aktualisiert:
26. November 2005
|
Nachrichten |
|
|
WasserInBürgerhand!
|
Neues
Deutschland, 26.11.2005
Wasser
ohne Wasserkopf
Lausitzer
Genossenschaft sorgt für niedrige Preise
Von Hendrik
Lasch, Hartau
|
|
Viele Wasserkunden
in Ostdeutschland ärgern sich über
steigende Gebühren. Zweckverbände bezahlen damit überdimensionierte
Netze. Eine Genossenschaft in Hartau zeigt, dass kleine Lösungen
besser funktionieren.
Im
Mai 2004 ist Europa auch dank einer kleinen Oberlausitzer Genossenschaft
zusammengewachsen.
Auf einer Wiese im Dreiländereck bei Zittau
feierten die Regierungschefs von Deutschland, Polen und Tschechien
den Beitritt der neuen EU-Mitglieder. Die Versorgung des Festgeländes
mit Trinkwasser hatte die Wassergenossenschaft Hartau übernommen.
Bezahlen musste Europa nichts: »Wir haben«, sagt Claudia
Eitner, »das Wasser gern gegeben.«
Sprudelnde Quellen im Zittauer Gebirge
Mangel
an Wasser herrscht in Hartau nicht. Das Dorf mit 654 Einwohnern,
schmucken Häusern und tadellosen Dorfstraßen liegt am
Fuße des Zittauer Gebirges, in dem viele Quellen sprudeln.
Einige davon haben die Hartauer angezapft. Das Wasser schießt
quasi von allein durch die Leitungen – mit hohem Druck und
in bester Qualität: »Etwas sauer, aber sonst fast wie
Mineralwasser«, sagt Claudia Eitner, die als Vorstandsvorsitzende
die Geschäfte der Genossenschaft ehrenamtlich führt. Zuvor
hatte sie jahrelang bei einem regionalen Wasserversorger gearbeitet
und war für eine Mitarbeit prädestiniert, als die Gemeinderäte
1995 entschieden, mit der Wasserversorgung eine zu gründende
Genossenschaft zu betrauen.
Ein ungewöhnlicher Schritt, denn viele Kommunen zogen es seinerzeit
vor, Zweckverbänden beizutreten, die für Trinkwasser und
die Entsorgung des Abwassers sorgen sollten. Nicht wenige haben diese
Entscheidung bereut. In den Zweckverbänden wurden häufig
große Leitungsnetze und Kläranlagen gebaut, die kaum rentabel
zu betreiben sind – weil erhoffte Industrieansiedlungen ausbleiben
und der Verbrauch sowie die Zahl der Abnehmer sinken. Kürzlich
prophezeite der Wasserverbandstag Sachsen-Anhalt für die nächsten
15 Jahren einen Anstieg der Gebühren um 50 Prozent.
In
Hartau herrschen im Vergleich dazu paradiesische Zustände.
Während Gemeinden im Umkreis bis zu 3,50 Euro für den Kubikmeter
Wasser berechnen, zahlen die Abnehmer der Wassergenossenschaft 1,43
Euro plus ein kleines monatliches Grundentgelt. Erhöht hat sich
der Wasserpreis seit 1991 nicht, obwohl auch in Hartau kräftig
investiert wurde: Nach der Gründung der Genossenschaft seien
die teils 100 Jahre alten Leitungen auf einer Länge von acht
Kilometern ausgetauscht worden. Man ersetzte alte Fäkaliengruben
und private Kläranlagen gemeinsam mit einem Zweckverband durch
neue Abwasseranlagen, die die Genossenschaft zum Teil baute und finanzierte,
sagt Aufsichtsratsvorsitzender und Ortschaftsratsmitglied Gerhard
Sefrin. Zuletzt wurde eine Anlage zur Aufbereitung der jährlich
21 000 Kubikmeter Trinkwasser gebaut.
Verantwortlich
für die niedrigen Kosten sind nicht nur die
nahe gelegenen Quellen, sondern auch die schlanke Struktur der Genossenschaft,
die keine fest angestellten Mitarbeiter hat. »Wir wollten keinen
Wasserkopf«, sagt Vorstandsvorsitzende Eitner. Aufträge
für Qualitätsprüfung, Reparaturen oder Abrechnung
werden an Firmen vergeben; Entscheidungen trifft die Versammlung
der 180 Genossenschaftsmitglieder, sagt Sefrin. Sie zeichneten Anteile
von je rund 2500 Euro; Nichtmitglieder leisteten Baukostenzuschüsse.
Ungetrübt ist das Wassergeschäft allerdings auch in Hartau
nicht. Der 1999 nach Zittau eingemeindete Ort trägt mit der
Stadtverwaltung einen Rechtsstreit über die Abwasserentsorgung
aus. Die Zuständigkeit wurde der Genossenschaft nach der Eingemeindung
entzogen, weil ein entsprechender Vertrag nicht rechtskräftig
gewesen sei. Die Hartauer reklamieren nun Besitzansprüche an
den Abwasserleitungen, deren Bau auch aus ihren Genossenschaftsanteilen
bezahlt worden sei. Die Stadt bestreitet die Ansprüche und erhebt
statt dessen Anschlussbeiträge in beträchtlicher Höhe.
Zudem wurden Pfändungen angedroht und durchgesetzt, sagt Sefrin,
der die Ansicht vertritt, dass »wir enteignet werden sollen«.
Musterklagen liegen seit über zwei Jahren beim Verwaltungsgericht.
Teure juristische Querelen
Die
Entscheidung, ihre Wasserversorgung selbst zu übernehmen
und eine Genossenschaft als Geschäftsform zu wählen, haben
die Hartauer trotz des unerquicklichen Streits nicht bereut. Wenn
die teuren juristischen Querelen ausgestanden sind, stellt Sefrin
den Mitgliedern sogar Rückvergütungen in Aussicht. Nicht
nur deshalb wird das Modell andernorts als Vorbild gepriesen – etwa
für die 20 Prozent der sächsischen Kommunen, die nicht
in einem Zweckverband organisiert sind. Genossenschaften seien »eine
brauchbare Möglichkeit», sagt Dietmar Berger, Präsident
des Mitteldeutschen Genossenschaftsverbandes. Die gesetzliche Grundlage,
um das Wassergeschäft durch Genossenschaften zu ermöglichen,
sei im Freistaat geschaffen, so Berger. Derzeit werde gemeinsam mit
Ministerien ein »Konzessionsmodell zur funktionellen Privatisierung« erarbeitet.
So könnten Lücken in der Wasserversorgung im ländlichen
Raum geschlossen werden – nicht nur in Quellnähe am
Zittauer Gebirge.
|
|
|
|
Zurück
zur Startseite |
|