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27. November 2006

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 13.11.2006

 

Handlungsbedarf in der Pharmabranche
- und nicht im Wasserwerk!


 

Obwohl „Einzelfunde“ von Arzneimittelspuren im Trinkwasser bislang nur „in gesundheitlich nicht relevanten Konzentrationen“ analysiert werden konnten, beobachten die Wasserversorgungsunternehmen die Pharmakafunde in Gewässern, im Abwasser und im Trinkwasser mit Sorge - und wachsendem Ärger.

Der Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft sieht nämlich „maßgebliche Ursachen“ für die sich häufenden Arzneimittelwirkstoffe in der aquatischen Umwelt nicht nur in der schlechten Abbaubarkeit der Arzneimittel und ihrer Abbauprodukte im menschlichen Körper und in der Umwelt. Neben der Persistenz sei hierfür auch „ein massiver Anstieg der Verwendung insbesondere nicht-rezeptpflichtiger Medikamente“ verantwortlich. Außerdem kritisiert der BGW in seiner im November 2006 vorgelegten „Positionierung“ zu diesem Thema:

„Ein erweitertes Gewässermonitoring zur Abschätzung der Belastungen mit Stoffspuren wird erschwert, da vielfach Analyseverfahren und Daten dieser Stoffe für Umweltbehörden, zuständige Gesundheitsbehörden und Wasserver- und Abwasserentsorger nicht zugänglich sind.“

Für den BGW ist es ein Unding, dass jetzt Kläranlagen mit fünften Reinigungsstufen (s. RUNDBR. 826/2-3) und Wasserwerke mit noch mehr Filtern aufgerüstet werden sollen, um die Arzneimittelspuren aus dem Ab- und Rohwasser zu eliminieren:

„Die deutsche Wasserwirtschaft fordert auf der Grundlage des Verursacher- und Vorsorgeprinzips Vorsorge an der Quelle der Belastungen statt Reparatur im Wasserwerk oder in der Kläranlage“ (siehe Kasten).

Weitere Informationen und Bezug der vierseitigen „Positionierung“ beim

Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW)
- z.Hd. Frau Dr. Michaela Schmitz -
Reinhardtstraße 14, 10117 Berlin
Telefon: 030 28041-0; Fax: 28041-520
E - Mail: schmitz@bgw.de
Internet: www.bgw.de

 


Rückt die Arzneimitteldaten raus!

Um das Auftreten von Pharmaka in den Gewässern zu reduzieren, fordert der BGW, die Patienten so aufzuklären, dass sie Medikamentenreste nicht über die Kloschüssel entsorgen. Neben der Aufklärung der Bevölkerung hat der BGW noch eine ganze Reihe von Forderungen auf der Platte, die hier nur in Auszügen wiedergegeben werden:

Die im BGW vertretenen Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen appellieren an die Vertreter des Deutschen Bundestages, der Bundes- und Länderministerien, insbesondere die Vertreter der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), des Umweltbundesamtes und der Fachbehörden, u.a. folgende Maßnahmen sicherzustellen:

  • Weitergabe von geeigneten/genormten Analyseverfahren der Hersteller für diese Stoffe an Umweltbehörden, zuständige Gesundheitsbehörden und betroffene Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen.
  • Weitergabe der Daten der Hersteller zur Bewertung der Abbaubarkeit, Humantoxizität und Ökoto-xizität dieser Stoffe.
  • Weitergabe aktueller Absatzdaten der Hersteller von rezept- und nicht rezeptpflichtigen Medikamenten.
  • Eine nachträgliche Umweltverträglichkeitsprüfung für bereits zugelassene Arzneimittel einschließlich der Röntgenkontrastmittel im Arzneimittelgesetz. (…)
  • Die Aufnahme relevanter Arzneimittel in die Liste der „Prioritären Stoffe“ der EG-Wasserrahmenrichtlinie.

 

 


„Konzeptpapier“ gegen die Medizin im Ab- und Trinkwasser
 

Pharmaka, Hormone und endokrin wirksame Stoffe, sowie die befürchtete Resistenzbildung durch Antibiotika im Abwasserpfad und in der aquatischen Umwelt sind en vogue. Praktisch im Monatstakt folgen sich die Tagungen zu dieser Thematik - das nächste Mal in Berlin, wo vom 29.11. bis 30.11.06 einmal mehr der „aktuellen Kenntnisstand der verschiedenen Fachgebiete“ zusammengefasst, „eine Bewertung der Gefährdung“ durchgeführt und „mögliche Maßnahmen“ diskutiert werden sollen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf“ im Hauptausschuss III „Wissenschaftliche Grundlagen“ der Wasserchemischen Gesellschaft - Fachgruppe in der GDCh und der DWA Arbeitsgruppe KA 8.1 haben in den letzten Jahren ein Konzeptpapier zu dieser Thematik erstellt. Diese Fachleute aus dem Bereich der Analytik, der Öko- und Humantoxikologie, der Mikrobiologie der Wasser- und Abwasserwirtschaft sowie der Gesetzgebung werden in Berlin ihr Wissen präsentieren und ihre in den letzten Jahren gemeinsam erarbeiteten Thesen in Vorträgen zur Diskussion stellen. Dabei sollen auch die diesbezüglichen „Defizite der Wasserrahmenrichtlinie“ bei der Eindämmung anthropogener Spurenstoffe erörtert werden.

Weitere Infos zu dieser Tagung gibt’s unter
www.spurenstoffe.de


 

„Strategien zum Umgang mit
Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser“
 


Mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Minimierung des Eintrages von Arzneimittelwirkstoffen in die aquatische Umwelt soll der Durchbruch von Pharmazeutika bis ins Trinkwasser verhindert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Projekt „Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser“ (START) eine „partizipative Entwicklung von Handlungsstrategien“ angestrebt - also ein breiter Dialog mit allen Akteuren (von der Pharmabranche über Ärzte sowie Apotheker und die Patienten bis hin zu den Kläranlagen- und Wasserwerkschefs). Im START-Projekt arbeiten zu diesem Zwecke unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

  • die Uni Frankfurt (Technikansatz),
  • das Frankfurter Institut für sozial-ökologische Forschung (isoe) (Verhaltensänderung),
  • das Uniklinikum Freiburg (Medikamentendesign) sowie das Forschungszentrum Karlsruhe

zusammen. Die beteiligten Forschungseinrichtungen wollen zunächst arbeitsteilig drei unterschiedliche Strategieansätze konzipieren, mit denen mög-licherweise der Arzneimitteleintrag in die aquatische Umwelt deutlich verringert werden kann (siehe Kasten).


Drei Wege zu weniger Medizin im Wasser

  1. Der Technikansatz, bei dem es um eine weitergehende Eliminierung der Arzneimittelwirkstoffe vorrangig in den Kläranlagen, dann aber auch in den Aufbereitungsstufen der Wasserwerke gehen wird.

  2. Die Änderung des Nutzerverhaltens: Wie können Ärzte, Apotheker und Patienten dazu gebracht werden, dass Medikamente paßgenauer verschrieben und konsumiert werden und trotzdem überschüssige Medikamente nicht mehr über die Toilettenschüssel entsorgt werden.
    Zur Diskussion steht dabei auch das gegenwärtige Zuzahlungssystem, das eine Vorratshaltung an Medikamenten provoziert, die dann letztlich doch nicht eingenommenen werden. Ferner geht es beim Ansatz 2 u.a. auch um die Frage, wie die Bedeutung der Arzneimittelwirkstoffe im Abwasser und im Trinkwasser gegenüber den Patienten „ohne Skandalisierung“ so kommuniziert werden kann, dass keine Akzeptanzprobleme für die Wasserversorgung daraus resultieren.

  3. Wie kann die Pharmabranche dazu veranlasst werden, beim Design von Arzneimittelwirkstoffen stärker als bislang auch das Abbauverhalten in der Umwelt zu berücksichtigen? Dabei geht es um die maßgeschneiderte Entwicklung von Medikamenten, die im menschlichen Körper zwar hinreichend stabil sind und dort ihren erwünschten Effekt mit möglichst geringen Nebenwirkungen erzielen, die aber anschließend eine gute biologische Abbaubarkeit aufweisen sollten.

 


Nach einer öffentlichen Debatte der drei Ansätze sollen sie in einer späteren Projektphase zusammengeführt werden. Die drei zur Debatte stehenden Handlungsstrategien sollen nicht nur auf die Effizienz bei der Minderung des Eintrags von Medikamenten in die aquatische Umwelt (und bei hoher Persistenz auch ins Trinkwasser) geprüft werden. Abgeklopft werden soll auch die soziale, wirtschaftliche und politische Akzeptanz der jeweiligen Handlungsstrategien. Über die Fortschritte bei diesem Projekt wird vierteljährlich in einem START-Newsletter informiert, den Interessierte als pdf-Datei beziehen können. Ferner informiert die Homepage www.start-project.de über den Projektfortschritt.

Weitere Auskunft bei:
Herrn Dr. Florian Keil (Projektleitung/Project Coordinator)
Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH
Hamburger Allee 45, 60486 Frankfurt am Main
Tel: 069/707 69 19 39
E-Mail: keil@isoe.de

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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