aktualisiert:
10. Dezember 2005

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

Attac-Deutschland, 2.12.2005

Für die gesellschaftliche Aneignung von Dienstleistungen!


Die Grenze zwischen Dienstleistungsbereichen, die ausschließlich dem Profitstreben unterworfen sind,
und Bereichen, die sozialen und ökologischen Erfordernissen entsprechen, ist umkämpft.

 


Im Jahr 2000 gelang es der Weltbank mit massivem Druck und der Drohung Kredite vorzuenthalten, Boliviens Wasserversorgung für die Privatisierung durch transnationale Wasserkonzerne zu erschließen. In der Stadt Cochabamba erhöhte das Konsortium des US-Konzerns Bechtel und des spanischen Unternehmens Abenoga die Wasserpreise um bis zu 200 Prozent und untersagte Nachbarschaftskomitees die kleinteilige Wasserversorgung in Gebieten mit schlechter Versorgungslage. Diesen Angriff auf eine so existentielle Lebensgrundlage wie die ausreichende Versorgung mit kostengünstigem Wasser wehrte die Bevölkerung Cochabambas mit einer selbstbewussten Serie von Protesten ab. Das Konsortium wurde aus der Stadt vertrieben. Statt aber die Wasserversorgung wieder in eine konventionelle kommunale Form zu überführen, forderten die Demonstranten: „In unsere Hände!“

Seitdem übt die Bevölkerung die demokratische Kontrolle über das lokale Versorgungsunternehmen aus: Zum einen wählt sie die Vorstandsmitglieder direkt; zum anderen hat sie sich zu Wasserkomitees zusammengeschlossen, die in Gebieten mit schlechter Anbindung die Wasserversorgung organisieren.

Denn der Verbleib von Dienstleistungsunternehmen in konventioneller öffentlicher Trägerschaft oder aber auch die Rückabwicklung von Privatisierungen in diese Form hat einen Pferdefuß: Diejenigen Strukturen, die eine Enteignung der öffentlichen Hand erst so einfach machen, bleiben unangetastet. Die Kontrolle über die kommunalen Dienstleister üben weiter die Verwaltungen und die Parteien in den Kommunalparlamenten aus, die im Zweifelsfall immer noch für eine Privatisierung stimmen. Der Drang nach Machterhalt oder Karrieremöglichkeiten in von ihnen privatisierten Unternehmen verbunden mit den enormen Ressourcen der zum Teil transnationalen Unternehmen sorgen dafür, dass Politiker und Beamte sich im Zuge von Privatisierungsprozessen häufig schadlos halten.

Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen wird weltweit mit demokratischen Modellen experimentiert, die eine solidarische Erbringung von Dienstleistungen gewährleisten sollen – wie in Cochabamba. Oder in England, wo es inzwischen eine Form öffentlicher Krankenhäuser gibt, bei denen verschiedene gesellschaftliche Gruppen im Aufsichtsichtsrat vertreten sind: zum Beispiel Patientenvereinigungen, Angestellte und Kirchengemeinden.

Auch wenn derartige Versuche zaghaft sind, haben weltweite Proteste gegen Privatisierung dazu geführt, dass zum Beispiel in den GATS-Verhandlungen Spielräume zur Liberalisierung von Basisdienstleistungen wie Bildung, Gesundheit und Wasser deutlich enger geworden sind. Und auch der Widerstand gegen den Entwurf einer EU-Dienstleistungsrichtlinie ist nicht ohne die vielfältigen Erfahrungen bei den Auseinandersetzungen um Privatisierung auf kommunaler Ebene zu denken.

Kämpfe auf lokaler Ebene für lokale Demokratie sind damit auch immer ein Beitrag auf dem Weg zu globaler Demokratie. Das Ziel solidarischer Dienstleistungen ist dabei ein wichtiger Ansatzpunkt.

Alexis Passadakis, Attac & Weed

 



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