Die
Abwasservollprivatisierung im WHG
Im
Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist in § 18a Abs.
2a verankert, dass die Länder regeln können,
unter welchen Voraussetzungen eine öffentlich-rechtliche
Körperschaft ihre Abwasserbeseitigungspflicht
auf einen Dritten ganz oder teilweise befristet und
widerruflich übertragen kann. Als notwendige Voraussetzungen
für eine solche zeitlich befristete Pflichtenübertragung
werden die Fachkunde und Zuverlässigkeit des Dritten
sowie die Sicherstellung der übertragenen Pflichten
genannt. Außerdem dürfen der Übertragung
keine überwiegenden öffentlichen Interessen
entgegenstehen. Als „Erfüllungsgehilfe“ ist
auch jetzt schon die Einschaltung privater Dritter
in die kommunale Abwasserreinigung möglich.
Aber mindestens mit einer „Kopfstelle“ muss die Kommune weiterhin
ihre hoheitliche Verpflichtung zur Abwasserreinigung wahrnehmen. Nach einer
Implementierung von § 18 (2a) WHG in Landeswassergesetz können sich
die Kommunen dieser hoheitlichen Verpflichtung ganz entledigen.
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Abwasserprivatisierung:
Dammbruch in Hannover?
Ba.-Wü.,
Sachsen und Sachsen-Anhalt haben § 18 a (2a) bereits
in ihre jeweiligen Landeswassergesetze überführt.
Allerdings sind alle drei Länder bislang davor zurückgeschreckt,
auch die für eine Vollprivatisierung der kommunalen
Abwasserbetriebe erforderlichen Rechtsverordnungen zu
erlassen. Deshalb ist trotz § 18
a (2a) WHG die kommunale Abwasserentsorgung bundesweit
immer noch ein "hoheitlicher" Akt.
Demzufolge
haben die privaten "Wasserkonzerne" allergrößte
Schwierigkeiten, im Abwassersektor zu akquirieren. Es gelingt
nur mit abenteuerlichen Rechtskonstruktionen, als Dienstleister
im Abwasserbereich
mit den "abwasserbeseitigungspflichtigen" Kommunen
Verträge
zu schließen.
Wenn sich
der FDP-Umweltminister in Hannover gegen die noch skeptische
WULFF-CDU durchsetzen
sollte, dann würden
die „Chancen“ beträchtlich steigen, dass
die ehemals vorpreschenden Länder Ba.-Wü., Sachsen
und Sachsen-Anhalt ihr derzeitiges Zaudern aufgeben und
die noch fehlenden Rechtsverordnungen
erlassen.
Der damit
ausgelöste Dammbruch könnte
zusätzlich
noch einen steuerpolitischen Effekt haben: Wenn
tatsächlich
die privaten Konzerne im Abwassersektor auf breiter
Front zum Zuge kommen würden, würde in
finanzrechtlicher Hinsicht die Abwasserentsorgung
ebenfalls nicht mehr als "hoheitlich" gelten
- und könnte demzufolge mit der Mehrwertsteuer
belastet werden. Unterschiedlicher Ansicht sind die
Juristen derzeit noch,
ob die Mehrwertsteuerpflichtigkeit nur für die
privatisierten Abwasserbetriebe gelten wird - ober
ob nach einem
eventuellen Kippen der Dominosteine in Niedersachsen,
Ba.-Wü., Sachsen
und Sachsen-Anhalt die Mehrwertsteuerpflichtigkeit
auf alle Abwasserbetriebe in den vier Bundesländern
ausgedehnt werden könnte. Finanzämter
und Finanzgerichte könnten zum Schluss kommen,
dass mit dem Untergang der „Hoheitlichkeit“ in
den vier Bundesländern
das Privileg der Mehrwertsteuerbefreiung insgesamt
- also auch für
die verbleibenden kommunale Abwasserbetriebe - aufgehoben
werden muss. Fraglich
ist darüber hinaus, ob dann
die Mehrwertsteuer gleich mit dem vollen Satz von
19 Prozent zuschlagen wird. Möglich
wäre auch ein reduzierter Mehrwertsteuersatz
von sieben Prozent wie beim Trinkwasser.
Ein gleicher
Mehrwertsteuersatz für Trinkwasser
und Abwasser ist mit Abstand der größte Herzenswunsch
von allen Kräften, die die Privatisierung der kommunalen
Wasserwirtschaft betreiben. Wenn nämlich für
Abwasser (wie jetzt schon für Trinkwasser) ein ermäßigter
Mehrwertsteuersatz
von 7 Prozent eingeführt würde, könnten
die Konzerne problemlos kommunale Wasserwerke und Abwasserbetriebe
im "Zweierpack" vereinnahmen.
Zum „GAU“ würde es allerdings kommen,
wenn der Wegfall der „Hoheitlichkeit“ letztlich
dazu führen würde,
dass der Mehrwertsteuersatz nicht nur im Abwassersektor,
sondern auch im Trinkwasserbereich auf den Normalsatz
von demnächst
19 Prozent erhöht würde. Weil die am Kanalnetz
hängenden
Privatbetriebe und Dienstleister im Gegensatz zu den Haushaltskunden
die Mehrwertsteuer auf Trink- und Abwasser verrechnen können
(Vor-steuerabzug), käme dies einer milliardenschweren
Umverteilung zu Gunsten der Privatwirtschaft und zu Lasten
der Haushaltskunden
gleich.
Ein derartiges
Risiko erschien auch SPD und CDU/CSU nicht geheuer. Im Koalitionsvertrag
ist deshalb vereinbart worden, die Abwasserentsorgung weiterhin nicht mit der
Mehrwertsteuer zu belasten. Das Vorgehen des FDP-Umweltministers
in Hannover
mit seinen nicht
kalkulierbaren steuerpolitischen Auswirkungen
findet somit auch in CDU-Kreisen keinen ungeteilten Beifall.
Beobachter
rechnen deshalb
damit, dass die abwasserpolitischen Pläne
von SANDER zunächst
einmal versanden könnten.