) an einem Leitfaden gearbeitet, der speziell auf den betrieblichen Gewässerschutz gemünzt ist: Wie können ISO 14001-zertifizierte Unternehmen und Organisationen Wasser einsparen, das Abwasser besser reinigen, den Hochwasserschutz optimieren und beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen den Grundwasserschutz bestmöglich gewährleisten?

Das Problem: Die gesamte ISO 14000er Reihe muss weltweit anwendbar sein – also beispielsweise nicht nur in den USA und Japan, sondern auch in Kolumbien oder in Südafrika. Insofern sind viele Vorgaben nicht passgenau für die Verhältnisse in Deutschland anwendbar – zumal es für den betrieblichen Gewässerschutz in hiesigen Unternehmen ungleich bessere Praxisleitfäden gibt: Von den „Hintergrundpapieren“ zu den branchenspezifischen Anhängen der Abwasserverordnung bis hin zu den ebenfalls branchenspezifischen Merk- und Arbeitsblättern der DWA. Gleichwohl soll der Leitfaden ISO 14002-2 auch in Deutschland eine Hilfestellung beim betrieblichen Gewässerschutz bieten. Der jetzt praktisch fertiggestellte Leitfaden weist noch einige zu klärende Details auf.

An Hand eines fiktiven Wasserwerkes in den USA wird in dem Leitfaden u.a. erläutert, wie auch ISO 14001-zertifizierte Wasserversorgungsunternehmen ihre Gewässerschutzanstrengungen optimieren können.

Nachfolgend wird exklusiv beschrieben, wie sich die VerfasserInnen des Leitfadens den idealen Gewässerschutz im Wasserwerk vorstellen.

(An der Erarbeitung des Leitfadens war von Seiten der Umwelt-NGOs außer dem WWF und dem Global Natur Funds u.a. auch ein Vertreter des Ak Wasser im BBU beteiligt. Die Mehrheit der Mitarbeitenden in dem zuständigen Normungsgremium kommt aus der Industrie.)

ISO 14002-2: Den Wasserbedarf
bei den KundInnen reduzieren

 

Das fiktive Wasserwerk von „Ames Community Water System“ (ACW) ist „ein kleines Wasserwerk“, das im dürregefährdeten Ames Valley (USA) das Trinkwasser für 3.000 EinwohnerInnen bereitstellt. Angenommen wird ferner, dass ACW das Rohwasser aus dem Grundwasserleiter „Central Hills Aquifer“ entnimmt und dass aus diesem Grundwasserleiter auch das Bewässerungswasser für „deutlich mehr als 800.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen“ entnommen wird. (Unklar bleibt in dem Leitfadenentwurf, ob Ames Water zugleich für die Förderung und Verteilung des Bewässerungswassers zuständig ist.) Angemerkt wird:

Dürren und Waldbrände treten in dieser Gegend regelmäßig auf, was die Verfügbarkeit von Wasser beeinträchtigt.“

Das Absinken des Grundwasserspiegels führe zudem zu einer Aufsalzung der Grundwasserressourcen. Außerdem wird angenommen, dass die technischen Anlagen des Wasserversorgers in die Jahre gekommen seien. Die Betriebsführung des Wasserversorgers sei bislang ziemlich hemdsärmelig („informell“) ausgelegt gewesen. Die Geschäftsführung des Wasserversorgers sei jetzt aber der Meinung, dass mehr Stringenz und Struktur in die Organisation gebracht werden sollte – nicht zuletzt auch, um mehr „Verbrauchervertrauen“ zu generieren. Das Management habe sich außerdem vorgenommen, den Wasserverbrauch zu reduzieren. Dazu will man die VerbraucherInnen über Wassersparmöglichkeiten aufklären. Zudem soll es hierfür ein „Verbraucherrabattprogramm“ geben, mit dem der „Einbau von wassersparenden Toilettenspülsystemen“ gefördert werden soll.

Um den Zustand der alternden Infrastruktur zu erfassen, soll darüber hinaus eine dreijährige Bestandsaufnahme gestartet werden. Überalterte und beschädigte Rohrleitungsabschnitte sollen ausgetauscht werden. Die Cybersicherheit des Wasserversorgers soll ebenfalls gesteigert werden. Dazu soll die Sensibilität der Belegschaft gegenüber drohenden Cyberangriffen gefördert werden (vgl. RUNDBR. 1166/3-4, 1101/4). Auch Abwehrübungen gegenüber Hackerangriffen sollen jährlich durchgeführt werden. Ferner ist vorgesehen,

dass Ames Water „eine Reihe kritischer Anlagen identifiziert (hat) und einen redundanten Bestand vor(hält), um eine Unterbrechung seiner Dienstleistung bei einem kritischen Versagen oder bei Beschädigung seiner Anlagen zu vermeiden.“

ISO 14002-2: Das Verbrauchervertrauen
in die Trinkwasserqualität erhöhen

 

Um das Vertrauen der VerbraucherInnen in die Qualität des Trinkwassers und die Performance des Wasserversorgers zu verbessern, soll jährlich ein Newsletter die KundInnen nicht nur über die Trinkwasserqualität informieren. Der Newsletter soll auch verdeutlichen was Ames Water alles unternimmt, um „eine sichere und nachhaltige Wasserversorgung sicherzustellen“. Für die Aufbereitung des Rohwassers zu Trinkwasser werden im Wasserwerk „Alkaline“ (gemeint ist vermutlich Natronlauge) und Chlor eingesetzt. Um Grundwasserkontamination und Chlorfreisetzungen zu vermeiden, wird in dem Fallbeispiel angenommen, dass Ames Water „doppelwandige Rohrleitungen“ eingesetzt. Nach einer Havarie habe man aber erkannt, dass der Spaltraum zwischen Innen- und Außenrohr kontinuierlich überwacht werden muss, um eine Leckage rechtzeitig erkennen zu können.

Ehrgeiziges Wassersparprogramm:
100 % geringerer Wasserbedarf!?

 

Unternehmen und Organisationen, die sich beim betrieblichen Umweltschutz eines Umweltmanagementsystems nach ISO 14001 bedienen, müssen sich quantifizierbare Umweltziele setzen, um im Rahmen eines „kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“ die Umweltperformance immer weiter zu steigern. In dem Fallbeispiel in dem Leitfaden ISO 14002-2 wird für Ames Water (abseits der Realität) angenommen, dass der Wasserversorger bei seinen Kunden dafür sorgen will, dass in den nächsten fünf Jahren der Wasserbedarf der privaten Haushalte um jährlich zehn Prozent (!) sinken soll. Darüber hinaus soll durch eine Erneuerung des Rohrleitungssystems und der Anlagen „eine Verbesserung der Nutzung der Ressource Wasser um 50 % in den kommenden drei Jahren“ erzielt werden.

[Das würde bedeuten, dass der Wasserbedarf in der Summe auf Null sinken würde!? Wir haben deshalb vorgeschlagen, realistischere Einsparziele zu benennen; Anm. BBU.]

Damit das Management über den Stand der Verbesserungen im Bilde bleibt, sollen periodisch der Fortschritt bei der Rohrleitungssanierung, bei der Abnahme der Versorgungsunterbrechungen und bei der Reduzierung der Rohwasserentnahme erhoben werden.

ISO 14002-2: Indischen Milchkonzern
auf mehr Gewässerschutz trimmen

 

Neben dem zuvor erläuterten Fallbeispiel eines Wasserversorgers wird in dem Leitfaden an Hand eines fiktiven Molkereibetriebs erläutert, wie man den betrieblichen Gewässerschutz in der Milchwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie „mit einer Reihe beispielhafter Zielsetzungen und Maßnahmen“ auf Vordermann bringen kann. Für die Pavitra Dairy Ltd. (PDL) wird angenommen, dass es sich um eine genossenschaftlich organisierte Großmolkerei handelt, die von mehr als drei Millionen Milcherzeugern im Einzugsgebiet des Flusses Neva in Nordwestindien mit dem Rohstoff Milch beliefert wird. Die seit 75 Jahren existierende Großmolkerei habe dazu beigetragen, „dass Indien zu einem der weltweit größten Erzeuger verpackter Milch und Milchprodukte“ avanciert sei (siehe Kasten).

Indien: Größter Milchproduzent auf dem Globus

In Deutschland ist es für die meisten Menschen wohl kaum vorstellbar, dass Indien mit einem Anteil von 15 Prozent an der Weltmilchproduktion der größte Milchproduzent auf dem Globus ist. Zudem fungiert Indien als größter Rindfleischexporteur der Welt – wohl überwiegend das Fleisch von Wasserbüffeln – weil die Kühe selbst für viele Hindi als „heilig“ gelten. Für mehr Infos zur überragenden Bedeutung der Milchwirtschaft in Indien einfach mal die Begrifflichkeit „Stellenwert der Milchwirtschaft in Indien“ in eine Suchmaschine eingeben. Bei der Gelegenheit: Ausführliche Infos zur Abwasserreinigung und –vermeidung in der indischen Textilbranche können im RUNDBR. 1105 nachgelesen werden.

Zum regionalen Umfeld des Milchverarbeitungsunternehmens wird angemerkt, dass die meiste Zeit des Jahres in der Region Trockenheit herrschen würde. Außerhalb des Monsuns sei das Wasser knapp. Der Fluss Neva sei die Lebensader der Region und der Schutz der Fluss- und Mündungsressourcen sei entscheidend für die biologische Vielfalt, die Gesundheit der Menschen und das Wohlergehen der Landwirtschaft. Um den Schutz der Gewässergüte in der Neva zu gewährleisten, werde das Abwasser aus der Milchverarbeitung mittels Ultrafiltration behandelt. Das Bedienpersonal müsse umfangreiche Schulungen absolvieren, um die Abwasserreinigung, die Prozessüberwachung und die Einhaltung der Grenzwerte im Abfluss der betrieblichen Kläranlage bestmöglich zu praktizieren. Auch die Abwärmebelastung aus der Produktion von UTH-Milch werde kontrolliert. Über seine Umweltleistungen publiziere der fiktive Musterbetrieb zur Information der interessierten Öffentlichkeit jährlich einen Umweltbericht.

ISO 14002-2:
Wenn im Milchkonzern der Strom ausfällt

 

Als Beispiel für die Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr wird im Entwurf des ISO-14002-2-Leitfadens der Ausfall der Stromversorgung für die Produktions- und Abwasserreinigungsanlagen angeführt. Damit es dadurch nicht zu Gewässerverunreinigungen kommt, habe der Vorzeigebetriebe eine Notstromversorgung realisiert. Einmal im Jahr sollte eine Übung stattfinden, damit es mit der Notstromversorgung bei einem real stattfindenden Notfall auch tatsächlich so funktioniert, wie es im Umwelthandbuch vorgesehen sei.

ISO 14002-2: Mit besserem Güllemanagement
zu mehr Gewässerschutz

 

Bei seinen Milchlieferanten habe der Milchkonzern dafür gesorgt, dass das Abwasser aus den Großmastanlagen zur Entfernung von Stickstoffverbindungen gesammelt und gereinigt wird. Pavitra habe sich zudem das Umweltziel gesetzt, bei seinen Lieferanten ein Güllemanagement zu realisieren und für Abdichtungen der Güllelagunen zu sorgen. [Güllelagunen sind riesige Erdbecken, in denen die Gülleschwemme aus der Massentierhaltung zwischengelagert wird; siehe RUNDBR. 1055/1]

Mit Hilfe des Güllemanagements sollen die notwendigen Inspektionen und Messprogramme sowie die zugehörige Schulung der Landwirte sichergestellt werden. Die hohe Nitratbelastung [richtiger müsste es heißen „Ammoniakbelastung“] aus der Massentierhaltung und die daraus resultierenden Beeinträchtigung der Gewässergüte sei ein wesentlicher Grund, um zusammen mit den genossenschaftlichen Milchbauern „bewährte Güllemanagementverfahren“ einzuführen.

Es habe sich dabei aber gezeigt, dass mit den Abdichtungen die Anforderungen an den Grundwasserschutz gewährleistet werden könnten, dass aber die Ammoniakausgasungen aus den Güllelagunen damit zugenommen hätten. Deshalb habe Pavitra den Landwirten schwimmende Abdeckungen für die Güllelagunen zur Verfügung gestellt, um die unbeabsichtigte Verflüchtigung von Ammoniak zu minimieren. Darüber hinaus würde das Musterunternehmen Machbarkeitsstudien in Auftrag geben, um zu untersuchen, wie man mit Biogasanlagen die Gülle in „biogenen Brennstoff umwandeln“ könne.

Mit Futtermittelmanagement zu
weniger Nitrat im Grundwasser

 

Als quantifizierbares Umweltziel habe sich Patvitra Dairy Ltd. vorgenommen, die

„Phosphat- und Nitratwerte im von landwirtschaftlichen Flächen ablaufenden Wasser um 90 % bis zum 3. Quartal des kommenden Jahres“ zu reduzieren. Dies umfasse „den Einbau von Güllelagunenabdichtungen sowie ein nachhaltiges Lagunenmanagement“ sowie die erwähnten Schulungen, Inspektionen und Messprogramme.

Aber auch bei einem optimierten Güllelagunenmanagement sei damit zu rechnen, dass beim Einsatz der Gülle als Dünger auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen Stickstoffverbindungen in Grund- und Oberflächengewässer gelangen könnten. Deshalb prüfe der Milchkonzern auch ein Futtermittelmanagement. Durch den Zusatz von Aminosäuren und eine genau auf das Alter der Kühe abgestimmte Fütterung („Phasenfütterung“) soll dafür gesorgt werden, dass in den Ausscheidungen der Milchkühe weniger Nährstoffe enthalten seien.

Um zu erläutern, wie die allgemeinen Anforderungen aus dem ISO-Leitfaden 14002 umgesetzt werden können, werden neben dem Wasserversorger und dem Milchkonzern auch die innerbetrieblichen Gewässerschutzmaßnahmen eines Chemieunternehmens beschrieben – mehr dazu unter:

https://www.beuth.de/de/norm-entwurf/din-en-iso-14002-2/350889058
-> Blick in die Norm …

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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