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14. Mai 2006

 

 

 

 

 

 

 

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Auszug aus: VDGN (www.vdgn.de), Das Grundstück, Februar/März 2006

Anschlusszwang und Beugehaft

   

Eine Familie im brandenburgischen Rauen hat großen Ärger mit dem Zweckverband Fürstenwalde. (...)

Der auch für Rauen zuständige Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde traktiert eine dort ansässige Familie, daß davon fast die märkische Heide wackelt. Immer wieder berichten Zeitungen und Fernsehsender über den verbissenen Krieg des Zweckverbandes gegen Barbara und Thomas Plenzke, die sich nicht an die Kanalisation anschließen lassen, weil sie das auf ihrem Grundstück anfallende Abwasser selbst verwerten. Nach jahrelangem Bombardement mit Beitrags- und Bußgeldbescheiden, Zwangsvollstreckungen und Strafanzeigen wurde Familienvater Thomas Plenzke schließlich sogar Beugehaft angedroht. Erst vor kurzem filmte deshalb das Magazin „klartext“ des RBB in Rauen.

Tatsache ist: Plenzkes erzeugen kein Abwasser im landläufigen Sinne. Entstandenes Schmutzwasser bereiten sie in ihrer eigenen Anlage wieder auf: Eine Mehrkammergrube sorgt dafür, die Feststoffe herauszufiltern, die dann auf dem Kompost landen. Die biologische Reinigung der übrigbleibenden Flüssigkeit besorgt ein Pflanzenbeet, von dem das Wasser in einen Teich fließt. Es steht dort zum neuerlichen Gebrauch bereit, für die Toilettenspülung zum Beispiel oder zum Gießen der prächtigen Palmen, die Plenzkes besitzen. Belastungen für Boden und Grundwasser entstehen nicht, so ein Gutachten, das über die Anlage erstellt worden ist.

Manche meinen, Plenzkes sollten dafür einen Öko-Grand-Prix bekommen. Axel Kruschat vom BUND Brandenburg zum Beispiel sagte den Fernsehleuten, „daß man eigentlich solche Anlagen fördern müßte“. Und Axel Loger vom brandenburgischen Umweltministerium äußerte vor der RBB-Kamera in Sachen Abwasser: „... wenn ich es eben selbst verwende, dann ist es eben nichts, was irgendwie beseitigt werden muß.“

Doch alle Fürsprache nutzt den Plenzkes nichts. Der Zweckverband pocht auf den Anschluß- und Benutzungszwang und berechnet Abwassergebühren nach Maßgabe des Trinkwasserverbrauchs. Die Plenzkes verweigern diese Zahlung mit dem einleuchtenden Argument, der Zweckverband erbringe ja keine Leistung, deshalb müßten sie auch nicht zahlen.

Doch das ist nicht das einzige Feld der Auseinandersetzung. Bis heute gibt es keinen rechtskräftigen Bescheid für den vom Zweckverband geforderten Beitrag zu dem – von Plenzkes verweigerten – Anschluß an die 1999 im Ort gelegte Kanalisation. Gegen den ursprünglichen Bescheid hatten Plenzkes Widerspruch eingelegt und schließlich vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Der Zweckverband jedoch ließ es nicht auf eine richterliche Überprüfung ankommen, half, während die Sache vor Gericht anhängig war, dem Widerspruch doch noch ab und stellte einen neuen Beitragsbescheid aus. Dem wiederum widersprachen Plenzkes und zogen erneut vor Gericht. Der Zweckverband zog darauf wieder den Beitragsbescheid zurück und gab einen neuen aus, gegen den Plenzkes sich wiederum wehrten – und so lief das bis heute nicht beendete Spiel mehrere Male, wobei sich die auf den Bescheiden geforderte Summe allerdings immer mehr reduzierte.

Vertreter des Zweckverbandes dürfen Plenzkes Gehöft seit längerer Zeit schon nicht mehr betreten – Schilder an der Grundstücksgrenze weisen darauf hin. Doch auch diese aus Vorsicht und Erfahrung geborene Verweigerung ist dem Zweckverband Stoff zum Flechten von Peitschen. Weil Thomas Plenzke Mitarbeiter des Zweckverbandes im August 2005 nicht aufs Grundstück ließ, versuchte dieser als „Behörde“ und unter Berufung auf seine Wasserversorgungssatzung, den Mann mit einem Bußgeld von 35 Euro zu belegen. Der zahlte nicht und wurde vor Gericht gezogen. Doch entschied das Fürstenwalder Amtsgericht in diesem Fall eindeutig zu seinen Gunsten, weil „eine rechtswirksame Grundlage zur Ahndung des dem Betroffenen vorgeworfenen Fehlverhaltens fehlt“. (...)

Wer die Stellungnahmen des öffentlich in die Bredouille geratenen Zweckverbands liest, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die dort Verantwortlichen juristischen Beistand in erheblichem Maße bemühen können. (...) Wenn der Zweckverband dennoch schlecht in der Öffentlichkeit dasteht, hat das eher Gründe, die mit Recht- oder Nichtrechthaben im juristischen Streit um den Anschluß- und Benutzungszwang wenig zu tun haben.

So ist es kaum einzusehen, warum gerade in dünn und dünner besiedelten Regionen Brandenburgs heute noch Grundstücke an Kanalisationsrohre angeschlossen werden sollen, die in zwanzig bis dreißig Jahren aus Gründen des Bevölkerungsrückgangs wahrscheinlich stillgelegt werden müssen. Sollte man nicht Lehren gezogen haben aus den Katastrophen, die unter der politischen Verantwortung von Politikern wie Manfred Stolpe und Matthias Platzeck herbeiorganisiert worden sind, aus den überdimensionierten Kläranlagen und Leitungsnetzen, die zu vielfach beklagten Belastungen führten? Und wie sieht es in Sachen Umweltschutz tatsächlich aus, wie schneidet da das Modell Großklärwerk auf längere Sicht ab?

Bei der Kläranlage des Fürstenwalder Zweckverbandes zumindest steht es offensichtlich nicht zum Besten. Sie wurde 1995 in Betrieb genommen und ist für 48 000 Einwohnerwerte ausgelegt. Ihre Kapazität aber soll aber noch auf 60 000 Einwohnerwerte erweitert werden.

Was dem Normalbürger nicht aufs Butterbrot geschmiert wird: Eine Genehmigung nach dem Brandenburgischen Wassergesetz hat sie laut einem Schreiben aus dem Brandenburger Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz nie erhalten. „Seit 1995 wurde zunächst im Wege mehrfach verlängerter wasserbehördlicher Erlaubnisse die Abwassereinleitung in das Grundwasser durch Versickerung über Rieselfelder zugelassen“, heißt es in dem Papier vom August 2005, das sich um die „Zulassungsfähigkeit der weiteren Versickerung des gereinigten Abwassers auf Rieselfeldern der Kläranlage Fürstenwalde als Einzelfallentscheidung“ dreht und die Regionalabteilung Süd des Landesumweltamtes über Bedenken informiert. So heißt es darin: „Die Gefahr einer Grundwasserbeeinträchtigung bzw. die Besorgnis der nachteiligen Veränderung des Grundwassers ist nach hiesiger Einschätzung zu bejahen, so daß die vorgesehenen Versickerungsvarianten nicht erlaubnisfähig wären.“

Laut diesem Schreiben, das von Abteilungsleiter Prof. Dr.-Ing. Hartmut Niesche unterzeichnet wurde, fanden sich im gereinigten Abwasser der Kläranlage bei Untersuchungen u.a. folgende Stoffe: Cadmium, Cyanid, organisch gebundene Halogene (AOX), mineralische Kohlenwasserstoffe und Quecksilber. Sie alle gehören der sogenannten Liste I der Grundwasserverordnung an, die allenfalls unter streng definierten Ausnahmetatbeständen in das Grundwasser gelangen dürfen. Doch solche Tatbestände liegen laut der ministeriellen Stellungnahme nicht vor, die noch weitere Stoffe aufzählt, die im Ablauf der Fürstenwalder Kläranlage festgestellt worden sind: Arsen, Kupfer und Zink. Diese stehen in der Liste II der Grundwasserverordnung. Eine Zulassung darf bei ihnen nur erteilt werden, „wenn eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften ... nicht zu besorgen ist“. Doch die Unbedenklichkeitsbescheinigung dafür gibt das Potsdamer Ministerium nicht.

Ein Stück weiter gehen die anerkannten Naturschutzverbände des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme zum Genehmigungsverfahren für die Kläranlage. Sie, so heißt es dort, „machen darauf aufmerksam, daß die derzeitige und weiterhin geplante Abwasserentsorgung des Zweckverbandes Fürstenwalde in das Grundwasser nicht nur in keiner Weise genehmigungsfähig ist, sondern darüber hinaus hierbei auch § 324 StGB - unbefugtes Verunreinigen sowie das sonstige nachteilige Verändern eines Gewässers in seinen Eigenschaften - sowie § 326 StGB (Strafgesetzbuch – d. Red.) Abs. 1 Nr. 3 - gewässergefährdende Abfallbeseitigung - und § 330 StGB - schwere Umweltgefährdung - zu beachten sind!“

Schweres Geschütz! Doch ganz gleich, ob es in Anschlag gebracht wird oder nicht: Nur ansatzweise so gewichtige Gründe des Umweltschutzes dürften gegen den Betrieb der Anlage von Plenzkes in Rauen kaum vorzubringen sein.

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