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12. Dezember 2005
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WasserInBürgerhand!
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21. November, 2005
Verhindern
Sie eine Steuerpflicht
für die öffentliche
Abwasserentsorgung
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
Wasser
In Bürgerhand (WIB) ist ein seit 2003 bestehender
bundesweiter Zusammen-schluss von lokalen Initiativen sowie von
Umweltverbänden für den ungeschmälerten Erhalt der öffentlichen
Wasserwirtschaft. Die seit Jahren von verschiedenen Seiten vorgetragenen
Forderungen für eine steuerliche Gleichbehandlung von Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung bedürfen nach unserer Auffassung einer
sehr kritischen Betrachtung.
Im
Hinblick auf die vor kurzem wieder erhobenen Forderungen nach
gesetzgeberischen Aktivitäten wenden wir uns an Sie als
dem Gemeinwohl verpflichtete(r/m) Abgeordnete(r/m). Wir möchten
Ihnen in kurzen Zügen darlegen, warum wir die beabsichtigten
Ziele für fragwürdig oder falsch und die behaupteten
Vorzüge für nicht belegt halten.
Damit
ist unsere Bitte verbunden, sich im Deutschen Bundestag gegen
Bestrebungen einzusetzen, über die so genannte
steuerliche Gleichbehandlung eine Interessenpolitik für wenige
auf Kosten fast aller übrigen Bürger zu fördern.
Zum
Thema der steuerlichen Gleichbehandlung möchten wir vorausschicken,
dass nach unserem Eindruck die Aktivitäten zur Öffnung
der Wasserwirtschaft für private (Groß-)Firmen nicht
etwa durch mangelnde Leistungsfähigkeit der bisher fast aus¬schließlich öffentlich
verfassten Abwasserentsorgung bedingt sind. Dasselbe gilt für
die im internationalen Vergleich sehr leistungsfähige Wasserversorgung.
Vielmehr teilen wir die vom Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft
(BDE) geäußerte Einschätzung, dass die steuerliche
Gleichstellung „der Schlüssel zur weite¬ren Privatisierung“ des
Abwassersektors sei bzw. sein soll.
Der
erste Schritt in diese Richtung war die bereits 1996 in der
Novellierung
des Was¬serhaushaltsgesetzes (WHG) gemäß § 18
a Abs. 2a eröffnete Möglichkeit, durch Landesgesetz die Übertragung
der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht auf private Dritte
zu gestatten. Sie ist primär dem ökonomisch aus Sicht
von privaten Entsorgern verständlichen Wunsch nach Markterschließung
und sicheren Er¬tragsaussichten sowie einer sich ausbreitenden
Privatisierungsideologie zu verdan¬ken.
Im Einzelnen möchten wir auf Folgendes hinweisen:
- Die in der einstimmigen Beschlussfassung der Innenministerkonferenz
vom
30.1.2003 geäußerte Auffassung, dass im Fall einer
steuerlichen Gleichstellung der privaten mit den öffentlich-rechtlich
tätigen Abwasserentsorgern mit Gebühren-Mehrbelastungen
für die Bürger zu rechnen ist, teilen wir.
Die
uns bekannte kontroverse Gutachtensituation, einschließlich
des vom BDE bestellten Gutachtens von Prof. Arndt, lässt jedenfalls
nicht den Schluss einer belastungsneutralen steuerlichen Ausgestaltung
zu. Dies gilt unabhängig von den jeweils möglichen konkreten Änderungen
der Steuerarten und gegebenenfalls zu treffenden Optionsregelungen
für getätigte Abschreibungen. In diesem Zusammenhang
ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass den Gemeindebetrieben
der Vorsteuerabzug längst nicht in der Höhe der zu erhebenden
Umsatzsteuer möglich wäre und insoweit steuerlich
gleichgestellten Privatfirmen ein Steuervorteil erwüchse.
- Die
Behauptung, der Vorsteuerabzug würde zu Gebührensenkungen
führen, greift schon deswegen nicht, weil die einen nennenswerten
Vorsteuerabzug erst ermöglichenden hohen Investitionen in
der deutschen Abwasserwirtschaft bereits weitgehend getätigt
wurden, insbesondere durch die Realisierung der so genannten
dritten Reinigungsstufe. Die in diesem Zusammenhang behaupteten
sehr hohen Investitionsbedarfe durch notwendige Erneuerungen von
Abwasserleitungen beruhen in erster Linie auf den Wünschen
von Rohrleitungsbaufirmen, dass die Kommunen mit einschlägigen
Investitionen den Markt beleben mögen.
- Die
weitere Behauptung, etwaige Erhöhungen von Gebühren
und Entgelten würden durch Synergieeffekte aufgrund von
angestrebten Zusammenlegungen von Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsbetrieben
kompensiert, wird in keinem Gutachten oder sonst wie gearteten
Darlegungen empirisch gestützt. Englische Erfahrungen belegen
eher das Gegenteil. Im Übrigen wird bei so genannten
Synergie- oder Rationalisierungseffekten hauptsächlich ein
volkswirtschaftlich nicht wünschenswerter Abbau versicherungspflichtiger
Arbeitsplätze zugrunde gelegt.
- Die
verschiedentlich vorgebrachte Behauptung, erst die steuerliche
Gleichstellung
würde
erstens über die gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit der
(perspektivisch um den halben Umsatzsteuersatz entlasteten privaten)
Abwasserbetriebe und
zweitens durch leichtere Zusammenlegbarkeit von Wasser- und Abwasserbetrieben
und dadurch entstehende Größenvorteile bessere Marktchancen
im Auslandsgeschäft eröffnen, verkennt die hiesigen
Strukturen ebenso wie die strukturellen Bedingungen auf den
Auslandsmärkten in hohem Maße.
Darüber hinaus ist nicht nachzuvollziehen, warum die privaten
Endverbraucher zur Kasse gebeten werden sollen, um wenigen schon
sehr gut verdienenden deutschen Großbetrieben den Zugang
zu Auslandsmärkten zu erleichtern.
- Eine
steuerliche Vereinheitlichung erschiene uns nur dann sinnvoll,
wenn dadurch bessere Verbundlösungen zwischen Ver- und Entsorgungen
unter dem Dach kommunaler Träger ermöglicht würden.
Das ist offenbar jedoch gerade nicht das Ziel der Gleichstellungsinitiatoren.
- Soweit
allgemein eine – von uns so nicht gesehene – Reform-
oder Modernisierungsbedürftigkeit der kommunal geprägten
deutschen Wasserwirtschaft angenommen wird, so betrachten
wir das Steuerrecht nicht als das angemessene Lenkungsinstrument.
- De
facto soll es jedoch, jenseits unspezifischer und unbelegter
Vorteile,
direkt private
Ver- und Entsorger begünstigen und
deren weiteres Eindringen in die kommunale Wirtschaft generell
fördern.
Wir
halten dies sowohl ordnungspolitisch im Hinblick auf
den Erhalt der
bislang noch
stark verankerten öffentlichen Daseinsvorsorge
als auch wirtschaftspolitisch aus Verbrauchersicht für höchst
bedenklich. Weiterhin befürchten wir, wie das Vordringen privater
Firmen in den vormals kommunalen Ver- und Entsorgungsbereich
bereits vielfach beweist, unter Gewinn- und Wettbewerbsdruck sinkende
Umweltstandards. Wir möchten daran erinnern, dass die hoheitliche
Verantwortung für die Abwasserentsorgung eine relativ
erfolgreiche Geschichte als Umweltschutzdienstleistung hat,
die nicht nur der Trinkwasserversorgung zugute kommt.
- Die
Forderung, generell öffentliche und private Unternehmen,
die tatsächlich oder potentiell im Wettbewerb stehen oder
stehen könnten, steuerlich gleich zu behandeln, ignoriert
bereits im Ansatz die rechtlich und tatsächlich stark verankerte
Rolle öffentlicher, insbesondere hoheitlicher Aufgabenträger.
Deren sozialpflichtige Leistungsfähigkeit ist weithin
erwiesen, nicht jedoch die Gemeinwohlfähigkeit von Wettbewerbsexperimenten
und Liberalisierungen, die in der Versorgungswirtschaft ohnehin
in private Oligopole einmünden, wie die Energiewirtschaft
zeigt. Wettbewerb und (sowieso fiktive) Wettbewerbsgleichheit sind
nicht der alleinige Maßstab oder Garant für wirtschaftliche,
sozialadäquate und umweltverträgliche Leistungserbringung,
vor allem nicht bei den Grundversorgungen.
- Auch
aus EU-Gemeinschaftsrecht ist unter dem sonst gültigen
Gebot der Wettbewerbsgleichheit für die öffentliche
Abwasserentsorgung kein Anspruch auf Steuerpflichtigkeit herzuleiten.
Diese könnte allenfalls bei der Leistungsübertragung
auf private Dritte in Betracht gezogen werden.
Weitere
im diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Erwägungen
wollen wir aus Platzgründen nicht diskutieren. Für nähere
Erläuterungen stehen wir gegebenenfalls gerne zur Verfügung.
Wir bitten Sie, unsere Argumente sorgfältig in Ihre Überlegungen
einzubeziehen und würden uns über eine Antwort freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Wasser
in Bürgerhand
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