Pressetext:
Das Buch enthüllt auf nur 95 Seiten mehr als dicke Wälzer sich sonst abquälen. Die Autorin hat sich ein Thema vorgenommen: das Wasser, und im Prisma dieser Streitschrift werden alle Themen des ökologischen Diskurses durchgemacht. Im politischen Streit wurde und wird der Umweltbewegung Fortschrittsfeindlichkeit vorgeworfen. Ihr wurde unterstellt, sie wolle „zurück in die Steinzeit gelangen“. So bemaß man den skeptischen Realismus dieser Bewegung gegenüber den Visionen endlosen Wachstums. Schon vorab sagt die Autorin: 40 Jahre nach dem Bericht des Club of Rome muss man festhalten: Die prognostizierte Grenze der Natur sei kein „Hokuspokus wissenschaftsfeindlicher Sandalenträger, sondern ökologische und damit auch menschliche Realität.“
Das Wasser sparen sei ein ökologischer Volkssport geworden. Wir wollen gleich doppelt sparen, das kostbare Nass, also Wasser und das eigene Geld. Schon im ersten Kapitel kommt der Feind der Ökologen ins Blickfeld. In den Augen der privatisierungsversessenen Weltbank war (und ist) Deutschland mit seiner fast vollständig öffentlichen Wasserver- und Entsorgung zu Beginn der 90er Jahre ein „rückständiges Land“. Das Land habe aber aufgeholt. Es zeige sich eine „starke Tendenz weg vom kommunalen Eigenbetrieb hin zu privatrechtlichen Gesellschaftsformen“. Die Autorin entmythologisiert immer ein wenig, aber in einer sehr überzeugenden Sprache. Man muss diese wassersparenden Geräte nicht alle kaufen. Man kann das tun, aber ein „Tausch ohne Not lässt sich damit nicht begründen“. Schließlich fallen bei Herstellung einer stromeffizienten Waschmaschine auch Wasser und Energiekosten an.
Die Selbstverständlichkeit, dass wir Deutschen gegenüber den meisten Teilen der Menschheit das Privileg haben, dass wir das kostbarste Lebensmittel auch noch preisgünstig ins Haus geliefert bekommen, habe sich noch nicht richtig herumgesprochen. Der Preis von einem Liter Trinkwasser betrage aus der Leitung 0,004 Euro. Gleichzeitig habe der Flaschenwasserkonsum massiv zugenommen. Die Autorin: „Ersparnisse am Hahn werden hier unter Einsatz von Kraft, Öl und Geld im vermeintlichen Dienste der Gesundheit gern wieder ausgegeben“.
Wasser sei nicht wie Strom oder Öl. Strom verschwindet im Verbrauch. Das Haushaltswasser befindet sich in einem Kreislauf und wird nach Gebrauch und Reinigung den Wasserreservoiren wieder zugeführt.
Was steigert für uns ökologisch Gutwillige den Wasserverbrauch? Der Verzehr von Fleisch! Der Wasserverbrauch für ein Kilogramm Rindfleisch (Mast, Schlachtung, Transport) liegt bei 15.000 Litern. 6.000 Liter sind nötig, um ein Kilogramm Schweinefleisch zu produzieren. In 2012 wurden in Deutschland 1,14 Millionen Tonnen Rinder und knapp 5,5 Millionen Tonnen Schweine geschlachtet. Allein für die Produktion dieser beiden Fleischsorten würden 34 Billionen 710 Milliarden Tonnen Wasser benutzt. Das muss man nur einmal lesen, um sich zu sagen: Da gibt es kein Ausweichen mehr, Du musst Dein Leben ändern. Denn das entspricht den durchschnittlichen Konsum von 1200 Litern pro Person und pro Tag und damit das Zehnfache dessen, was wir im Haushalt täglich verbrauchen.
Wir sündigen also auch da, wo wir uns unschuldig fühlen. Wir brauchen zu viele Medikamente. Mehrere Tonnen von Arzneimittelwerkstoffen gelangen jeden Tag in die Umwelt. Eine systematische Analyse dieser Auswirkungen gibt es bisher nicht. 2009 wurden ein Drittel mehr Arzneistoffe verkauft als 2002. Der Verkauf an Schmerzmitteln ist um 26 Prozent, genauer um 545.064 Kilogramm gestiegen. Wir wissen noch lange nicht alles, aber das, was wir wissen, alarmiert uns. Warum gab es das beinahe vollständige Aussterben der indischen Geier, der Bengalengeier und Schmalschnabelgeiern, die oft in Millionenzahl in Indien, Nepal und Pakistan lebten? Ihr massenhafter Tod wurde zunächst einem unbekannten Virus zugeschrieben, dann fand man heraus, dass diese Vögel durch Diclofenac vergiftet wurden, die sie über verendete Rinder, die vorher mit diesem Schmerzmittel behandelt worden war, eingenommen hatten. Erhöhte Konzentrationen von Diclofenac wurden auch in deutschen Flüssen festgestellt.
Wir wissen das, aber wir handeln nicht danach. Seit dem Bericht des Club of Rome 1972 sind „die ökologischen Grenzen des Wachstums im Bewusstsein verankert, nicht aber im Handeln.“ Verlockend ist die Aussicht, dieses Handeln immer weiter hinauszuschieben: das nächste Jahr, die nächste Generation. So erweckt die wahnsinnige Technik der Energiegewinnung aus „Fracking“, bei dem mittels des Einfüllens flüssiger Schadstoffe in Bohrlöcher der Ertrag der Erdgas/Erdölförderung gesteigert wird, auch in Deutschland Begehrlichkeiten nach billigem Gas im eigenen Land.
Was wir noch nicht zureichend in unser Bewusstsein und Handeln eingenommen haben: Mensch- Natursystem und das ökologische System hängen voneinander ab. Wir sind mit unserem Handeln aber auch dem Wissen immer sehr spät. Die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) wurden ein halbes Jahrhundert umfangreich hergestellt und benutzt. Dann wurde die Gefahr für die Ozonschicht entdeckt. Dann braucht man 10 Jahre, das ernst zu nehmen. Dann dauerte es noch 15 Jahre, bis man die Herstellung von FCKW verbot. Und nach weiteren zehn Jahren wurde in Europa das Verbot der Anwendung dieser Stoffe auf bestehenden Anlagen ausgedehnt.
Und – das kleine Buch macht uns deutlich, was wir Verbraucher täglich erfahren. Wir wissen längst wie gefährlich das Plastik ist und wie es schon die Weltmeere verseucht und zum Sterben ganzer Meerestierarten führt, macht nichts Täglich wird der Ver- und Ge-brauch von Plastik in unseren Einkaufstaschen größer. Jetzt kommen auch die Bücher und Zeitschriften in Plastik durch den Postschlitz. Wir haben eine exorbitante Vermehrung der Produktion und des nichtsnutzigen Gebrauchs von Plastik. Es kümmert uns aber nicht, dass wir damit gegen alle Erkenntnis im ökologischen Bereich verstoßen. Die Grünen im Bundestag interessiert es auch nicht. Natürlich könnten wir wie das afrikanischen Subsahara Land Ruanda den Gebrauch und die Vermarktung von Plastik verbieten, wie es uns dieses Afrikanische Land vormacht. Der Unterschied. Wir tun es nur nicht.
Und noch eine Mahnung der Autorin, die wir achtlos weiter in den Wind schlagen. Die Natur hat nur eine begrenzte Fähigkeit, die Schadstoffe, die in sie eingeleitet werden, wieder abzubauen und unschädlich zu machen. Die WCED – die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung - schätzt, dass bei 80.000 Chemikalien pro Jahr 2000 dazu kommen. Dobner: „Auch wenn die Aufmerksamkeit für Umweltgifte in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hat, bleibt das falsche Vertrauen groß, dass das synthetisch herstellte schadlos wieder aus der Welt geschafft werden könnte.“
Und dann kam der Generalangriff vor 20 Jahren, mit der die Privatisierung der Wasserversorgung erreicht werden sollte und das hört bis heute nicht auf. Der Unfug der Privatisierung als Allheilmittel ist grenzenlos. Noch 2013 beharrte die EU Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF darauf, die städtischen Wasserwerke von Athen und Thessaloniki zum Wohl Griechenlands und zur Sanierung seiner Schulden zu privatisieren. Gott sei Dank gibt es Widerstand, das Buch beschreibt die europäische Bürgerinitiative „right2water“, die sich gegen die Eingliederung von Wasserdienstleistungen in die europäische Dienstleistungskonzessionsrichtlinie gewehrt hat.
Ein ganz dichtes Kapitel widmet die Autorin den „Katalysatoren des Fortschritts“. Damit sind – Toiletten gemeint. Die Autorin zitiert den Bericht von 2006 über die menschliche Entwicklung, der die unzureichenden Fortschritte in der Sanitärversorgung kritisiert. „Toiletten mögen vielleicht nicht wie Katalysatoren des menschlichen Fortschritts erscheinen – es spricht alles dafür, dass sie es sind“. Wenn die Lebenskraft von Milliarden Menschen nicht durch unsauberes Wasser und fehlende Toiletten verschwendet würde, wär in wirtschaftlicher Hinsicht ein Gewinn von 38 Milliarden US-Dollar zu erzielen.
Das Buch erinnert und mahnt uns zu mehr Dankbarkeit in unserem Mitteleuropa. Wir haben sauberes Trinkwasser aus der Leitung zu einem Preis von weit weniger als einem Cent pro Liter. Wir haben flächendeckend öffentliche und private Toiletten. Die immer noch weitestgehend öffentliche Wasserversorgung und Altwasserentsorgung ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem sicheren Leben. Die Autorin notiert zum Schluss, die Wertschätzung dieses Fortschritts sei verblüffend gering. Erstaunlich groß hingegen sei die Experimentierfreude, bewährte Institutionen durch Privatisierung ohne Not in Frage zu stellen und die kollektive Leichtfertigkeit, „sich das Wasser abzugraben, auf dem alles beruht“.
Quelle:
Rupert Neudeck 2014