Eine
Familie im brandenburgischen Rauen hat großen Ärger
mit dem Zweckverband Fürstenwalde. (...)
Der auch für Rauen zuständige
Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde
traktiert eine dort ansässige Familie, daß davon
fast die märkische Heide wackelt. Immer wieder berichten
Zeitungen und Fernsehsender über den verbissenen Krieg
des Zweckverbandes gegen Barbara und Thomas Plenzke, die
sich nicht an die Kanalisation anschließen lassen,
weil sie das auf ihrem Grundstück anfallende Abwasser
selbst verwerten. Nach jahrelangem Bombardement mit Beitrags-
und Bußgeldbescheiden, Zwangsvollstreckungen und Strafanzeigen
wurde Familienvater Thomas Plenzke schließlich sogar
Beugehaft angedroht. Erst vor kurzem filmte deshalb das Magazin „klartext“ des
RBB in Rauen.
Tatsache ist: Plenzkes erzeugen kein Abwasser im landläufigen
Sinne. Entstandenes Schmutzwasser bereiten sie in ihrer eigenen
Anlage wieder auf: Eine Mehrkammergrube sorgt dafür,
die Feststoffe herauszufiltern, die dann auf dem Kompost
landen. Die biologische Reinigung der übrigbleibenden
Flüssigkeit besorgt ein Pflanzenbeet, von dem das Wasser
in einen Teich fließt. Es steht dort zum neuerlichen
Gebrauch bereit, für die Toilettenspülung zum Beispiel
oder zum Gießen der prächtigen Palmen, die Plenzkes
besitzen. Belastungen für Boden und Grundwasser entstehen
nicht, so ein Gutachten, das über die Anlage erstellt
worden ist.
Manche meinen, Plenzkes sollten dafür einen Öko-Grand-Prix
bekommen. Axel Kruschat vom BUND Brandenburg zum Beispiel
sagte den Fernsehleuten, „daß man eigentlich
solche Anlagen fördern müßte“. Und
Axel Loger vom brandenburgischen Umweltministerium äußerte
vor der RBB-Kamera in Sachen Abwasser: „... wenn ich
es eben selbst verwende, dann ist es eben nichts, was irgendwie
beseitigt werden muß.“
Doch
alle Fürsprache nutzt den Plenzkes nichts. Der
Zweckverband pocht auf den Anschluß- und Benutzungszwang
und berechnet Abwassergebühren nach Maßgabe des
Trinkwasserverbrauchs. Die Plenzkes verweigern diese Zahlung
mit dem einleuchtenden Argument, der Zweckverband
erbringe ja keine Leistung, deshalb müßten sie
auch nicht zahlen.
Doch
das ist nicht das einzige Feld der Auseinandersetzung.
Bis heute gibt es keinen rechtskräftigen Bescheid für
den vom Zweckverband geforderten Beitrag zu dem – von
Plenzkes verweigerten – Anschluß an
die 1999 im Ort gelegte Kanalisation. Gegen den ursprünglichen
Bescheid hatten Plenzkes Widerspruch eingelegt und schließlich
vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Der Zweckverband jedoch
ließ es nicht auf eine richterliche Überprüfung
ankommen, half, während die Sache vor Gericht anhängig
war, dem Widerspruch doch noch ab und stellte einen neuen
Beitragsbescheid aus. Dem wiederum widersprachen Plenzkes
und zogen erneut vor Gericht. Der Zweckverband zog darauf
wieder den Beitragsbescheid zurück und gab einen neuen
aus, gegen den Plenzkes sich wiederum wehrten – und
so lief das bis heute nicht beendete Spiel mehrere Male,
wobei sich die auf den Bescheiden geforderte Summe allerdings
immer mehr reduzierte.
Vertreter des Zweckverbandes
dürfen Plenzkes Gehöft
seit längerer Zeit schon nicht mehr betreten – Schilder
an der Grundstücksgrenze weisen darauf hin. Doch
auch diese aus Vorsicht und Erfahrung geborene Verweigerung
ist
dem Zweckverband Stoff zum Flechten von Peitschen. Weil
Thomas Plenzke Mitarbeiter des Zweckverbandes im August
2005 nicht
aufs Grundstück ließ, versuchte dieser als „Behörde“ und
unter Berufung auf seine Wasserversorgungssatzung, den
Mann mit einem Bußgeld von 35 Euro zu belegen.
Der zahlte nicht und wurde vor Gericht gezogen. Doch
entschied das Fürstenwalder
Amtsgericht in diesem Fall eindeutig zu seinen Gunsten,
weil „eine
rechtswirksame Grundlage zur Ahndung des dem Betroffenen
vorgeworfenen Fehlverhaltens fehlt“. (...)
Wer
die Stellungnahmen des öffentlich in die Bredouille
geratenen Zweckverbands liest, kann sich des Eindrucks
nicht erwehren, daß die dort Verantwortlichen
juristischen Beistand in erheblichem Maße bemühen
können.
(...) Wenn der
Zweckverband
dennoch schlecht in der Öffentlichkeit dasteht,
hat das eher Gründe, die mit Recht- oder Nichtrechthaben
im juristischen Streit um den Anschluß- und Benutzungszwang
wenig zu tun haben.
So ist
es kaum einzusehen, warum gerade in dünn und
dünner besiedelten Regionen Brandenburgs heute noch
Grundstücke an Kanalisationsrohre angeschlossen werden
sollen, die in zwanzig bis dreißig Jahren aus Gründen
des Bevölkerungsrückgangs wahrscheinlich stillgelegt
werden müssen. Sollte man nicht Lehren gezogen haben
aus den Katastrophen, die unter der politischen Verantwortung
von Politikern wie Manfred Stolpe und Matthias
Platzeck herbeiorganisiert worden sind, aus den überdimensionierten Kläranlagen
und Leitungsnetzen, die zu vielfach beklagten Belastungen
führten? Und wie sieht es in Sachen Umweltschutz tatsächlich
aus, wie schneidet da das Modell Großklärwerk
auf längere Sicht ab?
Bei
der Kläranlage des Fürstenwalder Zweckverbandes
zumindest steht es offensichtlich nicht zum Besten. Sie wurde
1995 in Betrieb genommen und ist für 48 000 Einwohnerwerte
ausgelegt.
Ihre Kapazität aber soll aber
noch auf 60 000 Einwohnerwerte erweitert werden.
Was
dem Normalbürger
nicht aufs Butterbrot geschmiert wird: Eine Genehmigung nach
dem Brandenburgischen Wassergesetz hat sie laut einem Schreiben
aus dem Brandenburger Ministerium für Ländliche
Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz nie erhalten. „Seit
1995 wurde zunächst im Wege mehrfach verlängerter
wasserbehördlicher Erlaubnisse die Abwassereinleitung
in das Grundwasser durch Versickerung über Rieselfelder
zugelassen“, heißt es in dem Papier vom August
2005, das sich um die „Zulassungsfähigkeit der
weiteren Versickerung des gereinigten Abwassers auf Rieselfeldern
der Kläranlage Fürstenwalde als Einzelfallentscheidung“ dreht
und die Regionalabteilung Süd des Landesumweltamtes über
Bedenken informiert. So heißt es darin: „Die
Gefahr einer Grundwasserbeeinträchtigung bzw. die Besorgnis
der nachteiligen Veränderung des Grundwassers ist nach
hiesiger Einschätzung zu bejahen, so daß die vorgesehenen
Versickerungsvarianten nicht erlaubnisfähig wären.“ Laut
diesem Schreiben, das von Abteilungsleiter Prof.
Dr.-Ing. Hartmut Niesche unterzeichnet wurde, fanden
sich
im gereinigten Abwasser der Kläranlage bei Untersuchungen u.a. folgende
Stoffe: Cadmium, Cyanid, organisch gebundene Halogene (AOX),
mineralische Kohlenwasserstoffe und Quecksilber. Sie alle
gehören der sogenannten Liste I der Grundwasserverordnung
an, die allenfalls unter streng definierten Ausnahmetatbeständen
in das Grundwasser gelangen dürfen. Doch solche Tatbestände
liegen laut der ministeriellen Stellungnahme nicht vor, die
noch weitere Stoffe aufzählt, die im Ablauf der Fürstenwalder
Kläranlage festgestellt worden sind: Arsen, Kupfer und
Zink. Diese stehen in der Liste II der Grundwasserverordnung.
Eine Zulassung darf bei ihnen nur erteilt werden, „wenn
eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder
eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften
... nicht zu besorgen ist“. Doch die Unbedenklichkeitsbescheinigung
dafür gibt das Potsdamer Ministerium nicht.
Ein Stück weiter gehen die anerkannten Naturschutzverbände
des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme zum Genehmigungsverfahren
für die Kläranlage. Sie, so heißt es dort, „machen
darauf aufmerksam, daß die derzeitige und weiterhin
geplante Abwasserentsorgung des Zweckverbandes Fürstenwalde
in das Grundwasser nicht nur in keiner Weise genehmigungsfähig
ist, sondern darüber hinaus hierbei auch § 324
StGB - unbefugtes Verunreinigen sowie das sonstige nachteilige
Verändern eines Gewässers in seinen Eigenschaften
- sowie § 326 StGB (Strafgesetzbuch – d. Red.)
Abs. 1 Nr. 3 - gewässergefährdende Abfallbeseitigung
- und § 330 StGB - schwere Umweltgefährdung -
zu beachten sind!“
Schweres Geschütz! Doch ganz gleich, ob es in Anschlag
gebracht wird oder nicht: Nur ansatzweise so gewichtige Gründe
des Umweltschutzes dürften gegen den Betrieb der Anlage
von Plenzkes in Rauen kaum vorzubringen sein.
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