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2. April 2024

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1218, 26. März 2024

 

Wie der Klimawandel die
Wasserrahmenrichtlinie an ihre Grenzen bringt

 

Als Ende der 90er Jahre die Väter (Mütter gab es damals noch keine) der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) den Richtlinientext formulierten, hat sich noch kaum keiner vorstellen können, welchen rasanten Verlauf die Klimakrise nehmen würde. Die Erreichung der ursprünglich definierten Ziele der Richtlinie („guter ökologisher Zustand“) wird durch den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Gewässerökologie immer unwahrscheinlicher. Zwar wird argumentiert, dass die WRRL mit ihren sechsjährigen Umsetzungszyklen eine große Flexibilität aufweisen würde (s. RUNDBR. 1165/1). Und demzufolge könne sie auch flexibel auf die Klimakrise reagieren.

Aber tatsächlich ist die Klimakrise gegenüber der Gewässerökologie derart „disruptiv“ (zerstörerisch), dass daran auch die WRRL zunehmend scheitern wird. Die eskalierende Klimakrise droht viele der im Gewässerschutz erreichten Erfolge zurückzudrehen. Dabei ist vielleicht gar nicht die Erwärmung an sich, sondern der mit Erwärmung einhergehende Niederschlagsmangel im Sommerhalbjahr der gravierendste Faktor. Wenn Fließgewässer in der „Heißzeit“ zunehmend austrocknen, kann man dort – mangels Wasser - auch nicht mehr den „guten ökologischen Zustand“ erreichen, der lt. EG-Wasserrahmenrichtlinie spätestens bis 2027 in allen Oberflächengewässern der EU nachgewiesen werden müsste (s. RB 1209/1-2). In ausgetrockneten Bächen finden Lachs & Co keine Laich- und Jungfischhabitate mehr. In austrocknenden Tümpeln und Spurrillen verendet millionenfach der Laich von Amphibien.

Die Klimakrise ist schneller als die
Abschaltung der fossilen Kraftwerke

 

Wir Umweltverbände haben jahrzehntelang für eine Reduzierung der Abwärmeeinleitungen aus Kraftwerken und Industriekomplexen gekämpft. Inzwischen müssen wir leider feststellen, dass die Erwärmung der Gewässer durch den rasant voranschreitenden Klimawandel die Erfolge bei der Einschränkung von Abwärmeeinleitungen „überkompensiert“. Bei Bächen kann die Zunahme der Erwärmung durch eine Abschattung durch Hecken und Baumreihen entlang der Fließgewässer zumindest reduziert werden. An Flüssen mit großer Breite funktioniert diese „Abschattungsstrategie“ aber nur ungenügend bis gar nicht. Für die Fischfauna können immerhin Kaltwasser-Kolke an Bach- und Flussabschnitten mit kühlem Grundwasserzufluss angelegt werden. Das sind aber alles nur Notmaßnahmen, die den Ruin der Gewässerökologie, so wie wir sie kennen, allenfalls verlangsamen.

Bei Seen droht die Hyper-Eutrophierung

 

In Seen kann die Erwärmung zu einem Rückgang oder Komplettausfall der Durchmischung im Winterhalbjahr führen. Die stabile Temperaturschichtung, die sich im Sommerhalbjahr aufbaut, wird dann nicht mehr aufgelöst. Die Folge: Sauerstoffreiches Wasser wird im Winter nicht mehr in die Tiefe transportiert. Das führt zu anaeroben (sauerstofflosen) Verhältnissen, die geochemische Reaktionen in Gang setzen, die nicht mehr beherrschbar sind. In dem sauerstofflos werdenden Tiefenwasser drohen Fäulnisrozesse mit der Bildung von giftigem Schwefelwasserstoff. Zudem ist mit der Remobilisierung von eutrophierenden Phosphaten aus dem Phosphor-Pool der Sedimente zu rechnen. Der Phosphorvorrat am Seegrund hat sich aus der absinkenden Biomasse über Jahrzehnte, Jahrhunderte oder gar Jahrtausende aufgebaut. Wenn die stabile Temperaturschichtung in Extremjahren dann doch wieder aufgelöst wird, kann der in den Sedimenten akkumulierte P-Vorrat „schlagartig“ in das Oberflächenwasser der Seen gelangen. Die Freisetzung von algenverfügbarem ortho-Phosphat kann dann zur Hypereutrophierung führen.

In Gewässerschutzkreisen – egal ob in Umweltverbänden oder in Behörden – dominiert immer noch das lineare Denken. Dass die Klimakrise zunehmend disruptiv wirkt und immer mehr negativ wirkende Kipppunkte in der Gewässerökologie aktiviert werden, wird noch weitgehend verdrängt. Man hangelt sich von Illusion zu Illusion und hofft, dass mit mehr Gewässerrenaturierung die „Resilienz“ der Bäche und Flüsse gegenüber dem Klimawandel gestärkt werden kann. Das wird ein stückweit klappen – aber die generell nach unten gerichtete Abwärtsspirale in der Gewässerökologie wird damit bestenfalls verlangsamt. In Zeiten, in denen der Klimawandel immer schneller vonstatten geht, ist das ja auch schon mal ein Erfolg.

-n.g.-


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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