aktualisiert:
15. Juni 2006

 

 

 

 

 

 

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  Untersuchungen  


WasserInBürgerhand!

 

aus: PERIPHERIE Nr. 101/102 vom 1.6.2006
"Eigentum: Aneignen - Enteignen - Nutzen"

Der Markt als Wassermanager

Aufbau eines neuen Wasserregimes durch die Weltbank (*)

von Uwe Hoering

 

 

 

 

Nachdem es in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine Flut von Studien über Wassermärkte und den Handel mit Wasser(nutzungs)rechten gab, ist es seither um das Thema merkwürdig still geworden.

Das verwundert, versprachen sich doch vehemente Befürworter wie der Weltbank-Wasserexperte John Briscoe von der "Genialität des Wassermarktes" eine Lösung der vielfältigen und komplexen Probleme des Wassermanagements (Briscoe 1996: 21). Andererseits war klar geworden, dass die Schaffung effizienter, funktionierender Wassermärkte weitreichende Voraussetzungen und Veränderungen verlangt - von rechtlichen Fragen, insbesondere gesicherten Wasserrechten, über Institutionen bis hin zu einer entsprechenden physischen Infrastruktur. Bedeutet das Stillschweigen nun, dass das brisante Thema zu Grabe getragen wurde? Keineswegs. Es wird zu zeigen sein, dass die Weltbank massiv ihre Position als einflussreiche globale "Wasserberaterin" ausnutzt und an der Schaffung dieser Voraussetzungen arbeitet. Im Zentrum der Bestrebungen, Wasser zu einem marktgängigen Produkt zu machen, steht die Umwandlung bislang bestehender vielfältiger, oft informeller und gemeinschaftlicher Nutzungsrechte in gesicherte, formalisierte, individualisierte und damit handelbare Eigentumsrechte.(1)

Ausgangspunkt ist ein kurzer Überblick über die bestehenden Rechtsregimes im Wassersektor, die stark durch den besonderen Charakter von Wasser geprägt sind. Schwerpunkt sind dabei die Ansätze für die Einführung von handelbaren Wasserrechten und Wassermärkten, vor allem in Chile, Kalifornien, Colorado, Australien und Mexiko, und die daraus abzuleitenden Voraussetzungen für ihre Funktionsfähigkeit als Instrument für Wasserallokation und Inwertsetzung von Wasser. Vor diesem Hintergrund wird im zweiten Teil die Wasserpolitik der Weltbank daraufhin abgeklopft, inwieweit sie als Beitrag zu einer weiteren Verbreitung handelbarer Wasserrechte fungiert. Abschließend werden in einem dritten Teil thesenartig eine Reihe möglicher Auswirkungen auf Wasserverteilung und -nutzung, insbesondere in der Landwirtschaft, umrissen, die eine solche umfassende Einführung handelbarer Wasserrechte haben würde.

Zum Markte drängt ...

 

Wasser ist ein besonderes Gut. Es ist ein unverzichtbares Lebensmittel, weshalb prinzipiell niemand von seiner Nutzung ausgeschlossen werden darf. Dementsprechend wird Wasser als soziales und öffentliches Gut betrachtet. Es ist gleichzeitig aber auch Rohstoff und Produktionsmittel, sowohl für die Landwirtschaft und also für die Erzeugung von Nahrungsmitteln und industriellen Rohstoffen, als auch für die Industrie. Damit ist eine ausreichende Wasserversorgung eine Grundvoraussetzung für Wirtschaft und Entwicklung.

Im Gegensatz zum Anschein von Überfluss ist Süßwasser, das für Konsum und Produktion geeignet ist, in den meisten Regionen der Welt zumindest zeitweise begrenzt verfügbar. Die aufwändige Sicherstellung der Versorgung wurde in vielen Ländern, insbesondere auch in den Entwicklungsländern, meist als öffentliche Aufgabe verstanden. Lokale Gemeinschaften oder - vor allem bei größeren Systemen wie Bewässerung und Versorgung städtischer Ballungsgebiete - staatliche Institutionen schufen die physischen und institutionellen Voraussetzungen für eine gesicherte Versorgung und regelten die Verteilung zwischen verschiedenen Nutzungen und Nutzern. Daneben weitete sich allerdings die private Erschließung von Wasserquellen für Industrien, Haushalte und die Bewässerungslandwirtschaft aus, beschleunigt durch Mängel öffentlicher Versorgungssysteme einerseits, technologischen Fortschritt wie Motorpumpen andererseits.

Mit dem Konzept "Wasser als Wirtschaftsgut", das unter anderem durch die Internationale Konferenz Wasser und Entwicklung in der irischen Hauptstadt Dublin (Januar 1992) als neues Paradigma in der internationalen Wasserpolitik verankert wurde, werden zunehmend ökonomische Prinzipien zum zentralen Bezugsrahmen für das Wassermanagement. Die Behandlung von Wasser als Wirtschaftsgut gilt danach als entscheidende Voraussetzung, um eine "effiziente und gerechte Nutzung herbeizuführen und die Konservierung und den Schutz von Wasserressourcen zu ermutigen" (4. Dublin-Prinzip, siehe BMZ 1999: 138). Damit geht einher, dass die Versorgungsaufgaben zunehmend vom staatlichen auf den privatwirtschaftlichen Sektor übergehen sollen, der als effizienter, kostengünstiger und wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger gilt.

Seitdem werden in vielen Ländern grundlegende Reformen im Wassersektor vorangetrieben, wobei unter anderem mit einem umfangreichen Werkzeugkasten ökonomischer und marktorientierter Instrumente experimentiert wird, von höheren Wasserpreisen und Kostendeckung über die Ausweitung privatwirtschaftlicher Investitionen und Wettbewerb bis hin zu verschiedenen Ansätzen, über die Einführung handelbarer Rechte Wasser zu einer Ware zu machen. Für diese Kommerzialisierung und Privatisierung fungierte zunächst der städtische Bereich quasi als Versuchsfeld, indem öffentliche Versorgungsunternehmen ganz oder teilweise an private Unternehmen übertragen wurden, wobei die Weltbank eine Schlüsselrolle spielte.

Während über die - in vielen Fällen wenig erfolgreiche - Kommerzialisierung und Privatisierung im städtischen Bereich inzwischen zahlreiche Erfahrungen und Auswertungen vorliegen (vgl. Hoering 2001; Barlow & Clarke 2003; Stadler & Hoering 2003), finden die Versuche, über ökonomische Instrumente wie eine Neugestaltung der Wasserrechte das Wassermanagement, insbesondere Verteilung und Nutzungseffizienz zu verbessern, bislang nur geringe Aufmerksamkeit. Dabei wären ihre Auswirkungen auf die Wasserverteilung zwischen den Nutzungsbereichen, auf die Landwirtschaft und auf die soziale und wirtschaftliche Situation insbesondere in ländlichen Gebieten sehr viel weitreichender als die bisherigen Reformansätze.

Wasserrechte

 

Gegenwärtig ist das Regime der Wasserrechte in den meisten Ländern des Südens ein unübersichtliches, komplexes Geflecht aus unterschiedlichen Rechtsansprüchen und -systemen wie Gewohnheitsrechten, traditionellen Gemeinschaftsrechten und modernen Eigentumsvorstellungen.(2) Vielfach haben landwirtschaftliche Wasserrechte Vorrang vor anderen Nutzungen oder sind an Landeigentum gebunden und damit mit dem Bodenrecht verkoppelt. Oft sind die Wasserrechte aber auch ungeklärt, gilt Wasser als "freies Gut", das niemandem gehört. Dazu kommen die vielfach übersehenen, weil nicht artikulierten Rechtsansprüche anderer "Nutzer" wie der Natur, und grundsätzlich andere Rechtsvorstellungen wie das Menschenrecht auf Wasser, das jedem Menschen, unabhängig von der Kaufkraft, eine ausreichende Versorgung zugesteht.

Zuteilung und Bestätigung der Rechte sind zudem unterschiedlich stark durch Gesetze und Institutionen abgesichert. Daneben bestehen vielfältige informelle Rechte, bei denen es sich oft auch um Nebennutzungen handelt, die jedoch ein Grundbestandteil der komplexen ländlichen Livelihood-Systeme sind.

Höllinger & Kasper (2000) nennen drei Prinzipien, aus denen Wasserrechte in der Regel abgeleitet werden: erstens die individuelle Beteiligung an der Errichtung oder Instandhaltung von Infrastruktur, zweitens die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, drittens kollektive oder individuelle Landrechte (Territorialprinzip), die eine Kontrolle über Wasser einschließen. Zum einen handelt es sich dabei um eine Tradition von Gewohnheitsrechten, zum anderen um ein staatlich festgelegtes System von Gesetz und Regulierung, oft jedoch auch um eine Mischung aus beiden. In den meisten Fällen sind die traditionellen Wasserrechte eng verknüpft mit lokalen Boden-, Weide- und Waldnutzungsrechten.

Im modernen westlichen Rechtssystem dominieren zwei unterschiedliche Regimes: Beim Uferanlieger-Grundsatz (Riparian Rights Doctrine) gilt Wasser zwar grundsätzlich als Nationaleigentum, doch haben Flussanrainer automatisch das Nutzungsrecht, solange sie Nutzern flussabwärts nicht schaden. Um ohne Konflikte zu funktionieren, setzt dieser Ansatz eine ausreichende Wasserverfügbarkeit voraus, wie sie etwa in Europa überwiegend gegeben ist. Ebenso können in Ländern, deren Rechtssysteme auf dem napoleonischen Code Civil basieren, Landeigentümer Anspruch auf alle natürlichen Ressourcen auf und unter ihrem Land erheben. Beim Aneignungs-Grundsatz (Appropriation Doctrine) werden durch den Staat oder Wassergerichte Nutzungslizenzen vergeben. In den westlichen US-Bundesstaaten erfolgt das zum Beispiel nach dem Prinzip: "Wer zuerst kommt, malt zuerst" (Prior Appropriation), wonach die Erstnutzer wie Goldgräber oder Siedler Vorrang vor späteren Rechteinhabern haben. Meistens wird jedoch ein Anrecht auf einen proportionalen Anteil (Proportional Appropriation) vergeben, der regelmäßig angepasst wird an die Verfügbarkeit, wodurch die Wassermenge, die mit dem Recht verbunden ist, schwanken kann.

Die Vergabe von Rechten kann mit bestimmten Nutzungsbedingungen (Beneficial Use, konsumtive/nicht-konsumtive Verwendung, etc) verbunden sein, deren Nichteinlösung zum Verlust führen kann ("Use it or loose it"). Insbesondere in Entwicklungsländern versucht der Staat, starken Einfluss auf die Nutzung zu nehmen, etwa durch die Verpflichtung für Bauern in Bewässerungssystemen zum Anbau bestimmter Produkte. In Knappheitssituation kommt es immer wieder zu Nutzungs- und Verteilungskonflikten, wobei in der Wertehierarchie ein Grundanspruch auf Trinkwasser (Entitlement) an erster Stelle steht, gefolgt meist von der Landwirtschaft. Angesichts des wachsenden wirtschaftlichen und politischen Gewichts (und Bedarfs) von Städten und Industrien findet jedoch zunehmend eine Verschiebung zu deren Gunsten statt.(3)

Strittig ist die grundlegende Frage, ob durch die Vergabe von Nutzungsrechten Eigentum konstituiert wird. Die Weltbank lehnt diese Vorstellung strikt ab und betont, dass Wasser selbst öffentliches oder genauer nationales oder staatliches Eigentum bleibe (World Bank 2004: 16). Dagegen meint zum Beispiel Hodgson (2004), dass die Nutzungsrechte, wie sie in vielen Ländern inzwischen formuliert werden," viele, wenn auch nicht alle Attribute privater Eigentumsrechte (haben), ebenso wie Bodenrechte. Ohne sie würden Wasserrechtssysteme schlichtweg nicht effektiv funktionieren" (15).(4) Dazu gehört die - im Rahmen rechtlich geregelter Verpflichtungen - freie Verfügbarkeit, etwa durch eine Trennung von Land- und Wasserrechten, die Sicherheit, etwa einer Durchsetzung gegenüber Dritten oder vor Beeinträchtigung durch den Staat, und ihre dauerhafte Übertragbarkeit.(5)

 

Wasserhandel und Wassermärkte

 

Der informelle, meist zeitlich begrenzte Wasserverkauf, etwa zwischen benachbarten Bauern, ist seit langem Gang und Gäbe, zum Beispiel in Indien oder Pakistan. Wohlhabende Bauern mit Brunnen und starken Pumpen verkaufen Wasser an ihre Nachbarn. Der Preis wird dabei oft lediglich kostenorientiert, also ohne eine" Knappheitsrendite" festgelegt. Andererseits kann ein lokales Monopol von" Waterlords" unter anderem dazu führen, dass sich Pachtbedingungen verschlechtern: Während in Indien Landeigentümer normalerweise die Hälfte der Ernte beanspruchen, bleibt bei Pumpenbewässerung dem "Ernteteilhaber" nur noch ein Drittel (Höllinger& Kasper 2000: 29).

Formalisierte Wassermärkte dagegen sind, von Ausnahmen wie dem US-Bundesstaat Colorado (Marino & Kemper 1999) und den Kanarischen Inseln (Simpson & Ringskog 1997) abgesehen, meist jüngeren Datums. Eine Verteilung über Märkte galt lange Zeit wegen der besonderen Produkt-Eigenschaften von Wasser als prinzipiell ausgeschlossen (Grobosch 2003). So stößt die Umsetzung allein schon aufgrund der besonderen Eigenschaften von Wasser auf vielfältige Schwierigkeiten: Wegen stark schwankender Verfügbarkeit und Mess- und Abgrenzungsproblemen ist Wasser als abgegrenztes, übertragbares Produkt "schlecht definierbar" (Höllinger & Kaspar 2000: 5), das heißt weder die zeitliche noch die örtliche Homogenität sind gesichert. Damit fehlen meist wesentliche Voraussetzungen, um Wasser wie eine normale Ware zu behandeln, über die ihr Besitzer frei und unbeschränkt verfügen kann.

Zu den ersten Ländern, die einen systematischen, umfassenden Handel mit Wasserrechten einführten, gehört Chile (Bauer 1997; Brehm & Quiroz 1995, u.a.). Ebenso wird in Kalifornien seit einer Dürre Ende der 1980er Jahre mit" Wasserbanken" und dem Verkauf von Wasser an die Bauern in den Trockenregionen Südkaliforniens, aber auch an Städte experimentiert (Productivity Commission 2003). Australiens Versuchsregion für die Einführung von Wassermärkten ist das Flussgebiet Murray Darling (Productivity Commission 2003). Auch in Spanien existieren inzwischen handelbare Wasserrechte (Marino & Kemper 1999), deren Ausweitung beschleunigt wurde, seit die Agrarindustrie im regenarmen Süden zusätzliches Wasser benötigt.

Am konsequentesten wurde die Einführung formeller Wassermärkte bislang in Chile umgesetzt. Im Rahmen der neoliberalen Politik in den siebziger Jahren wurde eine grundlegende Neuregelung der Wasserrechte vollzogen. Der Water Code von 1981 eröffnet nahezu unbegrenzte Freiheit für den Handel mit Wasserrechten landesweit, de facto wurden private Eigentumsrechte geschaffen (Höllinger & Kasper). Definiert wurden zum einen Dauerrechte, zum anderen Ansprüche auf Überschusswasser, jeweils als Anteilsrechte und damit über variable Wassermengen, differenziert in konsumtive (zum Beispiel Landwirtschaft) und nicht-konsumtive (Stromerzeugung) Nutzungsrechte. Die Wasserrechte wurden auf Basis vergangener Nutzungsrechte registriert, wobei aber mangels Nachweis zum Beispiel indigene Völker nur unzureichend vor einer Enteignung ihrer Rechte geschützt waren (Höllinger & Kasper). Gab es mehrere Interessenten, wurden die Wasserrechte versteigert.

Während im US-Bundesstaat Colorado seit über 150 Jahren ein formalisierter Wasserverkauf existiert, der weitgehend durch Nutzerorganisationen selbst organisiert und durch Wassergerichte reguliert wird, ist der Wassermarkt in Kalifornien, der sich seit Anfang der 1990er Jahre entwickelt, stark durch den Staat bzw. die staatliche Wasserbehörde DWR organisiert und geregelt. So sind die Bauern aufgrund ihrer historischen Erstnutzungsrechte zwar in einer starken Position hinsichtlich ihrer Versorgungssicherheit, es ist ihnen aber nicht erlaubt, Wasser an die Städte abzutreten. Mit wachsendem Bedarf der Städte wächst allerdings der "Reformbedarf" (Holden & Thobani 1996: 10) und der Druck auf die Landwirtschaft, Wasser abzugeben. Eine jüngst von Präsident Bush veranlasste Intervention ermöglicht es den Bauern inzwischen, Wasser an die städtischen Versorgungsunternehmen zu verkaufen - mit erheblichen "Windfall-Profits" vor allem für Großgrundbesitzer (Los Angeles Times 10. 2. 2005).

Zwischen diesen beiden Polen eines weitgehend freien Wasserhandels und einer starken staatlichen Regulierung hat sich eine Vielzahl von länderspezifischen Formen für die Neufassung von Wasserrechten entwickelt. Neue Wassergesetze, in denen Rahmenbedingungen für Wassermärkte formuliert werden, wurden oder werden unter anderem in Mexiko, in Peru und in mehreren brasilianischen Bundesstaaten erarbeitet. In Australien wird bereits seit den 1980er Jahren systematisch die Entwicklung handelbarer Wasserrechte vorangetrieben. Nach der Pilotphase innerhalb des Flussgebiets Murray Darling wird inzwischen die Ausweitung auf einen Austausch zwischen verschiedenen Flussgebieten angegangen.

Ausgangspunkt ist in den meisten Ländern eine neue, umfassende Gesetzgebung für den Wassersektor, in der - soweit das noch nicht geschehen ist - eine explizite Übertragung aller Wasserressourcen auf den Staat erfolgt und Eckpunkte für die Verteilung von Nutzungsrechten festgelegt werden. Während dabei zum Beispiel in Chile eine Erfassung bestehender indigener oder Gewohnheitsrechte vorgesehen ist, fehlen in anderen Gesetzen (Mexiko, Südafrika) solche Vorschriften (Productivity Commission 2003: 60). In der Praxis ist die Anerkennung solcher informeller Rechte oder Nebennutzungen oft unzureichend, wie etwa in Chile. Meist erfolgt im neuen Wasserrecht auch eine Trennung von Land- und Wasserrechten, das heißt neue Wassernutzungsrechte werden unabhängig vom Bodenbesitz vergeben. Vielfach sind sie anderen Eigentumsrechten gleichgestellt und unterliegen dementsprechend in einigen Ländern (Mexiko, Peru) auch der Besitzsteuer. Zur Sicherung des Handels, aber auch zur Regulierung, etwa zum Schutz von Umweltschutzanliegen ("Third Party"), existiert meist ein mehr oder minder elaborierter legaler und institutioneller Rahmen, einschließlich Wassergerichten und Behörden, die die Vergabe überprüfen und Streit schlichten.

Abgesehen etwa von Chile ist der Handel vielfach noch auf Wassernutzerorganisationen und Wassereinzugsgebiete begrenzt. Auch sonst ist er meist mehr oder minder stark reguliert: Die Rechte können zum Beispiel an den beneficial use gebunden werden, ein Verkauf nur an eine staatliche Behörde als Mittler erlaubt sein und die Nutzung der Rechte durch ökologische Anforderungen wie etwa einen Mindestwasserstand in Flüssen stark eingeschränkt sein. Dagegen halten zum Beispiel Holden & Thobani an der reinen Lehre fest: "Idealiter sollten Wasserrechte zu frei ausgehandelten Preisen an jedermann zu jedem Zweck verkauft werden können" (1996: 6).

Diese unterschiedlichen Ansätze und Erfahrungen liefern den Stoff, mit dem sich seit Mitte der 1990er Jahre eine wachsende Schar von Studien beschäftigte, viele von ihnen im Auftrag der Weltbank (Brehm & Quiroz 1995; Easter u.a. 1999; Marino & Kemper 1999; Simpson & Ringskog 1997; Thobani 1997; Bauer 1997; Holden & Thobani 1996). Aber auch die OECD ließ breit angelegte Untersuchungen durchführen (siehe zum Beispiel Haddad 1997; OECD 1999). Im deutschsprachigen Raum befasste sich u.a. der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU 1997) und der Wissenschaftliche Beirat beim BMZ mit dem Konzept handelbarer Wasserrechte (BMZ 2001).

Hohe Erwartungen ...

 

Insbesondere die Erfahrungen in Chile, wo die Vorstellungen von einem freien Markt am weitgehendsten verwirklicht wurden, wurden teilweise als "sehr positiv" hochgelobt (Holden & Thobani 1996: 8). Der Weltbank-Mitarbeiter Mateen Thobani ist überzeugt, dass "für Länder mit Wassermangel ein marktbasiertes System der Wasserverteilung gegenüber einem administrativen System vorzuziehen ist" (Thobani 1997: 22).

Die Einführung von Wasserrechten und Wassermärkten wird mit einem ganzen Bündel positiver Wirkungen verknüpft. Grundlegend dabei - und ein zentraler Vorteil gegenüber informellen Märkten - sei die langfristige Planungs- und Verfügungssicherheit. Damit würde eine wesentliche Voraussetzung für private Investitionen in die notwendigen Effizienzsteigerungen von Wassernutzung und landwirtschaftlicher Produktion ebenso wie in neue hydraulische Infrastruktur, etwa durch Versorgungsunternehmen oder Industrie, geschaffen, "da für Investoren der Zugang zu einer gesicherten Wasserversorgung gewährleistet werden kann" (Thobani 1997: 177).

Ein weiterer, wesentlicher "Fortschritt": durch Angebot und Nachfrage zustande gekommene Wasserpreise würden den wirtschaftlichen Wert des Wassers besser reflektieren beziehungsweise sich den "Opportunitätskosten", definiert als der Wert des Wassers in seiner höchstwertigen alternativen Nutzung, annähern. Das würde nicht nur einen effizienteren, sparsameren Umgang mit Wasser fördern. Wasser würde dahin fließen, wo es den "höchsten Wert" und damit den höchsten wirtschaftlichen Nutzen hat, unterstreicht der Weltbank-Wasserexperte John Briscoe, der seit den 1990er Jahren für eine Neuorientierung der Weltbankpolitik eintritt und einer der Verfasser der neuen Wasserstrategie ist (siehe unten):

"In gut regulierten Flussgebieten in trockenen Regionen Chiles funktionieren Wassermärkte so, wie man es sich wünscht: Wasser wird von Nutzungen mit geringem Wert zu höherwertigen Nutzungen gehandelt; die Preise reagieren sowohl auf befristete (saisonale) Verknappung als auch auf langfristigere Knappheit; der Handel ist recht lebhaft" (Briscoe 1996: 21).

Darüber hinaus könne der Handel mit Wasser die meist schwächere Position der Landwirtschaft im Verteilungskampf mit den Städten ausgleichen, indem Wasser zu einer Einnahmequelle würde, etwa für ärmere Bauern mit Wasserrechten:

"Die Frage ist nicht, ob Wasser von der Landwirtschaft in die Haushalte und die Industrie wandern wird, sondern ob dieser Transfer in einer Weise geschieht, die zu effizienterer Wassernutzung beiträgt und bäuerliche Einkommen schützt. Die entscheidenden Reformen für eine faire Umverteilung sind die Schaffung gesicherter Wasserrechte und die Einführung freiwilliger wirtschaftlicher Anreize" (Rosegrant & Ringler, in: IFPRI Forum, 8).

Damit würde schließlich ein wesentliches Dilemma der Verteilungsprobleme im Wassersektor elegant und kostengünstig gelöst, verspricht die Weltbank, nämlich Interessenkonflikte, etwa zwischen Stadt und Land, und deren potenzielle politische Sprengkraft, die auch die angestrebte Transformation blockieren oder zumindest erschweren:

"Die Umverteilung von Wasser wird dann zu einer Angelegenheit freiwilliger und wechselseitig vorteilhafter Abmachungen zwischen Käufer und Verkäufer und nicht mehr eine Art Beschlagnahme oder eine endlose Suche nach immer teureren neuen Versorgungsquellen" (World Bank 2004: 24).

Last but not least würde auch die Umwelt profitieren: So wird angeführt, dass in den ersten Jahren nach der Einführung des Wasserhandels in Chile keine neuen Staudämme gebaut werden mussten, weil der Bedarf über den Kauf von Wasserrechten gedeckt werden konnte (Höllinger & Kasper 2000). Mit der Aussicht auf Gewinn, so eine weitere Erwartung, würde auch das Interesse der Rechteinhaber an einem nachhaltigen, umfassenden Ressourcenschutz wachsen. Als ein Beispiel nennt die Sektorstrategie "Wasserressourcen" der Weltbank die privaten Wasserkonzerne in Manila, die ein Programm zum Boden- und Wasserschutz initiiert hätten, weil sie erkannten, dass "ihr Rohwasser-Vermögen" durch Erosion im Wassereinzugsgebiet bedroht wurde (World Bank 2004: 66).

... aber schwierige Voraussetzungen

 

Nicht, dass die Erfahrungen nicht auch problematisiert worden wären und auf Gefahren wie "Marktversagen" (Holden & Thobani 1996) hingewiesen worden wäre. So sind die "Transaktionskosten" für den Systemwechsel, etwa für die Schaffung der neuen Rahmenbedingungen wie die Neufassung von Wasserrechten und den Bau hydraulischer Infrastruktur, oder durch das politische Konfliktpotenzial sehr hoch. Gesehen werden auch mögliche Verzerrungen durch natürliche Monopole, Gefahren für die Umwelt wie die Überausbeutung von Aquiferen oder von Oberflächengewässern oder für die nationale Sicherheit, etwa bei grenzüberschreitenden Flüssen. Auch könnte" die Nutzung von Wassermärkten die Armen vom Zugang zu Wasser ausschließen" (Holden& Thobani 1996: 14).

Viele Studien weisen denn auch darauf hin, dass die Einführung von Wassermärkten schwierig ist und zahlreiche rechtliche, institutionelle und infrastrukturelle Rahmenbedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Ansonsten würden zumindest "die extremeren Varianten der Privatisierung wie volle Kostendeckung und unregulierte Verteilung über den Markt vermutlich mehr Schaden als Nutzen anrichten" (Perry u.a. 1997: 15). Genannt werden auf Basis der Auswertung der Erfahrungen mit Wasserhandel und -märkten vor allem:

  • in Management-Ansatz, der eine aktive Beteiligung der Wassernutzer erlaubt, etwa bei der internen Verteilung von Wasserrechten;
  • ein verlässliches, effizientes System von Nutzungsgebühren (Kostendeckung);
  • klar definierte und durchsetzbare Nutzungsrechte, da "wirksame Wassermärkte und Wasserpreise völlig abhängig sind von sicheren und wirksamen Eigentumsrechten an Wasser" (Perry u.a. 1997: 12), wobei traditionelle und bestehende Nutzungsrechte geklärt und berücksichtigt werden sollten;
  • eine Institutionalisierung von Marktprozessen, einschließlich eines infrastrukturellen Verteilungsnetzes, das gewährleistet, dass Wasser vom Verkäufer zum Käufer gelangt,
  • institutionelle Rahmenbedingungen wie Mechanismen, die die Einhaltung von Verträgen sicherstellen, etwa Wasserräte oder -gerichte, und Regulierungsinstanzen, die negative Auswirkungen auf nicht unmittelbar am Handel beteiligte Nutzer und Nutzungen ("Third Party") verhindern können,
  • verlässliche, detaillierte Informationen über verfügbare Wassermengen und Systeme der Verbrauchsmessung.

Dazu kommt die materielle Voraussetzung, dass genug "Ware" zur Verfügung stehen muss, sei es durch Freisetzung von Wasser aus der Landwirtschaft durch Effizienzsteigerungen und Einsparungen, sei es durch die Erschließung neuer Versorgungsquellen durch Staudämme.

Dennoch gibt es nur wenige Stimmen, die klar eine Einführung handelbarer Wasserrechte ablehnen. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Wissenschaftliche Beirat beim BMZ: Zwar lobte er das Modell für den Beitrag, den es theoretisch zum sparsamen Umgang und einer effizienten Allokation über einen Preis, der der Grenzverwertung durch die leistungsfähigsten Bewässerungslandwirte entspricht, leisten würde. Aus pragmatischen Gründen sprach er sich aber dagegen aus, da es eine exakte quantitative Definition der Nutzungsrechte und einen funktionierenden Mechanismus für den Handel voraussetzt, Bedingungen, die in den wenigsten Entwicklungsländern bestehen oder in absehbarer Zeit herzustellen sind (BMZ 2001: 9).

Dagegen halten die meisten Befürworter die Kosten-Nutzen-Relation für positiv, wie zum Beispiel R. Maria Saleth vom Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungspolitik, IFPRI, in Washington:

"Die internationale Erfahrung zeigt deutlich, dass die Wasserverteilung innerhalb von und zwischen Sektoren durch Märkte für handelbare Wasserrechte Finanz-, Effizienz- und Gerechtigkeitsgewinne bringen können, die weit höher sind als die Kosten für die Durchführung dieser Reformen" (Saleth 2001: 2).

Angesichts der absehbaren organisatorischen, rechtlichen und politischen Schwierigkeiten empfiehlt allerdings Karin E. Kemper, Expertin für Wasserressourcen bei der Weltbank, eine "graduelle Herangehensweise" bei der Einführung von Wassermärkten, beginnend mit der Schaffung von Systemen zur Verbrauchsmessung, definierten (aber nicht handelbaren) Wasserrechten und der Partizipation der Wassernutzer (Kemper 2001: 3).

Ende der 1990er Jahre verstummt die wissenschaftliche Diskussion über Wasserrechte und Mechanismen, mit ihnen zu handeln, nahezu schlagartig - und ohne erkennbaren Grund. Doch viele Erwartungen und Empfehlungen, die in den zahlreichen Veröffentlichungen bis dahin formuliert wurden, finden sich wieder in der neuen Wasserpolitik von Internationalen Finanz- und Entwicklungsinstitutionen wie der Weltbank, eingebettet in eine umfassende Reformstrategie für den gesamten Wassersektor.

Die neue Wasserpolitik der Weltbank

 

Nachdem spätestens mit der UN-Konferenz Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro die zentrale Bedeutung von Wasser für eine umfassende nachhaltige Entwicklung, die Gefahr einer sich zuspitzenden Versorgungskrise und dementsprechend die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen in den Wassersektor stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt sind (siehe Agenda 21, Kapitel 18), wurden neue, umfassende Lösungskonzeptionen entwickelt. Dazu gehört das Konzept des Integrierten Wasserressourcen-Managements (IWRM), das eine umfassende Entwicklung und Bewirtschaftung von Wasser, Land und damit im Zusammenhang stehenden Ressourcen eines Flussgebietes (river basin) unter Einbeziehung aller Beteiligten von der lokalen bis zur nationalen Ebene, bei grenzüberschreitenden Flüssen auch aller Anrainerstaaten, anstrebt.

Gleichzeitig wurde mit den "Dublin-Prinzipien" der "wirtschaftliche Wert von Wasser in all seinen konkurrierenden Nutzungen" hervorgehoben (BMZ 1999: 138). Kommerzialisierung und Privatisierung im Wassersektor und die damit einhergehende Entwicklung ökonomischer und marktwirtschaftlicher Instrumente gelten seither als wesentliche Voraussetzungen, um die Finanzierungs- und Versorgungskrise zu bewältigen.

Auch die Weltbank, die seit über fünf Jahrzehnten im Wassersektor der Entwicklungsländer sowohl finanzierend als auch beratend eine Schlüsselrolle spielt, stellte mit ihrem Politikpapier zum Management von Wasserressourcen (World Bank 1993) Anfang der 1990er Jahre die Weichen für eine grundlegende Wende ihrer Politik. Sie gehörte damit zu den ersten Institutionen, die einen integrierten Managementansatz formulierten. Neben der Formulierung grundlegender, übergreifender Reformprinzipien werden für die einzelnen Sektoren (Energie, Bewässerung, Trinkwasser/Abwasser, Umweltdienstleistungen sowie andere Nutzungen wie Industrie oder Schifffahrt) neue, umfassende Politik- und Strategiepapiere entwickelt, zum Beispiel der Infrastruktur-Aktionsplan (World Bank 2003c) oder das Handbuch für Investitionen in landwirtschaftliches Wassermanagement (World Bank 2005).

Die zentralen Bestandteile der neuen Strategie sind die Forderung nach umfassenden Reformen des politischen und institutionellen Rahmens, verbunden mit einer Dezentralisierung, der Privatisierung von Management und Versorgungsstrukturen und einem Rückzug des Staates auf die Gewährleistung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen. Neben dem Bekenntnis zu einer stärkeren Gewichtung von Umwelt- und Ressourcenschutz und einer breiteren Beteiligung der" Stakeholder" tritt die Betonung ökonomischer Aspekte bei den Reformen im Wassersektor in den Vordergrund. Zu letzteren gehören, ausgehend von dem Verständnis von Wasser als "Wirtschaftsgut", Kostendeckung und privat- und marktwirtschaftliche Regulierungs- und Lenkungsinstrumente.

Die Anfang 2003 verabschiedete Sektorstrategie Wasserressourcen, WRSS, (World Bank 2004) baut auf dem Politikpapier von 1993 auf, vollzieht aber nach den Worten ihres Hauptautors John Briscoe eine "pragmatische" Anpassung von dessen Grundprinzipien an die wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Realitäten, ist folglich stärker auf die praktische Umsetzung ausgerichtet (Briscoe 2003).(6) Als wichtigster Kreditgeber vieler Länder ist die Weltbank in einer Position, ihre neue Strategie auch in die Praxis umzusetzen. Inzwischen wurden in zahlreichen Ländern mit ihrer Hilfe eine neue, umfassende Gesetzgebung für den Wassersektor ausgearbeitet und tiefgreifende Sektorreformen eingeleitet. Mit zunächst mindestens 14 Ländern wurden beziehungsweise werden gegenwärtig Country Water Resources Assistance Strategies (CWRAS) ausgearbeitet, in denen die Bank die Schwerpunkte ihrer Kreditvergabe festlegt. Umgesetzt wird die neue Politik inzwischen auch in einer ganzen Reihe neuer Weltbank-Projekte zur Umstrukturierung des Wassersektors.

Zentraler Anspruch der Weltbank in ihrer Wasserpolitik ist es, den Beitrag von Wasser für die wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. Die neue Architektur für den Wassersektor stützt sich vor allem auf drei Säulen:

Erstens die Entflechtung der bislang vorrangig administrativ-bürokratischen Versorgungs- und Verteilungsstrukturen ("Unbundling") und die Entwicklung eines institutionellen Systems, in dem die Rollen und die Verantwortung der verschiedenen Akteure - also vor allem Staat, Nutzer und Privatwirtschaft - neu definiert werden sollen. Ähnlich wie bei der Kommerzialisierung und Privatisierung der städtischen Versorgung seit Beginn der 1990er Jahre wird der Reformbedarf im Wasser-Management zum einen mit dem schlechten Zustand öffentlicher Institutionen begründet ("Staatsversagen"). Wasserbehörden, die die Verteilung sowohl innerhalb der Landwirtschaft als auch zwischen Städten, Industrie und Landwirtschaft kontrollieren und steuern, gelten überwiegend als bürokratisch, ineffizient und korrupt. Aufgrund niedriger Gebühren arbeiten sie meist nicht kostendeckend. Die Reformen sollen denn auch unter anderem den Staat finanziell entlasten und die Voraussetzungen schaffen, um andere - vor allem auch private - finanzielle Ressourcen für erforderliche Investitionen in Instandhaltung, Erweiterung und Effizienzsteigerungen von Wasser-Infrastruktur zu mobilisieren.

Eine zentrale Strukturreform, die die Weltbank von ihren Kunden fordert, ist daher das Aufbrechen und die Neufestlegung der Aufgabenverteilung zwischen Staat, Nutzern und Privatwirtschaft. Der Staat soll sich als "Facilitator" weitgehend auf die Schaffung von Rahmenbedingungen beschränken. Dazu zählen vor allem die Formulierung von Regelungen für die Wasserverteilung auf der Grundlage von Wassernutzungsrechten, die Bereitstellung von Wasserressourcen (Rohwasser), die Kontrolle der Wasserqualität und die Bereitstellung verlässlicher Daten über Verfügbarkeit und Nutzung.

Das betriebliche Management selbst, etwa von Bewässerungssystemen, soll auf lokale Behörden, autonome Institutionen, Nutzerorganisationen oder private Unternehmen übergehen, die sich über kostendeckende Gebühren und Preise finanziell selbst tragen. Während gegenwärtig die bevorzugte Lösung für dieses "autonome Management" im landwirtschaftlichen Bereich noch das "Partizipatorische Bewässerungsmanagement" (PIM) durch Wassernutzerorganisationen ist, strebt die Bank schrittweise eine stärkere Einbeziehung privater Unternehmen und Investoren in Dienstleistungen, aber auch in Management-Aufgaben selbst an, gefördert durch Öffentlich-private Partnerschaften (PPP) (Darghouth 2005).

Die zweite Säule ist ein massiver Ausbau der "hydraulischen Infrastruktur", um die "Wassersicherheit" durch verlässliche Versorgung zu verbessern, etwa in Ländern wie Äthiopien, Indien und Pakistan. Neben Großstaudämmen für Energie- und Bewässerung gewinnt dabei der Wassertransfer zwischen verschiedenen Flussgebieten an Bedeutung, durch den ein Wassermangel in der einen Region durch Wasser aus einer anderen Region ausgeglichen werden soll (Rio San Francisco in Brasilien, Godavri in Indien, Gelber Fluss in China, usw.). Wegen der hohen Kosten rechnen sich solche Großprojekte allerdings weniger für die Bewässerungslandwirtschaft, sondern eher für die Versorgung von Städten und Industrien, in denen sich höhere Wasserpreise realisieren lassen. Auch hier setzt die Bank auf die Mobilisierung privater Investitionen im Rahmen von PPP-Vorhaben.

Diese Betonung des Infrastruktur-Ausbaus im Wassersektor entspricht der Rückkehr der Weltbank zur Finanzierung von Großprojekten, die sie in den 1990er Jahren nicht zuletzt aufgrund heftigen Widerstands zivilgesellschaftlicher Gruppen weitgehend eingestellt hatte. Sowohl in der Sektorsstrategie Wasserressourcen (WRSS) als auch im Infrastruktur-Aktionsplan (World Bank 2003c) werden sie mit dem "großen Nutzen" durch ihren Beitrag zu Wirtschaftswachstum und Strukturwandel begründet, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, die "hohen Risiken" in Kauf zu nehmen ("High risk/high reward-Strategie"). Sie fällt damit hinter die Ergebnisse der World Commission on Dams (WCD) zurück, die nach einer umfassenden Auswertung der Erfahrungen mit Großstaudämmen unter anderem empfahl, vorrangig Alternativen wie Nachfragemanagement, Rehabilitierung bestehender Dämme und kostengünstigere Kleinprojekte zu fördern.

Die dritte Säule ist die Einführung ökonomischer Instrumente wie kostenorientierter Wasserpreise und "gesicherter und verlässlicher" Wasserrechte. Sowohl im städtischen als auch im landwirtschaftlichen Bereich ist Wasser selbst - sei es Wasser aus Staudämmen, die mit erheblichen öffentlichen Mitteln finanziert wurden, sei es Grundwasser - bislang weitgehend kostenlos. Kosten entstehen den Nutzern vor allem durch Gebühren, die allerdings selten die Bereitstellungskosten decken und sich insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich meist nicht nach dem Verbrauch, sondern nach der Bewässerungsfläche richten, sowie durch die Aufwendungen für Brunnenbohrung, Pumpen, Strom, etc.

Ebenso wie im städtischen Wassersektor verlangt die Weltbank auch im landwirtschaftlichen Bereich von ihren Kunden, also den Regierungen, die schrittweise Einführung kostendeckender Wasserpreise. Anders als im städtischen Bereich beschränkt sich die angestrebte Kostendeckung aber (zunächst) auf Betrieb, Instandhaltung und Abschreibung sowie auf eine Beteiligung an Investitionskosten, die meist zwischen 10 und 30 Prozent betragen soll.

Neben der finanziellen Entlastung von Staatshaushalten verspricht sich die Bank davon Effizienzsteigerungen in der Wassernutzung und Einsparungen durch technologische Verbesserungen, aber auch eine Umverteilung von Wasser innerhalb und zwischen Sektoren hin zu den Nutzungen mit den "höchsten sozialen und wirtschaftlichen Prioritäten" (World Bank 2005: 6). Innerhalb der Landwirtschaft wäre das zum Beispiel der Anbau von Obst und Gemüse anstelle von Grundnahrungsmitteln, zwischen den Bereichen die Verschiebung von der Landwirtschaft mit ihrer geringen Wertschöpfung hin zur Industrie.

Kosten-Nutzen-Analysen, Kostendeckung und höhere Preise für die Versorgung dienen als ein erster Schritt, um in die bislang meist staatlich bestimmte Preisgestaltung und Verteilung von Wasser ("Command-and-Control") marktwirtschaftliche Elemente einzubringen. Da der Wasserpreis allein jedoch nur eine begrenzte Verteilungswirkung entfalten kann, werden in der Diskussion zunehmend Wasserrechte als die "Säulen des Wassermanagements" (IFPRI) in den Vordergrund gerückt. Auch die Weltbank drängt in ihren Sektorreform-Projekten auf die Einführung klarer individueller oder kollektiver Wassernutzungsrechte. Angesichts der Brisanz des neuen Konzepts von Wasserrechten, "das einige als eine schädliche Kommodifizierung eines öffentlichen Gutes sehen" (World Bank 2004: 16), betont sie, dass es sich dabei nicht um ein Eigentum an Wasser, das öffentlicher Besitz bleiben soll, handelt, sondern lediglich um das Recht auf die Nutzung von Wasser.

Ein Einstieg in die Reform der Wasserrechte ist in vielen Ländern die Trennung von Wassernutzungsrechten und Landrechten. Oft wird auch die Bildung neuer Wassernutzerorganisationen zum Hebel für eine Neuordnung und -verteilung von Wasserrechten gemacht. So wurden in Mexiko Wasserrechte nur an neu gegründete Organisationen vergeben, anstatt an bestehenden Wasserrechten und -institutionen anzuknüpfen, was eine Enteignung traditioneller Nutzergruppen bedeutet (Palerm-Viqueria 2005). Gleichzeitig werden im neuen nationalen Wassergesetz die kollektiven Rechte zugunsten von individuellen Rechte-Inhabern aufgebrochen (Schmidt 2005).

Anerkennung und Regelung von Wasserrechten würden eine ganze Reihe von" grundlegenden und gesunden Veränderungen" mit sich bringen, heißt es in der Sektorstrategie Wasserressourcen der Weltbank:

Erstens würden dadurch diejenigen, die zusätzliche Ressourcen benötigen (wie etwa wachsende Städte) dauerhaft in die Lage versetzt, ihren Bedarf durch den Kauf von Wasserrechten von jenen, die ihr Wasser für Zwecke mit geringem Wert verwenden, zu decken. Zweitens würden dadurch starke Anreize für Nutzer, die Wasser für Nutzungen mit geringem Wert einsetzen, entstehen, freiwillig auf diese Nutzung zu verzichten. Damit würde eine Umverteilung sowohl politisch attraktiv als auch praktikabel. Drittens würde die Einrichtung formaler Wasserrechte den Druck erhöhen, die Datenbasis, die eine Voraussetzung für das Wassermanagement ist, zu verbessern. Denn die exakte quantitative Definition von Nutzungsrechten und eine verlässliche Bestandsaufnahme der zur Verfügung stehenden Wassermengen sind, neben den rechtlichen Reformen, notwendig für die Einführung von Wasserrechten.

Gesicherte und klar definierte Wasserrechte gelten außerdem - ähnlich wie gesicherte Landrechte - als Anreiz für die Besitzer, in wassersparende Technologie zu investieren. Positive Auswirkungen werden auch auf das Grundwasser-Management erwartet, das besonders schwierig ist, da die Ressource unsichtbar ist, sich ständig ändert und nur wenige Daten über Mengen und nachhaltigen Ertrag vorliegen:

"Anreize wie Wasserpreise und -rechte könnten Dienstleistungen und Anbaumethoden verbessern und würden damit Produktion und Produktivität erhöhen sowie eine nachhaltige Nutzung der Ressource, den Schutz von Umweltdienstleistungen eingeschlossen, fördern" (http://siteresources.worldbank.org/INTARD/214576-1112347900561/20424235/agwa.pdf, letzter Aufruf: 8. 2. 2006).

Wasserrechte werden von der Weltbank aber auch als eine Voraussetzung befürwortet, um Anreize für eine stärkere Beteiligung privater Unternehmen im Wassersektor zu schaffen.

Erkennbar hat der Strukturwandel, den die Weltbank im Wassersektor vorantreibt, eine doppelte Stoßrichtung: In der Frage der Neugestaltung von Wasserrechten geht es nicht nur darum, Nutzungsrechte zu sichern und Rechtssicherheit zu schaffen. Es geht offensichtlich vor allem darum, durch Flexibilisierung wie die Trennung von Land- und Wasserrechten und Individualisierung wie in Mexiko ihre Übertragbarkeit als frei verfügbare Eigentumsrechte zu ermöglichen, bzw. zu erleichtern. Das würdeü ber die gegenwärtig praktizierten lokalisierten Verkäufe hinaus zum Beispiel einen Transfer von der Landwirtschaft in die Städte, etwa durch "Mittelsmänner", überhaupt erst möglich machen:

"Zwischenhändler, wie zum Beispiel Wassermakler, können die Transaktionskosten des Wasserhandels verringern und dadurch helfen, Wasser der am höchsten bewerteten Nutzung zuzuteilen" (Productivity Commission 2003: 111).

Auch wenn Wasser selbst nicht privatisiert werden soll, machen die geplanten Nutzungsrechte in den meisten Fällen Wasser de facto zu einem privaten Besitz, selbst wenn dieser - wie jeder Besitz und jedes Eigentum - gewissen staatlich gesicherten Verfügungsbeschränkungen und Regulierungen unterworfen bleibt. Damit wird einem systematischen Handel mit Wasser beziehungsweise mit Wassernutzungsrechten die Grundlage bereitet, wodurch zunehmend Kosten, Nachfrage und Angebot und möglicher Gewinn den Preis und damit die Verteilung zwischen verschiedenen Nutzungen und Nutzern bestimmen würden. Dabei würde sich der Preis nicht mehr, wie bislang, an den Kosten und ihrer Deckung orientieren, sondern an den "Opportunitätskosten":

"Die Existenz von Wassermärkten bedeutet, dass Verhalten nicht durch die finanziellen Kosten des Wassers bestimmt wird, sondern durch die Opportunitätskosten - wenn also für einen Nutzer das Wasser einen geringeren Wert als dessen Marktwert hat, wird der Nutzer dazu gebracht, das Wasser zu verkaufen" (Briscoe 1996: 21).

Die Neuordnung der Wasserrechte würde damit in vielen Fällen zweitens dazu führen," moderne" Nutzungsformen wie die private Bewässerungslandwirtschaft gegenüber traditionellen Bereichen wie nomadische Viehhaltung oder die Zusatzbewässerung im kleinbäuerlichen Regenfeldbau zu bevorzugen. Die "höherwertige" Wassernutzung könnte den Beitrag der Landwirtschaft zur wirtschaftlichen Entwicklung, etwa durch die Förderung der Exportlandwirtschaft, verbessern.

Unverkennbar setzt die Weltbank in ihrer neuen Wasserpolitik zahlreiche Maßnahmen und Erfordernisse um, die die Studien über Wassermärkte in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre als Voraussetzungen für deren Einrichtung herausgearbeitet hatten. Allerdings spielt sie die Bedeutung dieses Engagements herunter: So versichert sie, dass sie erst noch dabei sei, "praktische Erfahrungen" im Aufbau von Wassermanagement-Systemen, die auf Nutzungsrechten aufbauen, zu sammeln (World Bank 2004: 16). Dazu gehört zum Beispiel in der philippinischen Hauptstadt Manila die Kooperation mit privaten Versorgungskonzernen und Behörden, um Mechanismen zur Wasserverteilung auf der Grundlage übertragbarer Rechte auszuarbeiten. Auch in anderen Landesteilen der Philippinen laufen Pilotprojekte, wie Wassernutzungsrechte zeitweise oder dauerhaft transferiert werden können (World Bank 2003b).(7)" Zunächst werden die niedrig hängenden Früchte gepflückt, indem man mit begrenztem Handel in klar abgegrenzten Systemen mit guter Infrastruktur beginnt", beschreibt die Sektorstrategie Wasserressourcen die Vorgehensweise (World Bank 2004: 25), doch einmal angeschoben, sollen sich handelbare Wasserrechte und Märkte quasi zum Selbstläufer entwickeln:

"Eine der vielen Stärken eines markt-basierten Systems ist es, dass es einen starken Druck auf bessere Messbarkeit, Transparenz, Regulierung und Information ausübt, sobald es einmal begonnen wurde. Auch arbeiten alle bestehenden Systeme, oft nach anfänglichen Korrekturen, verhältnismäßig gut. In keinem Land gibt es den Gedanken daran, zu den früheren Verteilungsverfahren zurückzukehren" (World Bank 2004: 24f).

Auswirkungen

 

Wie eingangs erwähnt, reicht die Faszination der Weltbank-Wasserpolitiker für marktwirtschaftliche Lösungen bis in die 1990er Jahre zurück. Sie seien eine" brillante Lösung" für die vielfältigen Probleme, das praktische und das wirtschaftliche Management von Wasser in Einklang zu bringen, lobt zum Beispiel Briscoe (1996: 21). An Stelle der staatlichen Bürokratie soll die "unsichtbare Hand" des Marktes erreichen, dass sowohl die Versorgung, als auch der effiziente, ressourcenschonende Umgang mit der lebenswichtigen, zunehmend knappen Ressource gesichert werden - flexibel, bedarfsorientiert und gerecht. Doch in der Praxis drohen dadurch gravierende Verzerrungen in der Wasserverteilung zwischen verschiedenen Bereichen sowie innerhalb der Landwirtschaft selbst, die unter anderem die landwirtschaftliche Produktion von Grundnahrungsmitteln beeinträchtigen und die Armut vergrößern würden.

Zum einen würde dadurch die Umverteilung zugunsten der Städte beschleunigt werden. Denn in den Städten und der Industrie sind die "Opportunitätskosten" höher, was bedeutet, dass der Bedarf und der Wert größer sind und folglich ein höherer Preis realisiert werden kann als in der Landwirtschaft. Gleichzeitig ist die Kaufkraft in den Städten deutlich höher als in ländlichen Regionen, um diese Preise auch zu bezahlen. Damit steigt der Anreiz für Inhaber von Nutzungsrechten, diese an städtische Versorgungsunternehmen oder Industrie zu verkaufen. Hier liegt die wirtschaftliche Logik für neue, große Transfersysteme wie in Brasilien, Indien oder China, die sich nur bei der Belieferung von urbanen Zentren rechnen würden. Für die städtischen Verbraucher würde diese Ausweitung der Kommerzialisierung im Wassersektor in Zukunft in der Regel weiter steigende Preise bedeuten.

Darüber hinaus eröffnen handelbare Wasserrechte den Anreiz für Spekulation. So kaufte sich zum Beispiel Azurix, damals noch die Wassertochter des Energiekonzerns Enron, in die "Wasserbank" Madera, einen riesigen Aquifer in Kalifornien, ein. Azurix beabsichtigte, einen Großteil des Wassers auf der Grundlage langfristiger Verträge und festgelegter Preise zu verkaufen. Ein Teil sollte für spekulativen Handel und "Gewinnoptimierung" zurückgehalten werden, um in Trocken- oder Dürrejahren, wenn die Nachfrage das Angebot weit übersteigt, auf den Markt geworfen zu werden.

Zum anderen würde die Transformation der Landwirtschaft beschleunigt. Im Einzelfall kann die Entstehung von Wassermärkten für die Verkäufer durchaus profitabel sein, indem Rechteinhaber "Extraprofite" aus der Differenz zwischen geltenden Wassertarifen und den idealen "ökonomischen Preisen" für Wasser ziehen. Doch auch die Preise für landwirtschaftlich genutztes Wasser würden anziehen. Die Anziehungskraft des städtischen Wassermarktes könnte zudem den Wassermangel in ländlichen Regionen verstärken, insbesondere in Trockenperioden, wenn die Nachfrage und damit die Preise besonders hoch wären.

Wohlhabendere Bauern und moderne Plantagenbetriebe wären davon weniger betroffen. Sie können durch Investitionen in Effizienzsteigerungen ihren Wasserbedarf reduzieren - und wenn das nicht reicht, gegebenenfalls ihren Bedarf durch Zukäufe decken. Dagegen wären die Auswirkungen höherer Kosten auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft dramatisch. Die Öffnung von Wassermärkten führt zudem zur Inwertsetzung von "schlafenden" Wasserrechten, die bislang von kleinbäuerlichen Betrieben kostenlos oder preiswert genutzt werden können. Wenn Besitzer mit der Aussicht auf Einnahmen beginnen, ihre Rechte zu verkaufen, könnten diese Wasserquellen für solche Nutzer versiegen. In Chile und Mexiko zeichnet sich bereits ab, dass Kleinbauern unter Druck stehen, ihre Wasserrechte abzutreten, um Schulden zu bezahlen, oder weil ihnen das Geld fehlt, um Investitionen in ihre Nutzung zu tätigen. Die Folgen sind Migration oder Kontraktarbeit für Agrounternehmen.

Beide Tendenzen - die Verteuerung von Wasser in der Bewässerungslandwirtschaft und die Verdrängung von kleinbäuerlichen Betrieben - bedeuten zugleich eine Gefährdung der Ernährungssicherheit. Der Beitrag kleinbäuerlicher Landwirtschaft zur Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist in vielen Ländern nach wie vor sehr hoch, insbesondere auf der Haushaltsebene und im lokalen Bereich. Gleichzeitig werden die angestrebten Reformen, die sich vorrangig auf die Bewässerungslandwirtschaft richten, nicht etwa die Nutzung von "Wasser für Nahrung" fördern, wie der Weltbank-Agrarexperte Salah Darghouth behauptet (World Bank 2005), sondern den bestehenden Trend weg vom Anbau von Grundnahrungsmitteln verstärken. Eine Wiederholung der "Grünen Revolution", die mit ihrem Mix aus Technologie, Subventionen und Schutz vor Importen insbesondere in Süd- und Südostasien die Ernährungssituation deutlich verbesserte, ist unter heutigen Bedingungen nicht machbar. Stattdessen wird der Anbau von Exportprodukten beschleunigt, um im Gegenzug die "durstigen" Grundnahrungsmittel zu importieren. Nutznießer wären die USA, Kanada, Frankreich und Argentinien, die in hochproduktivem Regenfeldbau massive Getreideüberschüsse produzieren, aber auch Reisexporteure wie Thailand und Vietnam. Damit würde die Ernährungssicherheit vieler Länder noch stärker als heute schon von der Produktion in den Industrieländern, vom Weltmarkt und mächtigen Handelskonzernen abhängen.

Weitgehend ungeklärt ist zudem, wie negative externe Auswirkungen des Wasserhandels antizipiert und gegebenenfalls verhindert werden können. 1991, auf dem Höhepunkt einer mehrjährigen Trockenheit, organisierte die kalifornische Wasserbehörde DWR eine "Wasserbank". Sie bezahlte Bauern in Nordkalifornien dafür, ihr Land nicht zu bewässern. Das so verfügbare Wasser wurde mit einem Preisaufschlag an Bauern und städtische Versorgungsunternehmen im Süden Kaliforniens verkauft. Doch was sich für die Bauern, die das Angebot der Wasserbank annahmen, rechnete, bedeutete für viele ihrer Feldarbeiter Arbeitslosigkeit. Auch das artenreiche Delta der Flüsse Sacramento und San Joaquin, das ebenfalls unter der Trockenheit litt, hatte von dem Wasserhandel nichts, da es naturgemäß kein zahlungsfähiger Kunde war. Ebenso wenig ist eine "höherwertige" Nutzung in der Bewässerungslandwirtschaft automatisch auch ökologisch besser, sondern kann im Gegenteil dazu führen, dass es profitabel wird, ungeeignete Böden landwirtschaftlich zu erschließen. Gewinnaussichten können zudem zu Überausbeutung beitragen, indem "schlafende" Nutzungsrechte aktiviert werden oder das "Mining" von Grundwasser zunimmt.

So ist zwar denkbar, dass Marktbedingungen die Nutzungseffizienz von Wasser und die Profitabilität von Investitionen im Wassersektor erhöhen können - ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit, d.h. die Auswirkungen auf Dritte ("Third Party"), werden hierdurch jedoch nicht automatisch berücksichtigt. Die Hoffnung auf Nachhaltigkeit durch Gewinnstreben ist - wie in anderen Bereichen auch - ziemlich blauäugig. Der Staat ist damit auch weiterhin gefordert, die Spielregeln festzulegen, ihre Einhaltung zu überwachen, und bei "Marktversagen", etwa einer Monopolisierung von Nutzungsrechten, einzugreifen - eine Aufgabe, an der sich Industrieländer wie die USA und Australien seit Jahren abarbeiten und die gleichzeitig immer wieder erhebliche Konflikte verursacht, etwa zwischen Regulierungsbehörden und Konzernen im städtischen Wasserbereich. Zumindest in Ländern des Südens sind Regulierungsbehörden bislang klar unzureichend ausgestattet und überfordert, um die kleinbäuerliche Landwirtschaft, LandarbeiterInnen oder die Umwelt vor negativen Auswirkungen des Versuchs, den Wert des Wassers über den Markt zu definieren, wirksam zu schützen.

In der Logik der Marktwirtschaft ist es da nur konsequent, auch den Schutz von "Third-Party-Interessen" der ökonomischen Steuerung zu unterwerfen. So werden in den USA bereits durch Regierungen und Umweltgruppen "Umweltdienstleistungen" bezahlt, also Bauern zum Beispiel Wasser zum Schutz von bedrohten Feuchtgebieten oder Fischbeständen abgekauft. Damit werde der Markt erheblich ausgeweitet, frohlockt Weltbankexperte John Briscoe: denn je größer der Markt und je weniger administrative Beschränkungen, "desto eher kommen die wahren Opportunitätskosten zum Tragen" - sprich: je weniger staatliche Kontrolle, desto höher Preise und Gewinne.

Die Kommerzialisierung von Wasserrechten und die Entwicklung von Wassermärkten ist allerdings politisch ein heißes Eisen, wird damit doch Wasser zu einer Ware - eine Privatisierung und Inwertsetzung eines öffentlichen, sozialen Guts, gegen die sich zivilgesellschaftliche Organisationen vehement wehren und die ihrem Verständnis von Wasser als Menschenrecht grundlegend widerspricht (www.menschen-recht-wasser.de). Das weiß man auch bei der Weltbank: Die Frage der Wasserrechte, so John Briscoe bei der Water Week 2005 der Weltbank, sei eines der drei "schwierigen und kontroversen Themen" in der Wahrnehmung der Weltbank durch die kritische Öffentlichkeit - neben ihrer Rolle beim Bau von Großstaudämmen und als Wegbereiterin für die Beteiligung ausländischer Wasserkonzerne an der städtischen Wasserversorgung in Entwicklungsländern. Trotzdem treibt sie diesen Prozess weiter voran, wenn auch eher unauffällig, genauso wie den Bau von Großstaudämmen und die Bemühungen, die Beteiligung privater Investoren am Wassersektor auszubauen.(8)

Anmerkungen

(*) Dieser Beitrag basiert auf einer Studie für Brot für die Welt über die neue Politik der Weltbank im landwirtschaftlichen Wassersektor, siehe Hoering 2005.

(1) De facto findet mit dem Mineralwasser-Geschäft oder dem grenzüberschreitenden Verkauf von Wasser, etwa per Pipeline aus der Türkei an Israel, natürlich längst ein verbreiteter Handel mit der Ressource selbst statt. Diese Formen sind allerdings nicht Gegenstand dieses Beitrags. Vgl. dazu zum Beispiel Zimmerle 2005.

(2) Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf die umfassende Studie der australischen Productivity Commission (2003), auf die Studie von Höllinger& Kasper (2000), die für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ, erstellt wurde, und die Studie über die Verbindungen von Land- und Wasserrechten von Hodgson (2004) für die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, FAO.

(3) Dementsprechend heißt es bei Perry u.a. (1997: 12): "For the most part, in the real world, water is allocated first to municipal and domestic use, second to industrial and commercial use, and third to agriculture (Environmental allocations are also growing in volume and priority)."

(4) Übersetzung aller Zitate durch den Verfasser.

(5) Mehrere Studien sprechen unumwunden von Eigentumsrechten, zum Beispiel Perry u.a. 1997; Lee & Jouravlec 1998: 11ff; Höllinger & Kasper 2000.

(6) Vorausgegangen war eine Bestandsaufnahme der Umsetzung des Politikpapiers von 1993 durch die interne Evaluierungsabteilung der Bank, OED, die erhebliche Mängel und weitreichenden Reformbedarf aufzeigte (World Bank 2002). (7) Auch förderte sie bereits seit Mitte der 1990er Jahre mehrere Pilotvorhaben für Transfersysteme für Wasserrechte, zum Beispiel im brasilianischen Bundesstaat Ceará (siehe Simpson & Ringskog 1997: 44).

(8) So waren Fragen von Wasserrechten und der Förderung öffentlich-privater Partnerschaften im landwirtschaftlichen Bewässerungsbereich zentrale Themen bei der Water Week Anfang März 2005, eine Veranstaltung, bei der sich alljährlich Weltbank-Mitarbeiter und Berater treffen und austauschen: www.worldbank.org/water.

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