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2. September 2006

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

taz 31.8.2006


Streit um geplante Abwasserprivatisierung

NRW will den Kommunen erlauben, die Kanalnetze ganz an Private zu verkaufen.
Kritiker befürchten steigende Preise

Von Matthias Hendorf

 

 

DÜSSELDORF. Private Abwasserunternehmen sehen ihre Chance: Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will den Abwassermarkt öffnen. Dafür will sie eigens das Landeswassergesetz ändern. Danach wäre es Kommunen erstmals in einem deutschen Bundesland möglich, ihre Abwassernetze komplett an Private zu verkaufen. "Wir begrüßen die Novellierung sehr", sagte Stephan Harmening, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), gestern.

Doch die Pläne von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Co. erzeugen nicht nur Beifallsbekundungen. Opposition, Kommunen und Umweltverbände kritisieren das Vorhaben und verweisen auf die bisher negativen Erfahrungen. In Berlin etwa wurden die Wasserbetriebe Mitte der 90er-Jahre teilprivatisiert. "Das hat zu massiven Beschäftigungsabbau, teilweisem Rückgang der Investitionen und einem Anstieg der Gebühren geführt", sagt Matthias Naumann vom Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner. Knackpunkt sind die Steuern. Private sind im Gegensatz zu den Gemeinden umsatzsteuerpflichtig. Nach der Öffnung für alle Anbieter fallen die Steuern aufgrund der Wettbewerbsgleichheit auch für die Kommunen an. Der Städte-und Gemeindebund NRW befürchtet, dass die kommunalen Betriebe diese Mehrkosten auf den Verbraucher umlegen werden. "Die Zeche für die Pläne des Landes zahlen die Bürger", kritisiert Hauptgeschäftsführer Jürgen Schneider.

Privatunternehmen haben hier einen Vorteil. "Durch modernere Technik können Private bis zu 50 Prozent sparen", glaubt Karl-Ulrich Rudolph von der Uni Witten/Herdecke.

Trotzdem setzt sich die CDU in NRW für die Öffnung des Marktes ein - auch weil die Bestandteil des Koalitionsvertrages mit der FDP ist. "Wettbewerb und Privatisierung haben noch nie geschadet", sagt der umweltpolitische Sprecher Friedhelm Ortgies. Allerdings wolle man eine Lösung, die den Bürger nicht weiter belaste.

Die Opposition glaubt jedoch nicht, dass das mit der neuen Steuerbelastung geht. "Nach dem Willen von Schwarz-Gelb soll eine vierköpfige Familie künftig allein rund 100 Euro mehr im Jahr für ihr Abwasser bezahlen", so die SPD-Landtagsabgeordnete Svenja Schulze.

Der Streit um die Privatisierung der Wasserversorgung ist kein reines NRW-Problem. Auch Sachsen und Baden-Württemberg wollen den Bereich für private Unternehmen öffnen. Sie suchen aber seit zehn Jahren nach möglichen Lösungen für die Folgeprobleme. Andere Länder haben sich aus eben diesem Grund schon lange von der Privatisierungsoption verabschiedet. Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben sich lange damit befasst und sie dann verworfen.


Heftig begrüßt werden die Vorhaben der Landesregierung Nordrhein-Westfalens von der privaten Entsorgungsbranche, dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft - BDE e.V.

Der BDE ist mit rund 750 Mitgliedsunternehmen die stärkste Vereinigung der deutschen Entsorgungsbranche. Dem BDE gehören überwiegend mittelständische Familienbetriebe aber auch alle Großunternehmen an.


 

 

BDE-Pressemitteilung vom 30.8.2006

Weichenstellung für neue Wege
im Abwassermarkt

Neues Landeswassergesetz in NRW: Kommunen sollen erstmals ihre Kanalnetze verkaufen können.

Studie zeigt: Private Unternehmen wirtschaften
trotz Wettbewerbsverzerrung kostengünstiger.

Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungsunternehmen (BDE) begrüßt den Entwurf für eine Novelle des nordrhein-westfälischen Landeswassergesetzes. Dieser sieht zum ersten Mal in einem Bundesland die Möglichkeit vor, dass Kommunen ihre Kanalnetze verkaufen: an Abwasserverbände oder an private Abwasserunternehmen. Der BDE rechnet mit sinkenden Abwassergebühren durch die Privatisierung kommunaler Kanäle. Eine Studie der Universität Witten-Herdecke zeigt, dass Abwasserunternehmen mit privater Beteiligung günstiger wirtschaften als rein kommunale Unternehmen.

„Die Novelle ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Von mehr Privat- und weniger Staatswirtschaft werden Kommunen und Verbraucher profitieren“, sagte der Hauptgeschäftsführer des BDE Dr. Stephan Harmening heute auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf. Der Verband vertritt mehr als 170 Unternehmen der privaten Wasserwirtschaft. Professor Karl-Ulrich Rudolph von der Universität Witten-Herdecke stellte bei dem Gespräch seine neue Studie vor, die nachweist, dass die Abwassergebühren überall dort, wo bisher Privatunternehmen beteiligt wurden, eher günstiger liegen als bei rein öffentlichen Unternehmen. Das gelte, obwohl es sich bei diesen Fällen fast ausschließlich um abwassertechnische Problemfälle mit hohen Abwasserkosten bei einer hohen kommunalen Verschuldung handle. „Dass die Gebühren dennoch und trotz Mehrwertsteuerbelastung eher niedriger liegen als im vergleichbaren kommunalen Durchschnitt, lässt sich nur durch Rationalisierungsgewinne im Ausschreibungswettbewerb erklären, von denen die Gebührenzahler profitieren“, sagte Prof. Rudolph beim Pressegespräch.

Bisher sind in Deutschland kommunale Unternehmen der Abwasserentsorgung – anders als private – von der Umsatzsteuer befreit. Diese einseitige Begünstigung kommunaler Betriebe kommt allerdings beim Verbraucher nicht an. Die deutschen Abwassergebühren sind die höchsten in Europa. Selbst in Holland und Österreich, wo vergleichbare Standards gelten, liegen sie deutlich niedriger. „Es ist kein Wunder, dass gerade in Deutschland, das im Europavergleich einen niedrigen Privatisierungsgrad der Wasserwirtschaft hat, die Kosten aus dem Ruder laufen“, sagte Harmening. „Private Unternehmen hingegen zeigen seit vielen Jahren, dass sie Umsatzsteuer abliefern und trotzdem kostengünstiger wirtschaften als kommunale Betriebe.“ Bisher sind allerdings private Be­teiligungen in Deutschland dadurch erschwert, dass gesetzliche Rahmenbedingungen für Privatisierungen fehlen. Der in Nordrhein-Westfalen eingeschlagene Weg sei deshalb, so Harmening, genau der richtige. Durch die Novelle des nordrhein-westfälischen Landeswassergesetzes würden private und kommunale Unternehmen gleich besteuert.

Aus der Umsatzsteuerprivilegierung ergibt sich auch ein massiver Standortnachteil für die Industrie- und Gewerbekunden kommunaler Wasserbetriebe. Kommunale Unternehmen kaufen Investitionsgüter oder Dienstleistungen bei Privaten ein und zahlen darauf Umsatzsteuer, die als Kostenbestandteil in die Gebührenberechnung einfließt. Weil auf der Gebührenrechnung aber keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, können Kunden der kommunalen Abwasserunternehmen keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Sie werden also mit 116 Prozent, ab 1. Januar 119 Prozent dieser Kosten belastet, während Konkurrenten in Ländern mit privatisierter Wasserwirtschaft nur 100 Prozent bezahlen. Einzelne Städte wie Magdeburg, Leipzig und Chemnitz haben das bereits erkannt und ihren kommunalen Betrieb als GmbH organisiert, der die Umsatzsteuer ausweist. In der ungleichen Umsatzbesteuerung sieht der BDE außerdem einen gravierenden Verstoß gegen EU-Recht und hatte im Juli eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission wegen Nicht-Beachtung des Gemeinschaftsrechts eingereicht. Der Verband rechnet sich gute Erfolgschancen aus. Deutschland und Irland sind die einzigen Staaten der EU, in denen die Abwasserentsorgung von der Umsatzsteuer befreit ist.

Eine deutlich stärkere Beteiligung privater Unternehmen der Abwasserwirtschaft ist nach Überzeugung des BDE auch aus einem weiteren Grund erforderlich: der Verband schätzt den Investitionsbedarf ins deutsche Kanalnetz, das zum Teil noch aus der Kaiserzeit stammt, in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf 50 bis 55 Milliarden €. „Ich sehe nicht, wie die hoch verschuldeten Kommunen das stemmen können“, sagte Harmening. Hinzu komme der BeBevölkerungsrückgang, der nach Ansicht der kommunalen Unternehmen führe, die Gebühren für den einzelnen Verbraucher zu verteuern. Die Deutsche Ver­eini­gung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall hatte unlängst vorausgesagt, dass die kommunalen Abwassergebühren in den nächsten Jahren nochmals um bis zu 50% steigen werden. „Diese Strategie, hohe Gebühren immer noch weiter zu erhöhen, ist zutiefst verbraucherfeindlich“, sagte Harmening. Es könne nicht sein, dass die kommunalen Strukturen unverändert erhalten blieben, die Kosten dafür aber immer weniger Verbrauchern aufgebürdet würden. „Bei sinkender Nachfrage die Preise zu erhö­hen, widerspricht jeder wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeit!“ Die demografische Entwicklung müsse, so Harmening, nicht zwangsläufig zu einer Ausdünnung von Leistungen führen, allerdings zu einer Neudefinition staatlicher Daseinsvorsorge und zur Neuorganisation bisher staatlicher Aufgaben. Es sei dringend erforderlich, künftig verstärkt private Unternehmen in der Wasserwirtschaft wie auch in der Entsorgungswirtschaft zu beteiligen, um gemeinsam mit den Kommunen die Herausforderungen zu meistern. „Die deutsche Abwasserwirtschaft ist nur zukunftsfähig mit privatem Engagement und privatem Kapital.“

Kontakt
Gerd Henghuber
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft - BDE e.V.
Behrenstraße 29, 10117 Berlin
Fon: +49 (0)30-59 00 33 5-20
Mobil: +49 (0)173-6412158
E-Mail: henghuber@bde-berlin.de <mailto:henghuber@bde-berlin.de>

 

   

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