aktualisiert:
15. August 2005

 

 

 

 

 

 

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  Untersuchungen  

WasserInBürgerhand!

 

Liberalisierung und Privatisierung
im Wassersektor Europas


 

Auszug aus dem weed-Arbeitspapier "Öffentliche Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck
- Folgen von Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in Europa"
,
Barbara Dickhaus & Kristina Dietz, Berlin März 2005, ISBN: 3-937383-19-0

Obwohl keine EU-Vorgaben für eine Liberalisierung des Wassersektors bestehen, wird Wasserversorgung in vielen Ländern privatisiert.

 
 
Für den Wassersektor gibt es im Gegensatz zu anderen netzwerkgebundenen Dienstleistungen bisher keine Vorgaben der EU-Kommission zur Liberalisierung. Eine Liberalisierung des Wassersektors bzw. die Einführung von Wettbewerbsregeln wird dennoch - auf internationaler und europäischer Ebene sowie innerhalb der EU-Staaten selbst - seit einigen Jahren vielfach diskutiert und forciert.

 Wasserversorgung
als Daseinsvorsorge

Wasserversorgung als Grundrecht und öffentliches Gut sollte allen NutzerInnen zugänglich sein.

 
 

Wasser ist ein Gut, das für das (menschliche Leben grundlegend und nicht ersetzbar ist. Mit einer angemessenen (42) Wasserversorgung sind auch andere positive Wirkungen wie Gesundheitsschutz, Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Aktivität und Resourcenschutz verbunden. In der Annahme, dass diese Ziele des Gemeinwohls der Effizienzorientierung privater Unternehmen oftmals entgegenstehen, wurde Wasserversorgung in den meisten Ländern Europas im Zuge des letzten Jahrhunderts als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge organisiert und stark reguliert. Da Trinkwasser unterschiedlicher Quellen aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht gemischt werden sollte und der aufbau paralleler Leitungsnetze sehr kostenintensiv wäre, wird Wasserversorgung zudem als sogenanntes natürliches Monopol betrachtet. Im Wassersektor gibt es daher gegenwärtig allenfalls einen Wettbewerb um den Markt. Ein Wettbewerb im Markt, bei dem verschiedene Unternehmen Wasser aus unterschiedlichen Quellen durch die Leitungen des netzbetreibenden Unternehmens leiten oder ein paralleles Leitungsnetz aufbauen, wird daher in der Regel nur für die Versorgung großer Industriebetriebe umgesetzt (...).

Positionen innerhalb der Europäischen Union

 
 

Die verschiedenen EU-Gremien blieben in ihren Aussagen bezüglich der Liberalisierung von Wasserversorgung lange Zeit uneindeutig und damit bestand lange Unklarheit, ob die Dienstleistungen der Wasserversorgung unter die Bestimmungen der EU-weiten Wettbewerbsregeln fallen oder nicht (...). Im Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom Mai 2003 wird Wasserversorgung jedoch explizit als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bezeichnet (...) und damit de facto umdefiniert (43). In einer Mitteilung der Kommission vom Mai 2003 heißt es: "The priority now is to complete the process of making market opening by adopting existing proposals and making new ones where necessary. One area where this new action may be required is the water sector [...]." (...). Wenngleich die EU somit also wie bisher keine explizite Liberalisierungspolitik der Wasserversorgung betreibt, zeigt dieser Wandel doch, dass die EU-Kommission europäische Wettbewerbsregeln in Zukunft auch auf diesen Sektor anwenden will (...).

Das Europäische Parlament lehnte im Januar 2005 eine Liberalisierung der Wasserversorgung ab und forderte eine "Modernisierung" der Wasserwirtschaft nach Qualitäts-, Umwelt- und wirtschaftlichen Maßstäben. Offen bleibt jedoch. was genau mit einer "Modernisierung" gemeint ist bzw. wie und von wem diese definiert und gestaltet werden soll. Auch die Diskussionen zu einer möglichen Anwendung des europäischen Vergaberechts im öffentlichen Beschaffungswesen (Ausschreibungen) könnte dazu führen, dass im Wassersektor Wettbewerbselemente eingeführt werden (...).

Transnationale Konzerne als einflussreiche Akteure im europäischen Wassersektor

 
 

Die im Wasser- und Energiesektor agierenden TNK wie Veolia, E.on und RWE (...) sehen in Liberalisierung und Privatisierung eine Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Ausweitung ihres Betätigungsfeldes und stellen eine starke Lobby in der Diskussion zur Liberalisierung von Wasserversorgung dar (...). In vielen Längern werden sie in diesem Bestgreben auch von staatlichen oder anderen privatwirtschaftlichen Akteuren unterstützt. Der - zum Teil real gegebene - Reformbedarf des Wassersektors (44) stellt dabei vielfach einen Anlass dar, eine Modernisierung durch Liberalisierung und Privatisierung der Wasserversorgung zu fordern und zugleich die Interessen der "heimischen" Wasserkonzerne zu fördern. Gewerkschaften, Umweltschutzverbände und kommunale Unternehmen wie die Stadtwerke sehen dabei Dienstleistungserbringung für alle, demokratische Handlungsspielräume und den Umweltschutz gefährdet.

GATS - Hintertür für die Öffnung der europäischen Wassermärkte?

 
 

In Bezug auf den Wassersektor ist auch das internationale Handelsabkommen für Dienstleistungen, GATS, von besonderer Bedeutung. Die hier stattfindenden Verhandlungen werden stark von der auf Liberalisierung dringenden EU-Handelskommision sowie von TNK des Wassersektors geprägt. Diese fordern eine Liberalisierung des Wassersektors in den WTO-Mitgliedsländern. Im höchsten Maße bedenklich und zugleich symptomatisch für die GATS-Verhandlungen ist dabei, dass die TNK von der EU-Kommission aufgefordert wurden, ihre Wünsche für eine Liberalisierung im Wassersektor in die laufenden GATS-Verhandlungen der EU einzubringen (...). Eine Liberalisierung von Wasserversorgung im Rahmen des GATS könnte dazu führen, dass Regelungen zum Schutz der Daseinsvorsorge (z.B. Gebietsmonopole) sowie kommunale Regulierungsmaßnahmen, die auf eine Sicherung des Gemeinwohls zielen und damit oftmals den Wettbewerb beschränken, abgebaut werden. Zudem ist eine Liberalisierung im Rahmen des GATS de facto unumkehrbar, da hiermit verbindliche Regeln im internationalen Handelsrecht festgeschrieben werden (...).


1. Stand der Privatisierung im europäischen Wassersektor

 

In den meisten EU-Staaten ist die Wasserversorgung weiterhin überwiegend in öffentlicher Hand und wird von den Kommunen ausgeführt (...). In vielen EU-Ländern zeichnet sich jedoch auch ohne EU-Vorgaben eine Restrukturierung und verstärkte Beteiligung privater Anbieter ab. Damit gehen zum Teil auch De- und Re-Regulierungen des Wassersektors einher (...). Der Grad der Umstrukturierungen ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Frankreich z.B. hat seit ca. 150 Jahren Erfahrungen mit Privatisierungen im Wassersektor in Form von Public-Private-Partnerships (PPP). Großbritannien führte vor ca. 15 Jahren als erstes und bisher einziges europäisches Land eine vollständige Privatisierung der Wasserversorgung durch. Vor diesem Hintergrund gibt es eine umfangreiche Literatur zum Thema Privatisierung und Liberalisierung von Wasserversorgung in Europa; nur ein kleiner Teil davon stelt jedoch wirkliche Folgeanalysen von Privatisierung dar.
 

2. Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung

2.1. Großbritannien: Vorreiter bei
Kommerzialisierung und Privatisierung


Die Regulierung Transnationaler Konzerne wird politischer Einflussnahme entzogen.

Durch die Privatisierung wurden lediglich staatliche Monopole durch private Monopole ersetzt.

 
 

In England/Wales wurde mit dem Water Act von 1989 als bisher einzigem europäischen Land eine vollständige Privatisierung (Organisationsprivatisierung) der Wasserversorgung durchgeführt. Damit befinden sich sowohl die Infrastruktur als auch das Management der Betriebe in privater Hand. In den britischen Wasserversorgungsunternehmen fand bereits vor 1989 eine Umstrukturierung und zunehmende Ausrichtung auf ökonomische Effiziens statt. Zugleich hatten die Höhe von Investitionen und auch die Qualität der Wasserversorgung in diesem Sektor deutlich abgenommen. Mit dieser Umstrukturierung ging auch ein Abbau von Arbeitsplätzen einher (...). In der Privatisierung ist daher letztendlich die Konsolidierung der vorhergehenden Politik der Kommerzialisierung zu sehen (...).

Mit der Organisationsprivatisierung kamen die privaten Anbieter in den Besitz der Anlagen (Infrastruktur) und übernahmen auch die Betriebsführung (das Management) der Unternehmen. Gleichzeitig wurde ein zentralisiertes Regulierungssystem eingeführt und drei Regulierungsbehörden für den Wassersektor geschaffen, womit eine Re-Regulierung, aber auch eine Fragmentierung des Wassersektors einherging (...). Als zentrale Regulierungsbehörde für ökonomische Belange wurde das OFWAT (Office of Water Services) geschaffen, das die Festsetzung von Tarifstrukturen und die Kontrolle von Investitionen übernimmt. Es wird durch Abgaben der Wasserunternehmen finanziert (...). In der Bewertung dieser Regulierungsstrukturen stehen sich die Positionen - wie in vielen anderen Aspekten der Privatisierungspolitik - diametral gegenüber: BefürworterInnen der Privatisierung bewerten die institutionelle Trennung von Leistungserstellung und Regulierung positiv (...) und loben die Struktur des Wassersektors nach der Privatisierung als eine "klare Besitzstruktur frei von politischer Einmischung" (...). Bakker dagegen kritisiert diese Form der Regulierung des Wassersektors, da sie sich politischer Einflussnahme weitgehend entzieht (...).

Durch die Privatisierung wurden private regionale Monopole - die ehemaligen Versorgungsgebiete der öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen - geschaffen. De facto wurden damit öffentliche durch private Monopole ersetzt. Ein Wettbewerb um den Markt wurde somit nicht umgesetzt und Wettbewerb im Markt findet aufgrund der Besonderheiten von Wasserversorgung bisher lediglich in der Belieferung von Großunternehmen statt (...). Laut Kohlmorgen/Schneider (...) sollen beide Formen jedoch zukünftig möglich sein.


2.2. Folgen von Kommerzialisierung
und Privatisierung

Folgen für die Markt- und
Unternehmensstruktur

 

Die zehn größeren Unternehmen der Wasserver- und Abwasserentsorgung waren zunächst für fünf Jahre durch Vorgaben der Regierung vor Übernahmen geschützt. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist setzte jedoch eine intensive Übernahme- und Fusionspolitik durch multinationale Konzerne ein, so dass eine Marktkonzentration und Internationalisierung der britischen Wasserwirtschaft stattfand. Insbesondere französische, aber auch deutsch und us-amerikanische Konzerne des Energiesektors haben sich - ganz im Sinne einer Multi-Utility-Strategie - in der Wassermarkt eingekauft (...).

Folgen für die sozio-ökonomische Sicherheit:
Arbeitsplatzeffekte und industrielle Beziehungen

 

Nach der Privatisierung setzte sich der Trend zum Arbeitsplatzabbau fort (...). Hall/Lobina gehen von einem Arbeitsplatzabbau von ca. 20% seit 1990 aus beschreiben diesen als Rationalisierungsstrategie von Unternehmen im Zuge von Fusionen und Auslagerungen. Damit gingen auch eine "Erosion von Arbeitsrechten" und qualitative Veränderungen der Arbeitsbedingungen einher. Mit Bezug auf die Veränderungen der industriellen Beziehungen zeigt sich, dass die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen in England vor dem Hintergrund der ideologischen Ausrichtung der Thatcher-Regierung in den 1980er Jahren zu sehen ist, die das Ziel verfolgte, staatliche Tätigkeiten aus diesem Bereich zurückzudrängen. Damit sollte auch die gewerkschaftliche Interessenvertretung geschwächt werden. Zugleich sind die Gehälter von Managern und die DividendeZahlungen an AktionärInnen deutlich gestiegen (...).

Folgen für die Versorgungssicherheit:
Preisentwicklung und Qualität der Dienstleistungen

 

Nach der Privatisierung sind die Wasserpreise in Großbritannien vielfach deutlich angestiegen. Dabei zeigte sich, dass hohe Investitionen getätigt wurden und sich die Qualität der Dienstleistung deutlich verbessert hatte, wenngleich die Wasserqualität im europäischen Vergleich weiterhin keine hohen Standards erreichte (...). Hervorzuheben bleibt jedoch, dass diesen privaten Investitionen eine aktive De-Investitionspolitik der Regierung vorangegangen ist und die Finanzierung der privaten Investitionen zum Teil indirekt und direkt durch öffentliche Gelder erfolgte (...). Zudem waren die Investitionen der privaten Unternehmen nach Einschätzung eines Parlamentsausschusses unzureichend und wurden von der Regulierungsbehörde OFWAT und den Unternehmen höher beziffert, als sie tatsächlich waren (...). Damit kann auch die Regulierungstätigkeit des OFWAT als unzureichend angesehen werden. Seit 2001 wurden durch die Regulierungsbehörde Preissenkungen von jährlich ca. 2,1% vorgegeben, da die Preis zu hohe Gewinnmargen für die Unternehmen beinhalteten und diese daher reduziert werden sollen (...).

In Großbritannien wurde die soziale Ausgrenzung unterer Einkommensgruppen durch die Abstellung von Leitungen (so genannte cut offs) bei Nichtzahlung forciert. Die Anzahl der "Netzausschlüsse" hatte nach der Privatisierung rapide zugenommen und wurde 1999 - ebenso wie der Einbau von prepaid Wasserzählern - gesetzlich verboten (...). Dabei sind die unteren Einkommensgruppen besonders von den steigenden Preisen betroffen und somit entstand eine sozial-räumliche Polarisierung in Bezug auf die Kosten von und des Zugang zu Wasserversorgung. Zugleich wurde beobachtet, das NutzerInnen zunehmend in die Rolle von KundInnen und weniger als BürgerInnen gesehen werden (...).

Ökonomische Folgen für die öffentliche Hand:
Kosten der Privatisierung

 

Die Regierung verkaufte die Unternehmen der Wasserversorgung 1989 für ca. 5 Mrd. Pfund, womit die Schulden der öffentlichen Wasserunternehmen in ungefähr gleicher Höhe abgegolten wurden. Schönbäck et al schließen daraus, dass der "Nettoerlös der Privatisierung für die Regierung praktisch null" gewesen sei (...). Zudem wurde den privaten Unternehmen eine Förderung von Umweltinvestitionen und Steuererlass in Milliardenhöhe zugestanden. Vielfach wird zudem die Vermutung bzw. Kritik geäußert, dass die Regierung die Unternehmen weit unter Wert verkaufte (...) und die privaten anbieter in ihrer Tätigkeit somit indirekt subventioniert habe (...). Unter anderem als Reaktion auf diese Kritik erließ die Regierung 1997 eine Steuer auf die Privatisierungsgewinne der Unternehmen (...).

Demokratische Einflussnahme und Kontrolle:
Re-Verstaatlichung und Rückzug der Privaten?

 

In jüngster Zeit sind einige private Anbieter bestrebt, die Anlagen der Wasserversorgung an die öffentliche Hand zurückzugeben und nur noch den Betrieb der Unternehmen zu behalten. Das entspräche dem französischen Modell der Privatisierung (vgl. unten) (...). Diese Vorstöße werden auch im Zusammenhang mit der in den letzten Jahren stärkeren ökonomischen Regulierungen der Unternehmen gesehen: Die Festsetzung von neuen Preisobergrenzen mindert die Gewinnmargen der privaten Anbieter deutlich (...). Während einige darin einen Beleg für effektive Regulierung sehen (...), wird von Bakker (...) betont, dass in diesen Prozessen keinesfalls eine Re-Kommunalisierung im Sinne einer Ent-Kommerzialisierung zu sehen sei. Die Wiederverstaatlichung erscheint vielmehr als Strategie der Konzerne, die Verantwortung für die kapitalintensive Anlagenpflege an die öffentliche Hand zurückzugeben, während die gewinnträchtige Betriebsführung von Privaten übernommen werden könnte (...).

2.3. Frankreich: Public-Private-Partnerships
seit mehr als einem Jahrhundert etabliert

 

In Frankreich besteht eine lange Tradition der Privatisierung im Wassersektor, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann. Die Veröffentlichung zur Analyse der französischen Privatisierungserfahrungen zeichnen jedoch nicht unbedingt durch die Privatisierung verursachte Veränderungsprozesse auf, da in vielen Fällen eine Analyse des "vorher und nachher" aufgrund der schon Jahrzehnte oder länger andauernden Privatisierung nicht wirklich möglich ist. Zum Teil werden jedoch Probleme in der Wasserversorgung auf die traditionelle Einbindung privater Unternehmen zurückgeführt.

 

2.4. Formen und Ausmaß der Privatisierung:
Frankreich als Musterland der PPP?

 

Im Gegensatz zu Großbritannien findet in Frankreich in der Regel keine Vermögensprivatisierung durch PPP statt. Di Kommunen vergeben Aufträge zur Betriebsführung (Konzessionen für ca 12 Jahre) und teilweise zur Investition in Infrastruktur an private Unternehmen, bleiben jedoch in Besitz von Infrastruktur bzw. Anlagen. In den Verträgen werden in der Regel die Höhe der Wasserpreise und Investitionen festgeschrieben. Bei der Privatisierung erhalten die französischen Kommunen Unterstützung durch kommunale Verbände und Beratungsbüros, die juristische Beratung und Musterverträge anbieten (...).

Gegenwärtig hat die Mehrheit (ca. 50 bis 60 Prozent der französischen Kommunen die Leistungserbringung an private Anbieter delegiert. Rund 75 Prozent der französischen Bevölkerung werden von privaten Anbietern versorgt (...). Somit findet durch die Ausschreibungen der Monopolrechte in Versorgungsgebieten zumindest theoretisch ein Wettbewerb um den Markt statt- de facto wird jedoch selten ein Anbieterwechsel vollzogen. Die privaten Anbieter sind vor allem in Städten bzw. städtischen Gebieten aktiv, währen die ländlichen Regionen überwiegend von öffentlichen kommunalen Unternehmen versorgt werden (...).


2.5. Strukturen und Probleme im System
etablierter Public-Private Partnerships

Markt- und Unternehmensstruktur

 
 

Der französische Wassersektor ist oligopolistisch strukturiert und wird von drei großen Privatunternehmen bzw. Transnationalen Konzernen - Veolia (zuvor Vivendi), Suez und Bouyes - dominiert. Diese sind auch weltweit im Wassersektor aktiv und organisieren sich zunehmend als Multi-Utility-Unternehmen. Daneben besteht eine Vielzahl kleinerer kommunaler Betrieb (...). Kohlmorgen und Schneider betonen, dass aufgrund der historisch gewachsenen oligopolistischen Struktur mit dominanten privaten Anbietern nicht von einem Deregulierungsprozess in der französischen Wasserversorgung gesprochen werden könne. Vielmehr bezeichnen sie das französische System der Wasserversorgung als etabliertes System dauerhafter Public-Private Partnerships (...).

Sozioökonomische Sicherheit
und Bevölkerungsentwicklung

 

Bezüglich der Beschäftigungsentwicklung im französischen Wassersektor werden in den vorliegenden Quellen kaum genauere Aussagen gemacht. Schönbeck et al bezeichnen die Anzahl der Beschäftigten in den letzten Jahren als stabil und stellen dar, dass Stellenabbau in der Regel "sozialverträglich" (z.B. durch Nichtbesetzung frei gewordener Stellen) erfolgt. Zudem sei oftmals de Übernahme Beschäftigter öffentlicher Unternehmen durch private Anbieter garantiert worden, was aber in den vergangenen Jahren von den privaten Unternehmen in Frage gestellt werde.

Versorgungssicherheit:
Preise und Investitionen

 
 

Im europäischen Vergleich sind die Trinkwasserpreise in Frankreich relativ hoch, was der eher geringen Wasserqualität nicht entspricht. Die Preise liegen in Gebieten private Anbieter im Durchschnitt 30% höher als in denen kommunaler anbieter. Kommunale Unternehmen investieren zudem kontinuierlicher in Erhalt und Erneuerung von Infrastruktur und betreiben somit eine vorausschauende und effizientere Investitionspolitik (...).

Demokratische Einflussnahme und öffentliche Kontrolle:
Korruption durch PPP

 

Korruption war in den vergangenen Jahren ein zentrales Thema in der französischen Wasserwirtschaft. Der Französische Rechnungshof (1997) erstellte hierzu einen ausführlichen Bericht. Mehrere Gerichte verurteilten die Korruption und Intransparenz bei der Vergabe von Verträgen an private Anbieter sowie deren neagtiven Effekt auf die Dienstleistungserbringung (überhöhte Preise, hohe Kosten für die öffentliche Hand). Hier werden klare Zusammenhänge zwischen der Privatisierung durch Public-Private Partnerships und den zahlreichen Korruptionsfällen hergestellt. Dazu tragen die oligopolistische Markststruktur, fehlende Transparenz, mangelnder Wettbewerb aufgrund der historisch oft engen Verbindungen zwischen Kommunen und privaten Anbietern (...) sowie ungleiche Machtverhältnisse und Kapazitäten zwischen Kommunen und Transnationalen Konzernen bei (...). Als Reaktion auf die Korruptionsvorwürfe wurden in Frankreich mehrere Gesetze erlassen, die eine größere Tranparenz und mehr Wettbewerb bei der Vergabe von Verträgen an private Anbieter sowie kürzere Laufzeiten vorschreiben. Kohlmorgen und Schneider interpretieren diese Richtlinien zur Transparenz bei Ausschreibungen jedoch auch als Grundlegung für eine spätere Liberalisierung des französischen Wassermarktes (...) und es ist fraglich, ob diese Maßnahmen die ungleichen Kapazitäten und Machtverhältnisse zwischen TNK und Kommunen beheben können.

 

2.6. Deutschland: Paradigmenwechsel
schleichender Trend zur Privatisierung

 

In Deutschland zeichnete sich in den vergangenen Jahren ein Trend zur Kommerzialisierung und Privatisierung ab. Angesichts der erst seit einigen Jahren stattfindenden Veränderungen sind zahlreiche Aspekte (Folgen für Beschäftigung, Versorgungssicherheit und Investitionstätigkeit) nicht ausreichend belegt (...).

Ausmaß von Kommerzialisierung,
Privatisierung, Liberalisierung

 

Wasserversorgung wird in Deutschland überwiegend von öffentlichen Unternehmen durchgeführt und von Kommunen in ihren kartellrechtlich geschützten Versorgungsgebieten (Gebietsmonopole) erbracht. Das deutsche System der Wasserversorgung ist somit sehr dezentral organisiert. Die Wasserqualität ist im europäischen Vergleich sehr hoch, womit ebenfalls hohe Wasserpreise einhergehen (...).

Wenngleich eine auf nationalstaatlicher Ebene vorgeschriebene Privatisierung im deutschen Wassersektor bisher nicht stattgefunden hat, zeichnet sich doch ein deutlicher Trend zu Privatisierung und Umstrkturierung des Sektors ab. Zum einen wird eine Veränderung der Organisationsform beschrieben: Wasserbetriebe (z.B. Stadtwerke) werden zunehmend von Regie- und Eigenbetrieben in private Rechtsformen (AGs, GmbHs) umgewandelt. Damit sind sie organisatorisch, rechtlich und wirtschaftlich eigenständig und zugleich werden die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten gewählter politischer VertreterInnen verringert. Zum anderen binden Kommunen seit einigen Jahren verstärkt private Unternehmen in die Wasserversorgung ein (...). Große Konzerne wie RWE und E.on erhalten damit den oft strategisch wichtigen Zugang zu den KundInnen der Stadtwerke. In einigen größeren Städten (Berlin, Bremen) wurden Teil-Privatisierungen (Vergabe der Betriebsführung an private Unternehmen), also formelle Privatisierung durchgeführt. Somit findet Wettbewerb um den Markt bereits statt (...). Anders als in Frankreich und England sind diese Privatisierungsprozesse jedoch nicht auf nationaler Ebene durch eine Regulierungsbehörde oder andere Regelungen institutionalisiert. Die Verantwortlichkeit für die Wasserversorgung sowie für Regulierung privater Anbieter liegt somit vollständig bei den Kommunen.

Die Deutsche Bank Research (2000) beurteilt eine Privatisierung und Liberalisierung der deutschen Wasserwirtschaft positiv. Der autor sieht - ähnlich wie ein Gutachten des Bundesministeriums für Wirtschaft - das derzeitige deutsche System als "Bremsklotz" (...) für das internationale Agieren deutscher Unternehmen sowie für mögliche Effizienzsteigerungen im Weltmarkt.

Folgen für sozio-ökonomische Sicherheit:
Beschäftigungseffekte

 

Es zeigt sich ein deutlicher Trend zum Beschäftigungsabbau, der z.T. (z.B. im Falle der Berliner Privatisierung) auf Umstrukturierungen im Wassersektor zurückgeführt wird. Jedoch lassen sich diese Veränderungen nicht immer direkt den Privatisierungen zurechnen, sondern können ebenso Effekte einer Rationalisierungspolitik im Zuge von Kommerzialisierung öffentlicher Unternehmen oder von technologischen Entwicklungen sein (...).

Versorgungsicherheit:
Ökologische Folgen und Gesundheitsschutz

 

Bislang liegen keine Studien über Folgewirkungen der zunehmenden Privatisierung für Ökologie und Gesundheitsschutz im deutschen Wassersektor vor. In einigen Veröffentlichungen werden jedoch Szenarien über ökologische Folgen und Auswirkungen auf den Gesundheitsschutz entwickelt (...). Zu den Szenarien einer Liberalisierung des Wassersektors gehört, dass die Profitorientierung privatwirtschaftlicher Unternehmen den ökologischen und gesundheitspolitischen Zielsetzungen in Investitionserfordernissen in der Wasserwirtschaft zuwiderläuft. Damit würden die erfolgreichen Strategien kommunaler Unternehmen zum Ressourcenschutz durch eine Liberalisierung im Wassersektor untergraben (...).

Demokratische Einflussnahme und öffentliche Kontrolle:
demokratische Entscheidungsprozesse
werden privatisiert oder umgangen

 

Der mögliche Verlust von Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen sowie von Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle durch BürgerInnen und gewählte politische VertreterInnen infolge von Privatisierung und Liberalisierung wird vielfach betont (...). Beispielsweise treten zusätzliche Regulierungsaufgaben (Regulierung privater Anbieter) auf und die direkten Beziehungen von Zuständigkeit und Verantwortlichkeit zwischen Kommunen und BürgerInnen werden durch die Privatisierung (Schaffung von privatrechtlichen Unternehmen oder Agieren privater Anbieter) veränder. Dieser Kritik wird von anderer Seite entgegengehalten, dass Ziele der gesellschaftlichen Umverteilung sowie des Umwelt- und Gesundheitsschutzes durch "flankierende Maßnahmen" (...)- also eine entsprechende Regulierung - gesichert werden könnten (...).

Die Enquete-Kommission für Globalisierung hingegen sieht die bisherigen Erfahrungen mit Privatisierung und Liberalisierung im Wassersektor kritisch und betont die besonder Bedeutung des Gutes Wasser: "Von einer weiteren Öffnung des Marktes [...] sind erhebliche Folgen für die Trinkwasserqualität und damit für den Gesundheitsschutz, den Schutz der Ressource Wasser, die Versorgungssicherheit und das verfassungsrechtlich verankerte kommunale Selbstverwaltungsrecht zu erwarten." (...)

Zudem ist das Management und die Regulierung des Wassersektors stark zentralisiert. Um eine effiziente Wasserversorgung zu gewährleisten, wurde Ende der 1990er Jahre benchmarking-Verfahren, also Leistungsvergleiche zwischen Unternehmen eingeführt (...). Dadurch konnte eine qualitativ hochwertige und effiziente Wasserversorgung aufgebaut werden. Die Einflussmöglichkeiten der kommunalen Regierungen auf Regulierung und Management sind jedoch gerich und Schönbäck et al (...) weisen darauf hin, dass die Beschaftigtenzahlen auch in der niederländischen Wasserwirtschaft Wettbewerbselemente bzw. effizienzorientierte Restrukturierungen verankert.


2.7. Zusammenfassung:
Privatisierung und PPP im Wassersektor versus
sozialökologische Regulierungen und öffentliche Kontrolle

 

Als Auswirkungen und Probleme der Privatiserung bzw. der Etablierung von PPP-Abkommen in England und Frankreich zeigen sich u.a. gravierende Probleme mit der Regulierung privater Anbieter. Beispiele sind ineffektive Preiskontrollen bzw. übermäßige Gewinne der privaten Betreiber bei gleichzeitigen Preiserhöhungen für VerbraucherInnen. Das ist auch auf die monopolartige bzw. oligopolistische Marktstruktur zurückzuführen, die ungleiche Machtpositionen und Kapazitäten von privaten Anbietern wie Transnationale Konzerne und staatlichen Institutionen widerspiegelt. Auch die zahlreichen Fälle von Korruption offenbaren die Grenzen einer sozial und ökologisch orientierten Regulierung der mächtigen TNK. In Bezug auf die Marktstruktur zeichnet sich zudem eine deutliche Internationalisierung ab, da die TNK ihre Tätigkeitsfelder im Zuge der Privatisierungen auf andere europäische Länder ausweiten. Am Beispiel Englands wurden die negativen sozialen Folgen (Netzausschlüsse unterer Einkommensgruppen) der Privatisierung offensichtlich und amit deutlich, dass die Verteilungsgerechtigkeit nicht gewährleistet war und daher eine Re-Regulierung notwendig wurde. Es zeigte sich zudem deutlich, dass Privatisierung von Wasserversorgung mit hohen gesamtgesellschaftlichen ökonomischen Kosten infolge von überhöhten Preisen, unter Wert verkauften Infrastrukturanlagen, Korruption einhergeht.

Die Privatisierungsprozesse und deren Folgen legen dabei auch ein fundamentales Demokratiedefizit (Umgehen demokratisch legitimierter Instanzen, intransparente Verfahren, Privatisierung bzw. Enteignung öffentlichen Eigentums) und damit Korruption im weiter gefassten Sinne offen. Die Bestrebungen einiger Unternehmen zu einer teilweisen "Wiederverstaatlichung" (Rückgabe der Unternehmen oder Infrastrukturanlagen an die öffentliche Hand) aufgrund der ausgebliebenen Gewinne offenbaren die STrategie des Rosinenpickens und das Primat der Profitrate bei privaten Unternehmen. Das zeigt zugleich nochmals die Grenzen und Gefahren der Privatisierung von Wasserversorgung auf: wenn Wasserversorgung als öffentliche Dienstleistung erbracht werden und damit in hoher Qualität allen zugänglich sein soll, ist dies mit den privatwirtschaftlichen Profitinteressen nicht vereinbar.


Fallbeispiel
Profitquelle Privatisierung: Korruption und
Re-Kommunalisierung in Grenoble / Frankreich



 

 

Im Jahr 2000 löste die Stadtregierung von Grenoble eine Vertrag mit einem Tochterunternehmen des Transnationalen Konzerns Suez-Lyonnaise auf, nachdem deutlich geworden war, dass die Vergabe der Konzession an das private Unternehmen durch Korruption zustande gekommen war.

Die formelle Privatisierung der Wasserversorgung wurde 1989 vom Bürgermeister Grenobles forciert und das private Unternehmen (COGESE, Compagnie de Gestion des Eaux) bekam eine Konzession über 25 Jahre zugesprochen. Eine Ausschreibung und somit Wettbewerb um die Konzession fanden nicht statt. Gewerkschaften, eine umweltpolitische Partei und KonsumentInnengruppen protestierten heftig gegen die Privatisierung, da die Wasserversorgung aus öffentlicher Hand seit über 100 Jahren sehr gut funktioniert hatte. Die Preise waren niedrig, die Wasserqualität hoch und auch aus ökonomischer sicht war die Wasserversorgung positiv zu beurteilen, denn das städtische Unternehmen erwirtschaftete Profite und trug somit zum städtischen Haushalt bei.

1994 wurden in Frankreich mehrere Konzessionsverträge für öffentliche Dienstleistungen von Behörden überprüft. Dabei wurde publik, dass im Falle Grenobles der Bürgermeister von Lyonnaise finanzielle Unterstützung für seine Wahlkampagne erhalten hatte. Ein Gericht stellte anschließend fest, dass das private Unternehmen jahrelang überhöhte Preise berechnet hatte. Somit waren die Kosten der Privatisierung für KonsumentInnen sehr hoch, und das Gericht sprach ihnen das Recht zu, auf Schadensersatz zu klagen.

Nach mehreren Gerichtsverfahren und jahrelangen Verhandlungen zwischen dem privaten Anbieter und der Stadt Grenoble, entschied sich der Stadtrat für eine Re-Kommunalisierung der Wasserversorgung. Damit ging die Wasserversorgung wieder in die öffentliche Hand über.

 


Fallbeispiel
Garantierte Gewinne für die großen Konzerne
Teil-Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe


 

 

Im Jahre 1999 wurden die Berliner Wasserbetriebe (BWB) teilprivatisiert. Die Stadt verkaufte 49,9 % der BWB an ein Konsortium, dem der deutsche Konzern RWE, der französische TNK Veolia und die Allianz-Versicherung (die sich später aus der Beteiligung zurückzog) angehörten. Mit der Beteiligung von Veolia wurde somit auch die Berliner Wasserversorgung "internationalisiert".

Den Gewerkschaften, die sich gegen eine Privatisierung ausgesprochen hatten, wurden Zugeständnisse gemacht - der Tarifvertrag sieht u.a. einen Schutz von betriebsbedingten Kündigungen für 15 Jahre vor. Schon seit 1996 findet allerdings ein Abbau der Arbeitsplätze statt, ein Prozess, der sich gegenwärtig mit Vorruhestands- und Altersteilszeitregelungen fortsetzt.

Die Privatisierung des Wasserunternehmens wurde heftig kritisiert. Neben der grundsätzlichen Kritik an der Privatisierung von Wasserversorgung zielt Kritik u.a. darauf, dass den privaten Investoren im Vertrag Rendite-Garantien gegeben werden. Der Senat billigte dem Konsortium zunächst eine jährliche Rendite von 8 % des Kaufpreises zu. Diese Zusage wurde vom Berliner Verfassungsgericht als unzulässig hoch und für rechtswidrig erklärt, worauf die Rendite-Garantie auf 6 % gesenkt wurde. Das sind ca. 100 Millionen Euro garantierte Rendite jährlich. Um diese Kosten zu finanzieren, verzichtet die Stadt derzeit auf einen Teil der Konzessionsabgaben und Steuern der privaten Investoren. Gleichzeitig wurden Preissteigerungen für Wasserversorgung angekündigt [und vollzogen! Red.].

Die Kritik bezieht sich jedoch auch auf fehlende Transparenz: die Verträge sind für die Öffentlichkeit nicht vollständig einsehbar. Somit zielt auch diese Kritik auf die fehlende demokratische Kontrolle.

 


Fallbeispiel
Rudern die Niederlande gegen den Strom?


 

 

 

Die Niederlande haben in der Wasserversorgung zum Teil einen anderen Weg eingeschlagen, als der EU-weite Trend zur Liberalisierung und Privatisierung auch die niederländische Politik in anderen Sektoren vermuten lassen würden. Ein Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2000 schreibt den öffentlich-rechtlichen Charakter der Wasserversorgung in den Niederlanden vor. Damit wird der Status Quo festgeschreiben und es besteht de facto ein Privatisierungsverbot (...).

Die Berichte von Vertretern einer niederländischen Wassergenossenschaft und des niederländischen Umweltministeriums lassen auf die Gründe für die Festschreibung der öffentlichen Wasserversorgung schließen. Danach habe sich "in den Niederlanden die Überzeugung durchgesetzt, dass Unternehmen der öffentlichen Hand eher günstige Preise garantieren als Private und in größerem Umfang Leistungen für Umwelt- und Gesundheitsschutz aufgrund ihrer Gemeinwohlorientierung erbringen" (...). Betont wurde auch, dass mögliche Effizienzsteigerungen durch Privatisierungen die hohen Kosten für deren Regulierung bzw. "Überwachung" (...) privater Anbieter entgegenstehen.

Grundsätzlich ist jedoch auch das niederländische Modell der Wasserversorgung stark auf Effizienz und Zentralisierung ausgerichtet. Die niederländischen Unternehmen in der Wasserwirtschaft sind überwiegend öffentliche Unternehmen mit privater Rechtsform. Mitte der 1970er Jahre hatte die niederländische Regierung einen Konzentrationsprozess im Wassersektor initiiert, indem bestimmt Vorgaben zur Größe und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen gemacht wurden. Dadurch verringerte sich die Anzahl von über 100 auf gegenwärtig ca. 20 Unternehmen.

 


Fallbeispiel
Österreich:
schleichende Kommerzialisierung und Privatisierung


 

 

 

Auch in Österreich wird die Liberalisierung un Privatisierung der Wasserversorgung intensiv diskutiert. Mit Blick auf die von vielen Akteuren positiv bewerteten Erfahrungen mit der Liberalisierung des Energiesektors und auf die finanziellen Engpässe von Kommunen wurde das Thema Ende der 1990er Gegenstand vielfacher politischer Auseinandersetzungen (...).

Derzeit sind die Wasserbetriebe fast ausschließlich in öffentlicher Hand (Aufgabenträgerschaft der Kommunen), sind vielfach jedoch als Unternehmen privaten Rechts organisiert. Eine Liberalisierung zeichnet sich laut Atzmüller/Herrmann (...) ansatzweise ab, da regionale Wasserbetriebe zum Teil außerhalb ihrer bisherigen Versorgungsgebiete agieren und lokale Wasserbetriebe deren Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Vereinzelt sind auch Wasserversorgungsunternehmen an größere Energieversorgungsunternehmen verkauf worden. Gesetzliche Vorgaben zur Liberalisierung oder Privatisierung im Wassersektror gibt es jedoch auf nationaler Ebene nicht. Auch eindeutige Beschäftigungstrends in der österreichischen Wasserwirtschaft lassen sich nach Atzmüller/Herrmann nicht aufzeigen (...).

Das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers erstellte im Frühjahr 2001 im Auftrag des Österreichischen Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Wassermanagement eine Studie zur Reform des Wassersektors in Österreich. Vorgeschlagen wurden Maßnahmen zur Liberalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung, u.a. die Streichung von Beihilfen und die Auslagerung von Unternehmensbereichen, um die Wasserwirtschaft Österreichs wettbewerbsfähig und kosteneffizient zu gestalten. Dieser Bericht wurde von anderer Seite kritisiert, da er effizienzorientierte Ansätze unhinterfragt und ohne Kenntnis der besonderen Gegebenheiten des österreichischen Systems der Wasserversorgung übertrage (...).

In Wien führte die politische Auseinandersetzung um die mögliche Teilprivatisierung der Wiener Stadtwerke dazu, dass der Landtag im Oktober 2001 Regelungen zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung verfasste. Es wurde festgelegt, dass für eine Privatisierung von Wasserversorgungsanlagen in Wien eine 2/3 Mehrheit im Gemeinderat bestehen muss. Damit werden materielle Privatisierungen deutlich erschwert (...).

 


EU: De-/Re-Regulierung und Privatisierung im Wassersektor

 
Gesetzgebende Verantwortlichkeit
Operative Bereitstellung der Dienste
Beteiligung privater Investoren
Belgien
Zentralregierung
Betriebe im Gemeindebesitz Kapitalinvestionsprojekte, Minderheitsbeteiligungen in regionalen Unternehmen
Dänemark
Zentralregierung
Gemeindebetriebe Gewöhnlich bei kleinen ländlichen Dienstanbietern
Deutschland
Bundesregierung und Länder
Gemeindebetriebe(85%,48% der Bevölkerung)
oder Unternehmen mit Gemeinden als Mehrheitseigentümer (15%, 52% der Bevölkerung)
Möglichkeiten der Eigenkapitalbeteiligung an Betrieben in Gemeindebesitz oder Investitionsvorhaben
Finnland
Zentralregierung
Gemeindebetriebe Keine
Frankreich
Zentralregierung
Gemeindebetriebe oder PPP, u.a. mit Suez und Veolia Private Unternehmen sind in ca. 60% der Gemeinden als Anbieter tätig
Griechenland
Zentralregierung
Gemeindebetriebe oder Betrieb mit Gemeinden als alleinige Anteilseigner Kapitalinvestionsprojekte
England/Wales
Zentralregierung
Private Unternehmen Vollprivatisierung
Irland
Zentralregierung
Städtische Betriebe oder Betriebe der City Councils Kapitalinvestionsprojekte,
Italien
Zentralregierung
Gemeindebetriebe und private Aktiengesellschaften Private Investoren bei gemeindeeigenen Betrieben und auf Basis von Konzessionen
Luxemburg
Zentralregierung
Gemeindebetriebe Keine
Niederlande
Zentralregierung
Betriebe in Gemeindebesitz oder mit Gemeinden als Hauptanteilseignern Kapitalinvestoren bei gemeindeeigenen Betrieben, aber Mehrheitsbeteiligungen gesetzlich untersagt
Österreich
Zentralregierung
Gemeindebetriebe Kapitalinvestionsprojekte
Portugal
Zentralregierung
Betriebe in Gemeindebesitz oder mit Gemeinden als Hauptanteilseignern Investoren in kommunalen Betrieben, die als Konzessionäre tätig sind
Schweden
Zentralregierung
Betriebe in Gemeindebesitz Keine
Spanien
Zentralregierung
Gemeindebetriebe (Keine Angaben)

Tabelle: Country Report summary of Key Issues

 


Typologisierung: De-/Regulierung und Privatisierung im Wassersektor: Länderbeispiele

 
Deutschland
England/Wales
Frankreich
Österreich
Niederlande
Privatisierung          
  • formell / materiell
v.a.formell materiell formell formell wenige formelle Privatisierungen sind Teilprivatisierungen
  • Besitz
    Infrastruktur
Trend zur Teil-Privatisierung vollständige Privatisierung staatlich staatlich Gesetz zur Erhaltung staatlicher Besitz- und Kontrollrechte
  • Betreiber
Trend zur Teil-Privatisierung vollständige Privatisierung seit 150 Jahren privat, ca. 75% der Bevölkerung von privaten Anbietern versorgt Trend zur Teilprivatisierung  
Liberalisierung          
  • um den Markt
begrenzter Wettbewerb um den Markt für Haushalte (Wettbewerb um Beteiligungen) noch kein Wettbewerb (private Monopole), gegenwärtige Reformen sollen beide Formen ermöglichen Wettbewerb um den Markt bzw. um Gebietsmonopole begrenzter Wettbewerb um den Markt für Haushalte (Wettbewerb um Beteiligungen) Wettbewerb um Großverbraucher
  • im Markt
Wettbewerb im Markt für Industrie Benchmarking   Wettbewerb im Markt für Industrie verpflichtendes Benchmarking
(Re-)
Regulierung
Mehrere Ebenen   Mehrere Ebenen Mehrere Ebenen Mehrere Ebenen
  • kommunal
kommunal: Leistungserbringung national kommunal: Leistungserbringung kommunal: Leistungserbringung kommunal: Leistungserbringung
  • national
national: Gesetzgebung   national: Gesetzgebung national: Gesetzgebung national: Gesetzgebung

 


 

Fußnoten:
 

(42) Mit angemessener Wasserversorgung sind hier uneingeschränkter und sozial gerechter Zugang zu Wasser (Infrastrukturausbau auch in peripheren Gebieten, auch für untere Einkommensgruppen bezahlbare Preise), gute Qualität und ökologisch orientiertes Resourcenmanagement gemeint.

(43) Hier zeigen sich Parallelen zum Vorgehen der EU im WTO-Dienstleistungsabkommen GATS. Die EU forderte in den GATS-Verhandlungen eine Reklassifizierung der Umweltdienstleistungen, in denen bisher nur Abwasserentsorgung enthalten ist. Es soll auch Trinkwasserversorgung in die GATS-Regelungen aufgenommen und somit liberalisiert werden (...).

(44) Z.B. in Bezug auf die Nutzung von Größenbetriebsvorteilen, verstärkter Vernetzung und Kooperation etc (...)

 

Anmerkung:
 

Die mit (... ) gekennzeichneten Auslassungen, beinhalten Literaturangaben.

 


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