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16. Februar 2006
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WasserInBürgerhand!
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Broschüren
für
Wasser in Bürgerhand
Band II
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Kriege
um Wasser –
über Verknappung und Privatisierung
einer lebensnotwendigen Ressource
Autor: Jens Loewe
Januar 2005
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Wir
Bürger der westlichen, der „zivilisierten“ Welt
haben ein ungetrübtes Verhältnis zu Wasser,
weil es uns ungetrübt, in hoher Qualität
und durchgehend zur Verfügung steht. Noch.
Wir müssen nicht an Durst leiden. In Entwicklungs-
und Schwellenländern stellt sich die Situation
anders dar: täglich sterben mehrere tausend
Menschen an Wassermangel oder an Krankheiten, die
durch Wasserverunreinigung verursacht sind.
Um
es an Beispielen zu verdeutlichen:
In
Manila, Hauptstadt der Philippinen mit 12 Mill.
Einwohnern, brach im November 2003 die Cholera
aus - verursacht durch Kolibakterien, die über
das Trinkwasser übertragen wurden. Verantwortlich
für die Wasserversorgung in der Megametropole
sind seit 1997 die beiden transnationalen Konzerne
Suez (Frankreich) und Bechtel (USA).
Der
Konzern Bechtel ist auch in einem anderen Zusammenhang
in die Schlagzeilen geraten: nach
seiner Übernahme
der Wasserversorgung in Cochabamba
/ Bolivien und
nach exorbitanter Wasserpreiserhöhung
kam es in Cochabamba zu Protesten, Aufständen
und Toten, nachdem die Regierung das Kriegsrecht
verhängt hatte und auf die Protestierenden
scharf geschossen wurde. Die Mitarbeiter von
Bechtel „flüchteten“ und
die Wasserprivatisierung musste rückgängig
gemacht werden. Das war im Jahre 2000.
Weniger
bekannt ist, dass derzeit noch eine Klage von
Bechtel bei der WTO-Schiedsstelle
(World
Trade Organisation) anhängig ist, mit
der Forderung auf 25 Mill. US-Dollar Schadensersatz
wegen entgangenem
Gewinn. Im Oktober 2003 wurde Präsident
Sanchez de Lozada wegen dieser Vorgänge
gestürzt.
Ähnliches ereignete sich in El Alto und La Paz,
ebenfalls Bolivien. Seit 1997 hatte ein
Konsortium, „Aguas
del Illimani“, unter Führung
des französischen
Konzerns SUEZ die Wasserversorgung übernommen,
die Wartung vernachlässigt und die
Preise erhöht. Seit Ende 2004 protestierten
dagegen Bürger und Nachbarschafts-
Komitees, indem sie zu tausenden die Zufahrtsstraßen
nach El Alto blockierten. Wegen der Massenproteste
sah
sich Präsident Carlos Mesa gezwungen,
am 12. Januar 2005 den Vertrag mit dem
Wassermulti zu
lösen. Daraufhin gingen zehntausende
von Bürgern
auf die Straße, um ihren Triumph
gebührend
zu feiern. Nebenbei bemerkt: an dem gekündigten
Wasserkonsortium war die Weltbanktochter
IFC (International Finance Corporation)
mit 8% beteiligt...
Aber
zu den Hintergründen: die größten
Wasservorkommen auf der Erde sind die Weltmeere
und somit Salzwasser. Nur ca. 0,6 % sind für
uns erreichbare Süßwasservorkommen.
Süßwasser kann aus Oberflächenwasser
bezogen werden, also aus Seen und Flüssen,
aus Quellen oder aus Brunnen. (Meerwasserentsalzung
ist in dieser Prozentangabe nicht enthalten.) Den
geringen Süßwasservorkommen steht ein
steigender Verbrauch durch Bevölkerungszunahme,
industrielle Verwendung, landwirtschaftliche Nutzung,
Verschwendung und Verschmutzung gegenüber.
Was
für die einen zum Schicksal und Verhängnis
wird, ist für die anderen eine Goldgrube,
eine Ressource, die immer höhere Gewinne durch
Verknappung verspricht: „Wasser wird im 21.
Jahrhundert das werden, was das Öl im 20.
Jahrhundert war“, so die Prognose des US-Wirtschaftsmagazins
FORTUNE im Jahr 2000. Diese Aussage ist umso verständlicher,
wenn man das Wesen des Wassers im Verhältnis
zu allen Lebewesen bedenkt; Wasser ist durch nichts
in der Welt zu ersetzen und eine absolut zwingende
Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen.
Deshalb sind wir, um zu (über)leben, zwingend
auf Wasser angewiesen und in letzter Konsequenz
bereit, jeden Preis zu bezahlen. Oder mit anderen
Worten: wir sind erpressbar. Dieser Umstand blieb
den Börsianern nicht verborgen und führte
zu der nachdrücklichen Empfehlung der Analysten,
in Konzerne zu investieren, die mit Wasserversorgung
befasst sind. Die Gewinne der „Water Grabber“ (Wasser-Grabscher)
bewegen sich in Milliardenhöhe, Tendenz steigend.
Unterstützt
werden die Aktivitäten
der Konzerne im Wassermarkt von verschiedenen
Institutionen
und Organisationen:
-
Weltbank
und IWF (internationaler Währungsfond)
betreiben schon seit den achtziger Jahren mit ihren „Strukturanpassungsprogrammen“ (SAP,
structural adjustment programme) Wasserprivatisierungspolitik,
indem sie z.B. die Vergabe von Krediten an die
Bereitschaft des Empfängerlandes koppeln,
die Wasserversorgung zu privatisieren.
-
Die 1995 mit der Gründung der WTO in Kraft
getretenen GATS Abkommen (General Agreement on
Trade in Services / Handel mit Dienstleistungen)
zielen auf die Privatisierung fast aller Dienstleistungen
in den 147 Mitgliedsländern ab und dabei besonders
auf den Sektor der Daseinsvorsorge (Public Services)
und der Wasserversorgung.
-
Die
Europäische Union (EU) verschärft
die Lage erheblich, indem sie in den laufenden
GATS-Verhandlungen (offers
and requests) von 72
Ländern die Marktöffnung für
Wasserprivatisierung
fordert (requests).
Die größten Wasserkonzerne haben ihren
Sitz in Europa:
-
Suez
Lyonnaise; Véolia; Danone; SAUR in
Frankreich
-
RWE
/ Thames Water / American Water Works; Aqua
Mundo; Berlinwasser;
Gelsenwasser; in Deutschland
-
Biwater;
Severn Trend und United Utilities in Großbritannien
und
-
Nestle
in der Schweiz
-
Dazu
kommen noch zwei Schwergewichte aus den USA:
Bechtel und Coca Cola.
Aber
auch innerhalb der EU droht den Kommunen die „Enteignung“ ihrer Wasserversorgung. Über
verschiedene Strategien - EU Verfassung, Grünbuch,
Weißbuch und Binnenmarktrichtlinien - versuchen
Kommission und Ministerrat die Privatisierung der „Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse“ (was immer auch
damit gemeint sein mag ...) zu erzwingen. Über
10.000 in Brüssel akkreditierte Lobbyisten und „pressure
groups“ aus der Wirtschaft
sind täglich fleißig bei der Arbeit,
haben die Politik fest im Würgegriff und sind
in zahlreichen so genannten „Runden Tischen“ organisiert.
Um nur einige dieser „think tanks“ zu
nennen: ERT (European Round Table on Industrialists),
TABD (Trans Atlantic Business Dialogue), ESF (European
Service Forum) sowie viele andere.
Hinzu kommt, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte
durch Unterzeichnung diverser EU-Verträge die Souveränität der Mitgliedsstaaten
soweit ausgehebelt wurde, dass ein
Mitentscheiden „von
unten“ kaum noch möglich
ist. Oder mit anderen Worten: der
demokratische Prozess,
bei dem die Stimme des Souveräns,
des Bürgers,
in einem vermittelbaren Zusammenhang
zu einer Entscheidung steht, wurde
abgeschafft.
EU-Recht
bricht das Recht der Mitgliedsstaaten. Die Entscheidungsgewalt
auf EU-Ebene
liegt bei der Kommission und dem Ministerrat.
Das Ziel
der so genannten Lissabonstrategie ist es, die EU „zum wettbewerbsfähigsten
und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum
der Welt“ umzubauen.
Die dazu notwendige Grundlage liefert
die europäische
Verfassung, die in erschreckender
Weise wirtschaftliche Interessen vertritt,
sowie eine Aufrüstungsverpflichtung
und mögliche weltweite militärische
Einsätze unter EU-Oberbefehl
festschreibt.
Am
29.Oktober 2004 wurde diese Verfassung von den
Regierungschefs
voller Stolz unterzeichnet,
die Ratifizierung durch die Mitgliedsländer
soll folgen. Deutschland spielt eine führende
Rolle bei der Umsetzung dieser Ziele. Aber nicht
nur dies.
Deutschland nimmt, neben Frankreich und Großbritannien,
den Pionieren der Wasserprivatisierung,
eine Sonderrolle ein insofern, als dass die deutschen
Ministerien BMZ (Bundesministerium
für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung) sowie das BMWA (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit)
mitunter die aggressivsten Architekten
der Wasserprivatisierung auf EU-, aber auch auf der WTO-Ebene sind: mehrere
hundert Millionen Euro werden über „Entwicklungshilfe-Töpfe“ investiert,
um deutschen Konzernen den Einstieg in die Wasserversorgung
in der Dritten Welt und auch in EU Ländern
zu erleichtern. Das BMZ bietet den Konzernen geradezu
einen „Zauberkasten“ an Hilfen an:
Kredite, „Versicherungsfazilitäten“,
Hermesbürgschaften, Auslandsbüros als
Stützpunkte, die deutschen Botschaften als
Anlaufstellen, Gewinnabsicherungen und Tipps, wie
man das Vertrauen der Entscheider im Ausland gewinnen
kann. Unter dem Deckmantel der „Hilfe“ soll
eine „schlagkräftige deutsche Wasserwirtschaft“ (Dr.
Uschi Eid, Staatssekretärin im BMZ) aufgestellt
werden, die den beiden weltweit größten
Wasserkonzernen (Suez und Véolia, Frankreich)
Paroli bietet, oder diese sogar überrundet.
Bekannte Organisationen wie: GTZ (Deutsche Gesellschaft
für technische Zusammenarbeit), KFW (Kreditanstalt
für Wiederaufbau), DEG (Deutsche Investitions-
und Entwicklungsgesellschaft mbH), Europäische
Zentralbank und andere leisten dabei loyale Hilfe.
Diese
moderne Art der Kolonialisierung
wird verständlicher,
wenn man bedenkt, in welch katastrophaler Lage
sich Deutschland in ökonomischer Hinsicht
befindet. Die Zinsen können bei einer Staatsverschuldung von über 1.300
Milliarden Euro kaum noch bedient
werden, die Arbeitslosenzahlen werden zwingend
weiter steigen und nur noch zügelloses Wachstum oder ein Krieg könnten einen wirtschaftlichen
Kollaps abwenden. Deutschland hat ein sehr hohes
Preisniveau und verfängt sich möglicherweise
selbst in genau den neoliberalen Fußangeln,
die es selber mit ausgelegt hat. Der Kampf um die
Standorte ist bereits voll entbrannt. Dies alles
erklärt, warum ein so großes Interesse
an der Vermarktung der Daseinsvorsorge, den bisher öffentlich
erbrachten Dienstleistungen und nicht
zuletzt an der Wasserversorgung besteht.
Besonders
feinsinnig sind auch die Strategien,
mit denen die Seilschaften aus Politik und Wirtschaft
in den Bereich der Zivilgesellschaft vorstoßen,
um für die wirtschaftlichen Expansionspläne
breite Akzeptanz und vor allem ein
vertrauenswürdiges
Klima herzustellen. Eine der jüngsten
Aktionen ist der „Multi
Stakeholder Review“,
eine weltweite „Studie“,
die klären
soll, ob und wo Wasserprivatisierung „sinnvoll“ ist.
Gleich scharenweise werden NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen)
mit eingebunden. Das Tagesgeschäft
liegt bei der „Hilfsorganisation“ WATER
AID (Großbritannien)
und wesentliche Finanziers sind die
deutsche GTZ sowie RWE / Thames Water,
der weltweit drittgrößte
Wasserkonzern.
Der Slogan „Water
is a human right“ wird
in dieser Kampagne mit dem „Milleniumsziel
2015“ verknüpft, bei dem bis 2015 die
Anzahl derer halbiert werden soll, die keinen Zugang
zu Trinkwasser haben (UN Umweltkonferenz 2000).
Zur Erreichung dieses Ziels wird von Weltbank,
BMZ und Konzernen eine Summe genannt, 180
Milliarden US-Dollar jährlich, die nötig sei, um
dieses Ziel zu erreichen. Da die öffentlichen
Hände nicht (mehr) in der Lage seien, dieses
Geld aufzubringen, müsse man nun auf die Investitionsbereitschaft
der Konzerne setzen.
Das
würde aber die Konsequenz nach sich ziehen,
dass verbunden mit dieser „Hilfe“ die
Verfügungsgewalt über das Wasser auf
die Konzerne übergeht - und diese Millionen-Profite
erwirtschaften würden, durch Ausnutzung der
Zwangslage derer, die das Wasser zum Leben benötigen.
Nebenbei:
In unserem Rechtsystem würde man
das Erwirtschaften von Gewinn unter Ausnutzung
einer unumgänglichen Notlage von Menschen
als sittenwidrig qualifizieren.
Es
gibt aber noch weitere Gesichtspunkte, die im
Zusammenhang
mit einer sich verschärfenden
Wassersituation zu erwähnen sind:
-
Bislang
wurde der kommunalen Wasserversorgung immer
eine hohe Bedeutung beigemessen, weil die
Wasserversorgung gewissermaßen
die Lebensader der Bewohner
darstellt und durch sie
gestaltbar
sein muss. Man spricht
hier auch von einem natürlichen
Monopol. Wenn
nun dieses Monopol durch
ein privates ersetzt
wird, so ist nicht mehr
das Wohlergehen
der Gemeinde das oberste
Ziel, sondern die Profitmaximierung
der Konzerne, die die
Wasserversorgung übernommen
haben! Also zwei Zielsetzungen, die sich unvereinbar
gegenüberstehen müssen. Die bis jetzt
gemachten Erfahrungen mit der Wasserversorgung
durch die Konzerne zeichnen ein klares Bild: die
Wasserpreise steigen, die Erhaltungsinvestitionen
für die Pflege des Leitungsnetzes werden abgesenkt,
und die Wasserqualität sinkt. Es treten soziale
Spannungen auf, bis hin zu gewalttätigen
Auseinandersetzungen.
Wie z.B. in Cochabamba
/ Bolivien.
Die Vernachlässigung der Rohrleitungsnetze
bringt aber auch Umweltprobleme mit sich: in Großbritannien
zum Beispiel sind Wasserverluste von
bis zu 50 % durch Leckagen
zu verzeichnen. Damit
erhöht
sich der absolute Wasserverbrauch drastisch, ohne
dass der Verbraucher daraus einen Nutzen ziehen
könnte und dies
bei einem knapper werdenden,
lebensnotwendigen Gut.
Hinzu kommt, dass durch
die Leckagen die
Verunreinigung des Wassers
zunimmt. In der Kosten-Nutzen
Rechnung eines Konzerns
schlägt
der Wasserverlust weniger zu Buche als die Beträge,
die in eine sorgfältige Reparatur investiert
werden müssten. Immer wieder musste letztlich
die öffentliche
Hand die Sanierung der
Wassersysteme bezahlen,
nachdem
ein Konzern seinen Instandhaltungsverpflichtungen
nicht nachgekommen war.
-
Ein
anderer Gedanke: bei Wasserknappheit versucht
eine Gemeinschaft, Wasser zu sparen. Der
Wasserkonzern hat das gegenteilige
Interesse, nämlich über
einen möglichst hohen
Wasserverbrauch mehr Gewinn
zu erzielen!
-
Ökonomisch
gesehen entsteht kein Vorteil für
die Bürgerschaft,
weil sie bei jeder Rechtskonstruktion,
wie PPP (public private
partnership)
oder Vollprivatisierung, immer den Profit für
den Konzern mitbezahlen muss; entweder
direkt, über
die Gebührenabrechnung,
oder
aber indirekt, über
Steuern,
bzw. über öffentliche
Mittel.
Würde
also
die Gemeinde
die genau
gleiche
Leistung
in Eigenverantwortung
erbringen,
so würde
sich
der Wasserpreis
um
die Gewinnmarge senken,
die der
Konzern
einstreicht.
Mit anderen
Worten:
es gibt
keinen
Konzern,
der aus
humanitären
Gründen
eine
Wasserversorgung
aufbaut.
Vielmehr
engagiert
er sich,
um einen
satten
Gewinn
zu machen.
Eine
Gewinnmarge
also,
die der
Verbraucher
zusätzlich
zu den
tatsächlichen
Kosten
bezahlen
muss.
Im Gegensatz
dazu
kann
eine öffentliche
Wasserversorgung
nach
dem Kostendeckungsprinzip arbeiten,
oder
sogar
mit ihren Überschüssen
noch
andere
Einrichtungen
einer
Kommune
unterstützen
(Quersubventionierung).
Wegen
der desolaten
Finanzsituation
der Kommunen
ist diese Überlegung
wichtig.
-
Selbst
die größten Wasserkonzerne
haben nicht die Eigenmittel, um für ihre umfangreichen „Wasser-Einkaufstouren“ gerüstet
zu sein. So hat RWE zig Milliarden Euro Darlehen
bei Banken aufnehmen müssen, um zunächst
Thames
Water (Großbritannien) und danach
American
Water
Works (USA) aufkaufen zu können,
mit der Folge,
dass der
Einfluss auch der
finanzierenden
Banken auf die Wasserversorgung zunimmt.
-
Konzerne
haben aber auch gemeinsame Interessenslagen wie
z.B. die, dass sie einen echten Wettbewerb
im Wassergeschäft,
ein „race to the
bottom“ (Preiskampf) vermeiden wollen
und deshalb
Oligopole
bilden. Mit
solchen Absprachen
können maximale Profite erzielt werden, übrigens
nicht nur im Wassersektor. Ein echter Wettbewerb
wird zwar dauernd als für die Bürger
vorteilhaft angepriesen, nur findet er in der Realität
nicht statt. Ein Wettbewerb bei der Wasserversorgung
ist ohnehin abwegig, schon aus hygienischen Gründen.
Ein echter Wettbewerb bei der Stromversorgung,
der möglicherweise sinnvoll ist, kann aber
gerade nur dann entstehen, wenn die Kommunen nicht
privatisieren, sondern ihre Infrastruktur behalten
und sich damit für faire Durchleitungsentgelte
einsetzen können. Das bedeutet, dass sich
noch nicht einmal das Kernargument der Neoliberalen,
nämlich der Wettbewerb, durch Privatisierung
bei der Daseinsvorsorge stützen lässt.
-
Die
Behauptung von Weltbank und Konzernen, durch
Wasserprivatisierung könne die Wasserversorgung
der Ärmsten in ländlichen Gegenden sichergestellt
werden, findet in der Realität keine Bestätigung.
Vielmehr betätigen sich die Konzerne besonders
gerne in Megametropolen, in denen eine verwertbare
Infrastruktur bereits vorhanden und eine zahlungsfähige
Kundschaft zu erwarten ist. In ländlichen
Gegenden hingegen bleiben die Bewohner weiter ohne
Wasser, weil sich der Anschluss für die Konzerne
nicht lohnt. Aber selbst in den Großstädten
kann das Wasser versiegen: der Wasserhahn ist da,
der Verbraucher kann aber wegen überhöhter
Preise nicht mehr bezahlen. Wegen Nichtzahlung
der Rechnung wurde zum Beispiel tausenden von Haushalten
in Großbritannien der „Wasserhahn“ zugedreht.
-
Besonders
kritisch ist - neben Wasserpreis und Qualität - auch der Verlust an demokratischem
Einfluss und Selbstbestimmung einer Gemeinde durch
eine Privatisierung des Wassers. Die neoliberalen
Verfechter verweisen zwar auf die Möglichkeit,
per Gesetz und Vorschriften den privaten Konzern „in
Schach zu halten“, die Erfahrungen sprechen
aber eine andere Sprache. So wurde z.B. RWE/Thames
Water in Großbritannien über zwanzig
Mal zu hohen Geldstrafen verurteilt, was aber nicht
zu einer nennenswerten Verhaltensänderung
des Konzerns geführt hat. Daraus folgt, dass
eine von einem Gericht verhängte Geldstrafe
für einen großen
Konzern kein wirkliches
Problem darstellt.
-
In
vielen Fällen wurde deutlich,
dass Wasserprivatisierung
mit Korruption einhergeht.
Wenn einmal
die Wasserversorgung an Private übergegangen
ist, ist für die „Vetternwirtschaft“ Tür
und Tor geöffnet. Die Bürgerschaft kann
kaum noch nachvollziehen, welche finanziellen Transaktionen
zu wessen Vor- oder Nachteil durchgeführt
wurden.
So hat z.B.
RWE/Thames
Water 1997
den
Zuschlag für die Wasserversorgung in Jakarta / Indonesien
dadurch bekommen, dass Familienmitglieder des Diktators
Suharto mit erheblichen Anteilen an der neuen Wasserversorgungsgesellschaft
Pam Jaya ausgestattet wurden. Oder: die Wasserprivatisierung
von Grenoble kam zustande aufgrund einer Bestechung
des Bürgermeisters in Millionenhöhe.
Der Vertrag wurde nach Bekannt werden der Affäre
rückabgewickelt.
In Deutschland
ist, vergleichend
betrachtet,
eher die „weiße
Korruption“ verbreitet.
Bei dieser
Form der Vorteilsgewährung,
also dem Gefügigmachen der politischen Entscheider
durch - leider legale - Zuwendungen gibt es verschiedene
Modelle: gut bezahlte Aufsichtsratsmandate, „Beraterverträge“,
oder schlicht Ämterpatronage, bei der z.B.
der politische Entscheider oder jemand aus dem
Freundeskreis später einen lukrativen Posten
in dem privatisierten Unternehmen erhält.
-
Traditionell sind Verträge mit Wasserkonzernen
geheim,
wodurch bereits
grundsätzlich der
kontrollierende Einfluss der Bürgerschaft
unterbunden und die demokratische Teilhabe unterlaufen
wird. Man könnte auch sagen: die politischen
Entscheider begehen Interessensverrat, weil sie
ihrem Auftraggeber, dem Bürger,
Fakten vorenthalten,
zugunsten
von Unternehmens-Interessen.
Diese Art
von Interessensverrat wird
immer häufiger
stillschweigend hingenommen.
-
Besonders
deutlich wird derzeit das Bangen um rechtliche
Auseinandersetzungen am Beispiel
der CBL-Geschäfte (Cross
Border
Leasing, auch
service contract oder lease in lease out genannt):
in Hunderten von Fällen wurden in den letzten
Jahren Scheingeschäfte abgeschlossen zwischen
einem US-Investor und Kommunen in EU-Staaten, bei
denen ein Investor Infrastruktur für 99 Jahre „mietet“ (z.B.
die Abwasserentsorgung einer Stadt, die Trinkwasserversorgung
oder die Straßenbahnen) und an die Kommunen
wieder „zurückver¬mietet“. Über
die vorgetäuschte Auslandsinvestition ergeben
sich Steuerersparnisse in Milliardenhöhe.
Der Steuerausfall in den USA wird auf ca. 10 Milliarden
US-Dollar pro Jahr geschätzt. Die „Beute“ wird
unter den Akteuren verteilt. Die Verträge
unterliegen strenger Geheimhaltung. Seit Oktober
2004 ist nun klar - nachdem sich Senat und Repräsentantenhaus
auf einen Gesetzesentwurf geeinigt haben -, dass
CBL Geschäfte verboten sind. Die Behandlung
bereits bestehender CBL Verträge ist noch
nicht umfassend geklärt. Auch beginnt nun
das große Bangen in den Kommunen, weil befürchtet
wird, dass der US-Investor versuchen könnte,
sich durch den Nachweis von Vertragsverletzungen
bei bereits abgeschlossenen Verträgen
schadlos
zu halten.
-
Ein
weiteres Problem besteht darin - um bei den
rechtlichen Fragen zu bleiben - dass in
mehreren
Fällen ein privater Betreiber in
Konkurs
ging oder „geschluckt“ wurde,
und damit
auf einmal die Anteile an einer Wasserversorgung
in
aller
Welt verstreut sind. Mögliche Ansprüche oder Forderungen
gegenüber den neuen Eigentümern
sind fast
nicht durchsetzbar. An dieser Überlegung
zeigt sich,
dass eine Kommune kaum in der Lage wäre,
einen längeren Rechtsstreit gegen
einen „Global
Player“ durchzustehen,
weil sie
nicht für
die Dauer
eines
Rechtsstreits
auf die
Wasserversorgung
verzichten
kann.
Die Konsequenz:
eine
Kommune macht
sich
durch
den Verkauf
ihrer
Wasserversorgung
erpressbar.
-
Wasserversorgung
findet nicht immer über
Hausanschlüsse statt. In besonders armen Gegenden
werden auch Water-meter, oder pre-paid Systeme
installiert, bei denen ein Wasserhahn im Dorf steht
und die Bewohner mit einer vorher bezahlten Kreditkarte
Wasser aus dem Wasserhahn entnehmen können.
Oft haben die Nutzer nicht das nötige Geld
und versuchen, die Leitung anzubohren. Wenn der
Wasserkonzern dies bemerkt, setzt er polizeiliche
Maßnahmen ein oder stellt ganz einfach die
Wasserleitung für das entsprechende Dorf ab,
sodass die Bedürftigen sich nur noch über
längere Wege das Wasser in Kanistern besorgen
können.
-
Immer
populärer wird das Abfüllen
von Wasser
in
Flaschen, weil für die Konzerne
klar ist, dass sich ihr Profit nochmals um viele
hundert Prozent steigern lässt. Die Konzerne
suchen sich dazu entsprechende Orte auf dem Globus,
an denen sie (meist über Brunnenbohrungen
/
tube
wells) an das Grundwasser kommen und über
eigene Fabriken das Wasser abfüllen
und
teuer
verkaufen.
So
hat
z.B.
Danone
im
Jahr
2002
eine
solche
Wasser-Flaschen-Abfüll-Fabrik
in der Nähe von Solo / Indonesien errichtet.
Die Lastwagen mit den Wasserflaschen verlassen
dort fast im 5-Minuten-Takt das Gelände. Besonders
umstritten ist derzeit die Wasserflaschenabfüllung
von Coca
Cola
in
Kerala
/
Plachimida
/
Indien,
wo den in extremer Armut lebenden Indern der Zugang
zu ihrem vormals „eigenen Wasser“ verwehrt
wird. Hinzu kommt, dass durch die immer tiefer
gebohrten Brunnen (teils mehrere hundert Meter)
der Grundwasserspiegel immer weiter absinkt. Die
Folge: die Landwirtschaft im Umfeld bricht zusammen,
weil die kleineren Brunnen und Wasserstellen versiegen.
Hunderte solcher Tiefbrunnen wurden auch im Rahmen
der „Entwicklungshilfe“ gebohrt, auch
finanziert von der Weltbank, mit dem Ergebnis,
dass tausende Quadratkilometer ehemals fruchtbaren
Landes verödeten (Desertifikation).
-
Sicherlich
ist auch eine Überlegung
in diesem Zusammenhang nicht ganz unberechtigt:
Es könnte durchaus der Interessenslage eines
Wasserkonzerns entsprechen, wenn das Leitungswasser
(Tap Water) nicht allzu gute Qualität
aufweist,
weil
dadurch
der
Umsatz
mit
dem
zwangsläufig erhöht
werden
kann.
-
Es
gibt aber trotz des sehr ernsten Themas auch
manchmal Anekdoten zum Schmunzeln: Coca
Cola,
weltweit
größter Getränkehersteller, wollte
im März 2004 den britischen Markt mit einem
neuen Mineralwasser namens DASANI aufmischen („höchste
Qualität“). Die Markteinführung
kostete über 10 Mill. Euro und die Dollarzeichen
klingelten in den Augen der Coca-Colaner, als sich
herausstellte, dass das „Mineralwasser“ lediglich
aus einem Wasserhahn im Vorort Sidcup kam. Preis
pro Liter als DASANI „Mineralwasser“: € 2,80.
Das gleiche Wasser als Leitungswasser: 0,076
Cent.
-
Um
an die Wasserressourcen heranzukommen, hat
bereits auch der Kampf um die Oberflächengewässer begonnen: in Indien wurde ein Teil des Flusses
Shenoath verkauft. Die Bevölkerung, die seit
Generationen gewohnt war, am Fluss Wasser zu holen
und Wäsche zu waschen, wurde mit Polizeigewalt
vertrieben, und nach härteren Auseinandersetzungen
musste zumindest diese Privatisierung wieder rückgängig
gemacht werden. Derzeit laufen Vertragsverhandlungen
mit Suez über den Verkauf eines Teils des
Ganges, dem heiligen Fluss, der für die Inder
zudem eine rituelle Bedeutung hat. Im Visier sind
ebenfalls Flüsse im Amazonasgebiet in Südamerika,
dem größten zusammenhängenden Süßwasservorkommen
weltweit.
George
Bush plant
derzeit, Wasser
aus Kanadischen
Flüssen mit der Energie von neuen Kernkraftwerken
in die USA zu pumpen, weil in den USA das Wasser
knapp wird. Er zählt
das Wasser
in Kanada
zu den strategischen Ressourcen der USA.
-
Nicht
direkt im Zusammenhang mit Leitungswasser,
doch aber im Zusammenhang mit der Frage nach
der
künftigen (un)gerechten Verteilung von Wasser
steht der Kampf gegen Groß-Staudämme.
Neben einer kaum beschreibbaren Umweltzerstörung
und Überflutung von hunderten von Dörfern,
kann mit Stau-dämmen auch Wasser „reguliert“ werden.
So ist derzeit der Großstaudamm „Ilisu“ in
der Türkei in Planung, in der Nähe der
syrischen Grenze, verbunden mit der potentiellen
Gefahr, dass die Türkei dem Nachbarland Syrien
- und folglich auch dem Irak - das Wasser „abdrehen“ kann.
Alle drei Länder
leben von Euphrat und Tigris
und nach internationalem
Recht besteht
deshalb
Konsultationspflicht.
Die
faktische Machtausübung ist aber stärker
als der Wille zur Verständigung. Syrien ist
bereits jetzt schon in der Situation, bis zu 500
Meter tief bohren zu müssen, um an Wasser
zu kommen, vom Irak einmal ganz abgesehen. International
betrachtet ist es schon längst an der Tagesordnung
in der Wasserfrage nötigenfalls auch gewaltsam
Interessen durchzusetzen. Es gibt derzeit in der
Welt mehr als 40.000 Staudämme mit einer Staumauerhöhe
von über 15 Metern. Weitere Projekte sind
in Planung. Die zerstörerischen Auswirkungen
auf Natur und Umwelt haben die Politiker noch nicht
zu einem Umdenken bewegen können.
Fazit: Die Wasserversorgung ist als so sensibel anzusehen,
dass sie in keiner Weise in spekulative
oder Profitorientierte Geschäfte verwickelt
werden darf, weil die möglichen Risiken nicht
hinnehmbar sind.
Mögliche Lösungsansätze
und Alternativen in der Wasserfrage:
-
Das
erste und wichtigste Ziel sollte die Information
und Aufklärung über Wasser-fragen
sein, auf jeder Ebene, in Schulen, Universitäten,
durch Veranstaltungen, Vorträge und
Seminare.
-
Jede
Art von Verkauf der Wasserversorgungssysteme,
Wasserressourcen, Quellen, Flüsse, Seen
und Bohrrechten an private Konzerne sollte gestoppt werden,
weil Konzerne grundsätzlich
eine andere Zielsetzung haben, die der notwendigen
Selbstbestimmung
der Nutzer entgegensteht.
-
Da,
wo Ressourcen oder Versorgungseinrichtungen
bereits privatisiert wurden, sollten diese
rekommunalisiert werden. Je weiter die Verschachtelung und
Diversifizierung
der Konzerne voranschreitet, desto schwieriger
wird eine spätere Rückabwicklung.
-
Cross-Border-Leasing und ähnliche
Verträge sollten nicht abgeschlossen, und
da, wo bereits gültig vereinbart, möglichst
bald rückabgewickelt werden. Wegen der neuen
Gesetzeslage in den USA stehen die Chancen gut,
dass der Investor zu einer Rückabwicklung
bereit ist. CBL Geschäfte und Scheingeschäfte
generell, zur Steuerumgehung, sind nicht die Lösung
der Finanzkrise von Kommunen und Staaten, sondern
wesentliche Ursache derselben. Oder im Volksmund
gesprochen: „was Du nicht willst, das man
Dir tu, das füg auch keinem Anderen zu“ ein
ethischer Grundsatz
aus
den Zeiten des Konfuzius,
der aber hochaktuell geblieben ist.
-
Bezüglich der WTO, bzw. der GATS Abkommen gibt es eine „kleine
Lösung“:
die Herausnahme der Wasserver- und Entsorgung,
sowie jegliche Nutzung von Wasser aus Seen, Flüssen,
Brunnen und Quellen aus den GATS Verhandlungen.
Dieser Schritt wäre besser als nichts. Das
Problem: die WTO ist so konstituiert, dass sie
bei nächster Gelegenheit wieder zugreifen
und auf anderem Wege versuchen wird, ihr Ziel einer
Wasserliberalisierung zu erreichen. Die Länder
der dritten Welt haben nicht den Hauch einer Chance,
wirklich in „Augenhöhe“ innerhalb
der WTO ihre Interessen durchzusetzen. Die WTO
ist ein nicht reformierbares und von der Grundkonzeption
fehlgeschlagenes Unternehmen, weil sie Wirtschaftsinteressen
der stärkeren Länder durchsetzt, zum
Nachteil der schwächeren Länder.
Große Lösung: Als sicheren Weg in der
Wasserfrage gibt es nur die Option, die WTO als
nicht reformierbar zu betrachten und sie zu verlassen.
Die Gründe sind weitreichend: Eingegangene
Verpflichtungen eines Mitgliedstaates sind kaum
umkehrbar, was im Falle der Wasserversorgung nicht
hinnehmbar ist. Zum anderen hat die WTO eine schwere
Schlagseite, indem sie besonders die Interessen
der mächtigsten Länder vertritt (Europa,
USA, Japan, Kanada). Deshalb sollte die Stellung
der WTO als „Welt-Obergesetzgeber“ – und
Schiedsstelle in Personalunion – weder akzeptiert
noch gestärkt oder ausgeweitet werden. Gerechtigkeit
in der Wasserfrage kann nur einkehren, wenn die
Menschenrechte, die soziale Frage und der Umweltschutz
vorrangig vor Wirtschaftsinteressen vereinbart,
verankert und durchgesetzt werden. Das erscheint
derzeit am ehesten über die (dringend reformbedürftige)
UNO möglich. Oder über eine neu zu gründende
Organisation, die von ihren demokratischen Qualitäten
der UNO überlegen sein müsste.
Auch
Weltbank und IWF (Internationaler Währungsfonds
/ IMF, International Monetary Fund) sind ähnlich
kritisch zu sehen und völlig ungeeignet, um
in der Wasserfrage hilfreich wirken zu können.
Um nur ein Argument zu nennen: die Stimmgewalt
verhält
sich
proportional
zu
den
Einlagen
der
Mitgliedsstaaten,
sodaß wieder einmal die Mächtigen das
Sagen haben und ihre Interessen durchsetzen. Mit
Ungerechtigkeit kann keine Gerechtigkeit hergestellt
werden, ebenso wenig wie im Irak durch Bomben Frieden
herbeigebombt werden kann.
-
Auf
der EU-Ebene sieht es ähnlich
aus: mit der Unterzeichnung der diversen Verträge
in den letzten Jahrzehnten wurde ein Gebilde mit
totalitären Tendenzen geschaffen, eine Art
Supranationalstaat, dessen Gesetzgebung die Selbstbestimmung
der Mitgliedsstaaten bricht und damit deren Souveränität
unterläuft. Das Ziel einer gerechteren Welt
ist aber nur durch eine Weiterentwicklung der Demokratie
zu erreichen, hin zu mehr Partizipation und Selbstbestimmung.
Wirkliche Demokratie muss auf dem Prinzip der kleinsten
Einheit aufbauen, also auf dem Prinzip der höchstmöglichen
Selbstbestimmung auf der untersten - der kommunalen
Ebene. Man könnte auch sagen, eine Art Subsistenzprinzip,
also das Regeln möglichst all dessen, was
auf lokaler Ebene geregelt werden kann. Also dort,
wo der direkte Bezug zwischen der Daseinsvorsorge
und den direkt Betroffenen, den Bürgern einer
Stadt besteht. Die Architektur der EU ist so ziemlich
das genaue Gegenteil: ein Mega-Staat, in dem die
Mitgliedsstaaten aufgelöst- und wirtschaftliche
Interessen von Konzernen verfassungsmäßig
verankert und durchgesetzt werden sollen. Der hohe
Liberalisierungsdruck der EU lässt
nur den Schluss zu, dass alles
denkbare unternommen wird,
um so ziemlich alle Dienstleistungen
und speziell die Wasserversorgung
zu liberalisieren.
-
Kleine
Lösung: die Herauslösung
der Wasserversorgung aus allen Liberalisierungs-,
Binnenmarkt- und Dienstleistungsrichtlinien. Allerdings
verbunden mit dem Risiko, dass schon allein durch
unklare Formulierungen („Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse...“)
jederzeit mit einem erneuten Liberalisierungsvorstoß auf
EU-Ebene zu rechnen ist.
-
Große Lösung: Austritt
aus der EU, bzw. mindestens der Austritt aus allen
EU-Verträgen, die die Selbstbestimmung im
Hinblick auf die Daseinsvorsorge tatsächlich
oder potentiell einschränken. Als Argument
lässt sich anführen, dass bei vielen
Formulierungen in der EU-Verfassung davon ausgegangen
werden muss, dass die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen
notfalls auch gewaltsam erfolgen soll, während
friedliche Koexistenz, Gewaltfreiheit, Menschenrechte
und soziale Belange eher nachrangig gewichtet sind.
So verlangt die EU-Verfassung von den Mitgliedsstaaten
zwingend die Teilnahme an weltweiten Militäreinsätzen,
z.B. „zur Krisenbewältigung“ unter
dem Oberkommando eines EU-Außenministers.
Ein solches Konstrukt ist nicht hinnehmbar, weil
die Sorge begründet
ist, dass es in der
Wasserfrage zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen
kommen
kann.
Natürlich lässt sich nun entgegnen,
dass eine „große Lösung“,
wie hier vorgeschlagen, unrealistisch ist, dass
man solch „dicke Bretter nicht bohren kann“,
dass man aus Bündnissen wie WTO oder EU nicht
aussteigen kann. Dagegen lässt sich sagen,
dass alle diese Bündnisse politisch entschieden
wurden und ebenso politisch wieder aufgelöst
werden können, wenn wir es nur wollen. Aus
der Geschichte könnten wir lernen, dass es
manchmal gut ist, eine Fehlentwicklung dann zu
korrigieren, wenn sie noch korrigierbar ist.
Zu bedenken ist immerhin:
-
wenn
auf der lokalen Ebene die Demokratie abgebaut
wird, so wie es derzeit durch die EU geschieht,
kann auf den darüber liegenden Ebenen (Land,
Bund, EU, International) niemals ein gerechter
Interessensausgleich stattfinden. Wenn die Daseinsvorsorge
an Konzerne übergeht, erzwungen durch EU-Richtlinien,
ist der Schritt zur Zerstörung lokaler Demokratie weitgehend getan. Ohne Demokratie / Selbstbestimmung
auf der untersten, der lokalen Ebene geht es nicht!
Wenn die Wasserversorgung in den Händen von
anonymen Aktiengesellschaften ist, wird es früher
oder später zu harten Auseinandersetzungen
kommen. In diesem Sinne sollte das Subsidiaritätsprinzip erhalten und gefördert werden.
-
In
einer Demokratie müssen ganz grundsätzlich
die sozialen
und ökologischen Ziel- und Rahmensetzungen durch den Bürger, den Souverän, erfolgen
bzw. über die vom Souverän demokratisch
legitimierten Organe. Innerhalb dieses Rahmens
kann sich die Wirtschaft betätigen. Die derzeitige
Entwicklung zeigt in die entgegengesetzte Richtung:
die Wirtschaft diktiert ihre Vorstellungen der
Politik in die Feder. Die Machtausstattung der
WTO bricht EU-Recht, EU-Recht bricht nationales
Recht. Das ist ein Webfehler. Die Verantwortung
für diese Fehlentwicklung liegt nicht bei
den Konzernen und auch nicht bei den Politikern.
Sie liegt bei uns Bürgern, weil wir als Souverän
der „oberste Dienstherr“ sind, vieles
nicht bemerkt, einiges nicht verstanden und uns
letztlich zu wenig um die Dinge gekümmert
haben. Je mehr die demokratische Selbstbestimmung
zerstört wird, umso schwerer wird es sein,
die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Wer sonst,
wenn nicht der Souverän selbst, sollte sich
für echte Demokratie einsetzen sollen?
Unabhängig von WTO, GATS, EU und Wasserkonzernen
bestehen diverse Wasserversorgungsprobleme, welche
es zu lösen gilt. Mögliche Schritte dazu
sind:
-
Information
-
Einüben eines sparsamen Umgangs mit
Wasser
-
jegliche
Art von Wasserverschmutzung vermeiden, jegliche
radioaktive Verseuchung radikal und zum
frühest möglichen
Zeitpunkt vermeiden
-
Regenwassernutzung
(Rainwater Harvest)
-
bei
Neubauten Doppelrohranschlüsse legen und
bei Altbauten nachrüsten,
mit
dem
Ziel,
Trinkwasser
und
Brauchwasser
parallel
je
nach
Verwendungszweck
zu
nutzen,
um
Trinkwasserverschwendung
zu
vermeiden
-
Grundwasser
nur in dem Maße entnehmen, wie
es nachfließt
(die
Regenerationszyklen
belaufen
sich
teils
auf
mehrere
hundert
Jahre)
-
möglichst viele verschiedene zur Verfügung
stehende Wasserressourcen verwenden und nicht nur
eine, die möglicherweise
am
leichtesten
zu
erreichen
ist
-
die
Wasserversorgung möglichst dezentralisieren
und nicht auf Großanlagen
setzen
-
in
der Landwirtschaft Kunstdünger vermeiden
und Tropfenbewässerung
einsetzen,
um
Wasser
zu
sparen
(Drop
Water
Irrigation)
-
in
der Abwasserreinigung low-tech Lösungen
einsetzen, wie z.B. Schilfgraskläranlagen
-
Umstellung
der Industrie von Trink- auf Brauchwasser,
besonders zu Kühlzwecken
-
Gesetze ändern, falls diese einer ökologisch,
technisch und sozial richtigen Lösung
entgegenstehen
-
Fleischkonsum stufenweise reduzieren, weil der
Wasserverbrauch für 1 Kilo Fleisch tausend
mal höher ist, als für 1 Kilo Gemüse
-
alle
Konzepte so auslegen, dass bei der Wasserfrage
jeweils auch Pflanzen und Tiere in ihrem natürlichen
Umfeld mit bedacht werden. Wenn Planungen dies übersehen,
stehen bereits die nächsten Probleme vor der
Tür
-
Beibehaltung
des Solidargedankens in der Daseinsvorsorge.
Das neue, neoliberale Prinzip „Jeder kümmert
sich um sich selbst“ wird ohnehin aus ökonomischen
Gründen scheitern und speziell in der Wasserfrage
zu weiteren Katastrophen führen
-
Kaufboykott
von Getränken solcher Hersteller,
die sich als „Wasser-Grabscher“ betätigen,
sofern
sich
die
Konzerne
im
Hintergrund
identifizieren
lassen
(z.B.
ist
das
Tafelwasser
BON
AQUA
von
Coca
Cola,
PURE
LIFE
von
Nestle
etc.)
-
Die
meisten Konzerne sind so genannte „Multi
Utility“ Konzerne, die neben Wasser auch
oft Strom, Gas und andere Dienstleistungen oder
Verbrauchsgüter anbieten. Deshalb ist es sinnvoll,
immer dann, wenn (noch) eine Wahlmöglichkeit
besteht, zu alternativen Energieversorgern zu wechseln.
Um ein konkretes Beispiel zu geben: in Baden Württemberg
mobilisiert das Stuttgarter Wasserforum zum Stromwechsel
vom EnBW Konzern zu den Schönauer Elektrizitätswerken,
die
Strom
aus
umwelt-
freundlichen
und
regenerativen
Energiequellen
verkaufen.
Die
Entscheidungsmacht
hinter
der
EnBW
AG
hingegen
liegt
bei
der
EDF
(Eletricite
de
France),
einem
der
größten Atomstrom-Betreiber. Gut
ist, wenn die Verbraucher sich ihrer Entscheidungsmacht
bewusst sind und sie einsetzen. Ein Stromwechsel
zu den Schönauer Elektrizitätswerken
ist z.B. in ganz Deutschland möglich.
-
In
letzter Konsequenz ist die Wasserfrage (und
die der Daseinsvorsorge generell) nur über
eine weiterentwickelte Demokratie zu lösen.
Die Durchführung von Bürgerentscheiden
und Volksentscheiden muss so selbstverständlich
werden, wie die Abschaffung der Sklaverei. Die
Teilnahme am Entscheidungsprozess muss wichtiger
werden als die Entscheidung selbst. Einen Weg dorthin
weist der Bürgerhaushalt von Porto Alegre
/ Brasilien (Orcamento Participativo) bei dem sich
die Bürger in den Stadtteilen beraten und
ganz konkret Entscheidungen treffen, auch über
Investitionen!
Dritte-Welt-spezifische Überlegungen:
-
Aufkündigung
von Verträgen mit privaten
Konzernen
-
Kein
Einleiten von Abwasser in Flüsse, die
gleichzeitig für Trinkwasser genutzt werden;
für das Abwasser Einfachstkläranlagen
errichten
(Schilfgras)
-
im
Bedarfsfall (z.B. Anlagenbau) Ingenieur- und
Fachwissen von Ehrenamtlichen beziehen, oder
auch bezahltes Wissen zukaufen, nicht aber
die Entscheidungsmacht über
die
Wasserversorgung
aus
der
Hand
geben
oder
sie
verkaufen
-
Annahme
von „Hilfen“ durch reiche Länder
oder Konzerne nur dann, wenn es wirklich eine Hilfe
sein soll und keine Form von Kolonialisierung,
Knebelung, Abhängigkeit oder Unumkehrbarkeit
zurückbleibt
-
keine Annahme von IWF / Weltbank-Krediten, wenn
daran für das Land schädliche Bedingungen
geknüpft
sind
(z.B.
der
Zwang
zur
Wasserprivatisierung)
-
Bildung
auf allen Ebenen, Abhalten von Kursen und Veranstaltungen,
mit dem Ziel, die einheimische
Bevölkerung selbst in die Lage zu versetzen,
die nötigen
Anlagen
zu
errichten
und
zu
betreiben
-
Meerwasserentsalzungsanlagen nur sparsam einsetzen,
da wo nötig, da ansonsten ein ökologisches
Ungleichgewicht
und
somit
ein
neues
Problem
entsteht
-
weltweites
Sammeln von Know-how und low-tech Konzepten
für
die
Wasserver-
und
Entsorgung;
Anlegen
einer
Datenbank
im
Internet,
mit
freiem
Zugang,
als open-source-Wissen
(wie
z.B.
bei
LINUX); Übersetzung
in andere Sprachen, um den Zugang zu Fachwissen über
die Sprachbarrieren hinweg zu ermöglichen
-
große
Vorsicht bei Einladungen aus reichen Ländern,
zu „Informationsveranstaltungen“,
zu Konferenzen und „neutralen“ Wassersymposien
in teuren Hotels, weil mit dieser Methode
oft der erste Schritt zu einer Wasserprivatisierung
vorbereitet
wird (Vertrauen aufbauen, Wirtschaftskontakte
knüpfen)
-
Ablehnung
und Boykott des so genannten „Welt-Wasser-Forums“ (World
Water Forum) und des WWC (World Water Council)
weil diese Institutionen vorgeben, eine gerechte,
internationale Plattform für die Wasserfrage
zu sein - in Wirklichkeit aber von den mächtigen
Konzernen
dominiert
sind.
Fazit:
Wasser
darf nur in dem Maße verschmutzt werden,
wie es auch wieder gereinigt wird.
Die
volle Verfügungsgewalt über Wasserver-
und -entsorgung muss jederzeit selbstbestimmt in
den Händen derer liegen, die das Wasser für
ihr tägliches Leben benötigen.
Die
Verfügungsmöglichkeit über
das Wasser muss an die nachfolgenden Generationen
uneingeschränkt weitergegeben werden.
Eine
Hilfe kann nur die Tat sein, die die Menschen
in den jeweiligen Regionen bei der Wasserversorgung
unterstützt, ohne ihnen die Verfügungsgewalt über
das Wasser zu nehmen.
Die
Nutzung von Wasser zur Profitmaximierung von
Konzernen oder zur Machtausübung über
andere ist abzulehnen, weil sie in letzter Konsequenz
zu einer nicht auflösbaren Gewaltspirale führen
muss.
Jens Loewe, Stuttgarter Wasserforum, Januar 2005
web: www.unser-aller-wasser.de
email: info@nwwp.de
(dieser
Artikel ist eine gekürzte Version;
der Text wurde verfasst anlässlich
des
12.
Kongresses „Mut zur Ethik“ in Feldkirch
/ Österreich, im September 2004; die vollständige
Fassung ist zu finden
unter: www.wsfw.org )
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