BDE-Pressemitteilung
vom 30.8.2006
Weichenstellung
für neue Wege
im Abwassermarkt
Neues
Landeswassergesetz in NRW: Kommunen sollen erstmals ihre Kanalnetze
verkaufen können.
Studie
zeigt: Private Unternehmen wirtschaften
trotz Wettbewerbsverzerrung kostengünstiger.
Der
Bundesverband der Deutschen Entsorgungsunternehmen (BDE) begrüßt
den Entwurf für eine Novelle des nordrhein-westfälischen
Landeswassergesetzes. Dieser sieht zum ersten Mal in einem Bundesland
die Möglichkeit vor, dass Kommunen ihre Kanalnetze verkaufen:
an Abwasserverbände oder an private Abwasserunternehmen.
Der BDE rechnet mit sinkenden Abwassergebühren durch die
Privatisierung kommunaler Kanäle. Eine Studie der Universität
Witten-Herdecke zeigt, dass Abwasserunternehmen mit privater
Beteiligung günstiger wirtschaften als rein kommunale Unternehmen.
„Die
Novelle ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Von mehr Privat- und weniger Staatswirtschaft werden Kommunen
und Verbraucher profitieren“, sagte der Hauptgeschäftsführer
des BDE Dr. Stephan Harmening heute auf einer Pressekonferenz
in Düsseldorf. Der Verband vertritt mehr als 170 Unternehmen
der privaten Wasserwirtschaft. Professor Karl-Ulrich Rudolph
von der Universität Witten-Herdecke stellte bei dem Gespräch
seine neue Studie vor, die nachweist, dass die Abwassergebühren überall
dort, wo bisher Privatunternehmen beteiligt wurden, eher günstiger
liegen als bei rein öffentlichen Unternehmen. Das gelte,
obwohl es sich bei diesen Fällen fast ausschließlich
um abwassertechnische Problemfälle mit hohen Abwasserkosten
bei einer hohen kommunalen Verschuldung handle. „Dass die
Gebühren dennoch und trotz Mehrwertsteuerbelastung eher
niedriger liegen als im vergleichbaren kommunalen Durchschnitt,
lässt sich nur durch Rationalisierungsgewinne im Ausschreibungswettbewerb
erklären, von denen die Gebührenzahler profitieren“,
sagte Prof. Rudolph beim Pressegespräch.
Bisher
sind in Deutschland kommunale Unternehmen der Abwasserentsorgung – anders
als private – von der Umsatzsteuer befreit. Diese einseitige
Begünstigung kommunaler Betriebe kommt allerdings beim Verbraucher
nicht an. Die deutschen Abwassergebühren sind die höchsten
in Europa. Selbst in Holland und Österreich, wo vergleichbare
Standards gelten, liegen sie deutlich niedriger. „Es ist
kein Wunder, dass gerade in Deutschland, das im Europavergleich
einen niedrigen Privatisierungsgrad der Wasserwirtschaft hat,
die Kosten aus dem Ruder laufen“, sagte Harmening. „Private
Unternehmen hingegen zeigen seit vielen Jahren, dass sie Umsatzsteuer
abliefern und trotzdem kostengünstiger wirtschaften als
kommunale Betriebe.“ Bisher sind allerdings private Beteiligungen
in Deutschland dadurch erschwert, dass gesetzliche Rahmenbedingungen
für Privatisierungen fehlen. Der in Nordrhein-Westfalen
eingeschlagene Weg sei deshalb, so Harmening, genau der richtige.
Durch die Novelle des nordrhein-westfälischen Landeswassergesetzes
würden private und kommunale Unternehmen gleich besteuert.
Aus
der Umsatzsteuerprivilegierung ergibt sich auch ein massiver
Standortnachteil für die Industrie- und Gewerbekunden kommunaler
Wasserbetriebe. Kommunale Unternehmen kaufen Investitionsgüter
oder Dienstleistungen bei Privaten ein und zahlen darauf Umsatzsteuer,
die als Kostenbestandteil in die Gebührenberechnung einfließt.
Weil auf der Gebührenrechnung aber keine Umsatzsteuer ausgewiesen
wird, können Kunden der kommunalen Abwasserunternehmen keinen
Vorsteuerabzug vornehmen. Sie werden also mit 116 Prozent, ab
1. Januar 119 Prozent dieser Kosten belastet, während Konkurrenten
in Ländern mit privatisierter Wasserwirtschaft nur 100 Prozent
bezahlen. Einzelne Städte wie Magdeburg, Leipzig und Chemnitz
haben das bereits erkannt und ihren kommunalen Betrieb als GmbH
organisiert, der die Umsatzsteuer ausweist. In der ungleichen
Umsatzbesteuerung sieht der BDE außerdem einen gravierenden
Verstoß gegen EU-Recht und hatte im Juli eine Beschwerde
bei der Europäischen Kommission wegen Nicht-Beachtung
des Gemeinschaftsrechts eingereicht. Der Verband rechnet sich
gute Erfolgschancen aus. Deutschland und Irland sind die einzigen
Staaten der EU, in denen die Abwasserentsorgung von der Umsatzsteuer
befreit ist.
Eine
deutlich stärkere Beteiligung privater Unternehmen der Abwasserwirtschaft
ist nach Überzeugung des BDE auch aus einem weiteren Grund
erforderlich: der Verband schätzt den Investitionsbedarf
ins deutsche Kanalnetz, das zum Teil noch aus der Kaiserzeit
stammt, in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf 50 bis 55 Milliarden €. „Ich
sehe nicht, wie die hoch verschuldeten Kommunen das stemmen können“,
sagte Harmening. Hinzu komme der BeBevölkerungsrückgang,
der nach Ansicht der kommunalen Unternehmen führe, die Gebühren
für den einzelnen Verbraucher zu verteuern. Die Deutsche
Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und
Abfall hatte unlängst vorausgesagt, dass die kommunalen
Abwassergebühren in den nächsten Jahren nochmals um
bis zu 50% steigen werden. „Diese Strategie, hohe Gebühren
immer noch weiter zu erhöhen, ist zutiefst verbraucherfeindlich“,
sagte Harmening. Es könne nicht sein, dass die kommunalen
Strukturen unverändert erhalten blieben, die Kosten dafür
aber immer weniger Verbrauchern aufgebürdet würden. „Bei
sinkender Nachfrage die Preise zu erhöhen, widerspricht
jeder wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeit!“ Die
demografische Entwicklung müsse, so Harmening, nicht zwangsläufig
zu einer Ausdünnung von Leistungen führen, allerdings
zu einer Neudefinition staatlicher Daseinsvorsorge und zur Neuorganisation
bisher staatlicher Aufgaben. Es sei dringend erforderlich, künftig
verstärkt private Unternehmen in der Wasserwirtschaft wie
auch in der Entsorgungswirtschaft zu beteiligen, um gemeinsam
mit den Kommunen die Herausforderungen zu meistern. „Die
deutsche Abwasserwirtschaft ist nur zukunftsfähig mit privatem
Engagement und privatem Kapital.“
Kontakt
Gerd Henghuber
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft - BDE e.V.
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