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9. Mai 2006

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 8.4.2006

Niedersachsens Umweltminister
peilt Abwassertotalprivatisierung an

 

Nach dem Vorbild von Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt will jetzt auch der FDP-Umweltminister in Hannover eine Vollprivatisierung der kommunalen Abwasserbetriebe ermöglichen. HANS-HEINRICH SANDER beabsichtigt, den § 18 a (2a) aus dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in das niedersächsische Landeswassergesetz zu überführen. Nach § 18 (2a) WHG können die Länder Detailregelungen erlassen, unter welchen Bedingungen die bislang kommunale Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung auf private Dritte vollumfänglich übertragen werden kann (siehe Kasten).

Bei einem Hearing im Landtag zu Hannover am 27.03.06 konnte erwartungsgemäß die VEOLIA WASSER GmbH dem Ansinnen von SANDER nur Positives abgewinnen. Die angestrebte Neufassung des Landeswassergesetzes bedeute eine „Stärkung der Organisationshoheit der Kommunen“. Dass sich eine Privatisierung der kommunalen Abwasserbetriebe für die Gemeinden lohnt, untermauerte der VEOLIA-Vertreter mit dem Hinweis darauf, dass VEOLIA bereits in drei niedersächsischen Städten bei der Abwasserreinigung erfolgreich mithilft: VEOLIA WASSER ist in Braunschweig bei der Stadtentwässerung tätig, betreibt die Abwasserentsorgung in Bad Münder und die Kläranlage in der Gemeinde Wagenfeld. „In diesen drei öffentlich-privaten Partnerschaften wurden und werden im Vergleich zur kommunalen Regie Einsparungen erreicht“, erläuterte der Geschäftsführer der VEOLIA WASSER GmbH, REINHOLD HÜLS.

Dagegen haben sich der niedersächsische Wasserverbandstag und der Oldenburgisch Ostfriesische Wasserverband (OOWV) prononciert gegen den Vorschlag des FDP-Umweltministers gewandt. Die ausführliche und lesenswerte Stellungnahme des OOWV gegen die „Abwasserprivatisierungspläne“ des FDP-Umweltministers finden RUNDBR.-LeserInnen auf der OOWV-Homepage: www.oowv.de


Die Abwasservollprivatisierung im WHG

Im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist in § 18a Abs. 2a verankert, dass die Länder regeln können, unter welchen Voraussetzungen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ihre Abwasserbeseitigungspflicht auf einen Dritten ganz oder teilweise befristet und widerruflich übertragen kann. Als notwendige Voraussetzungen für eine solche zeitlich befristete Pflichtenübertragung werden die Fachkunde und Zuverlässigkeit des Dritten sowie die Sicherstellung der übertragenen Pflichten genannt. Außerdem dürfen der Übertragung keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Als „Erfüllungsgehilfe“ ist auch jetzt schon die Einschaltung privater Dritter in die kommunale Abwasserreinigung möglich.
Aber mindestens mit einer „Kopfstelle“ muss die Kommune weiterhin ihre hoheitliche Verpflichtung zur Abwasserreinigung wahrnehmen. Nach einer Implementierung von § 18 (2a) WHG in Landeswassergesetz können sich die Kommunen dieser hoheitlichen Verpflichtung ganz entledigen.


 

Abwasserprivatisierung: Dammbruch in Hannover?

Ba.-Wü., Sachsen und Sachsen-Anhalt haben § 18 a (2a) bereits in ihre jeweiligen Landeswassergesetze überführt. Allerdings sind alle drei Länder bislang davor zurückgeschreckt, auch die für eine Vollprivatisierung der kommunalen Abwasserbetriebe erforderlichen Rechtsverordnungen zu erlassen. Deshalb ist trotz § 18 a (2a) WHG die kommunale Abwasserentsorgung bundesweit immer noch ein "hoheitlicher" Akt.

Demzufolge haben die privaten "Wasserkonzerne" allergrößte Schwierigkeiten, im Abwassersektor zu akquirieren. Es gelingt nur mit abenteuerlichen Rechtskonstruktionen, als Dienstleister im Abwasserbereich mit den "abwasserbeseitigungspflichtigen" Kommunen Verträge zu schließen.

Wenn sich der FDP-Umweltminister in Hannover gegen die noch skeptische WULFF-CDU durchsetzen sollte, dann würden die „Chancen“ beträchtlich steigen, dass die ehemals vorpreschenden Länder Ba.-Wü., Sachsen und Sachsen-Anhalt ihr derzeitiges Zaudern aufgeben und die noch fehlenden Rechtsverordnungen erlassen.

Der damit ausgelöste Dammbruch könnte zusätzlich noch einen steuerpolitischen Effekt haben: Wenn tatsächlich die privaten Konzerne im Abwassersektor auf breiter Front zum Zuge kommen würden, würde in finanzrechtlicher Hinsicht die Abwasserentsorgung ebenfalls nicht mehr als "hoheitlich" gelten - und könnte demzufolge mit der Mehrwertsteuer belastet werden. Unterschiedlicher Ansicht sind die Juristen derzeit noch, ob die Mehrwertsteuerpflichtigkeit nur für die privatisierten Abwasserbetriebe gelten wird - ober ob nach einem eventuellen Kippen der Dominosteine in Niedersachsen, Ba.-Wü., Sachsen und Sachsen-Anhalt die Mehrwertsteuerpflichtigkeit auf alle Abwasserbetriebe in den vier Bundesländern ausgedehnt werden könnte. Finanzämter und Finanzgerichte könnten zum Schluss kommen, dass mit dem Untergang der „Hoheitlichkeit“ in den vier Bundesländern das Privileg der Mehrwertsteuerbefreiung insgesamt - also auch für die verbleibenden kommunale Abwasserbetriebe - aufgehoben werden muss. Fraglich ist darüber hinaus, ob dann die Mehrwertsteuer gleich mit dem vollen Satz von 19 Prozent zuschlagen wird. Möglich wäre auch ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent wie beim Trinkwasser.

Ein gleicher Mehrwertsteuersatz für Trinkwasser und Abwasser ist mit Abstand der größte Herzenswunsch von allen Kräften, die die Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft betreiben. Wenn nämlich für Abwasser (wie jetzt schon für Trinkwasser) ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent eingeführt würde, könnten die Konzerne problemlos kommunale Wasserwerke und Abwasserbetriebe im "Zweierpack" vereinnahmen.

Zum „GAU“ würde es allerdings kommen, wenn der Wegfall der „Hoheitlichkeit“ letztlich dazu führen würde, dass der Mehrwertsteuersatz nicht nur im Abwassersektor, sondern auch im Trinkwasserbereich auf den Normalsatz von demnächst 19 Prozent erhöht würde. Weil die am Kanalnetz hängenden Privatbetriebe und Dienstleister im Gegensatz zu den Haushaltskunden die Mehrwertsteuer auf Trink- und Abwasser verrechnen können (Vor-steuerabzug), käme dies einer milliardenschweren Umverteilung zu Gunsten der Privatwirtschaft und zu Lasten der Haushaltskunden gleich.

Ein derartiges Risiko erschien auch SPD und CDU/CSU nicht geheuer. Im Koalitionsvertrag ist deshalb vereinbart worden, die Abwasserentsorgung weiterhin nicht mit der Mehrwertsteuer zu belasten. Das Vorgehen des FDP-Umweltministers in Hannover mit seinen nicht kalkulierbaren steuerpolitischen Auswirkungen findet somit auch in CDU-Kreisen keinen ungeteilten Beifall. Beobachter rechnen deshalb damit, dass die abwasserpolitischen Pläne von SANDER zunächst einmal versanden könnten.

 
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