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22. Juli 2007

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 8.7.2007

 

Beschwerde der Entsorgungswirtschaft
über "Steuerprivileg" öffentlicher Entsorger

 


Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-wirtschaft (BDE) agiert als Sprachrohr der privaten Entsorger zunehmend aggressiver, um den Interessen seiner 750 Mitgliedsfirmen Geltung zu verschaffen.

Am 19.06.07 hat die Lobby der privaten Müll- und Abwasserfirmen bekannt gegeben, dass der BDE bei der Europäischen Kommission Beschwerde „gegen die steuerliche Privilegierung kommunaler Unternehmen der Abfallentsorgung“ eingereicht hat. Bereits im Sommer 2006 hat der BDE eine entsprechende Beschwerde für den Abwasserbereich nach Brüssel geschickt (siehe Kasten). Nach juristischer Einschätzung des Verbands müssen öffentliche und private Unternehmen gemäß Europarecht zwingend gleich behandelt werden.

Heute sind öffentliche Abfall- und Abwasserunternehmen von der Umsatzsteuer befreit, während private Entsorger 19 Prozent auf ihre Leistungen abführen. Nach Lesart des BDE darf es auf Grund der europäischen Vorgaben durch die steuerliche Privilegierung eines Marktteilnehmers - auch wenn diese mit hoheitlichen Aufgaben begründet wird - nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen. Tatsächlich sei der Entsorgungsbereich wegen der »steuerlichen Ungleichbehandlung« durch „eine Reihe von Wettbewerbsverzerrungen“ gekennzeichnet. Den BDE wurmt es insbesondere, dass durch die ungleiche Besteuerung verhindert werde, „dass private Unternehmen in den Markt eintreten können“. Denn:

„Immer wenn eine Kommune in Erwägung zieht, Private mit Entsorgungsleistungen zu beauftragen, müssen diese um mindestens neunzehn Prozent günstiger anbieten als der kommunale Eigenbetrieb.“ [Eine Behauptung, die schon wegen des Vorsteuerabzugs fragwürdig ist.]

Neben dieser „Markteintrittshürde“ beklagt der BDE ferner einen „Marktausschluss durch kommunale Zweckverbände“ und den Missbrauch des Vorsteuerabzugs durch einen trickreichen Rechtsformwechsel kommunaler Unternehmen:

„Um den Vorsteuerabzug bei Investitionen zu ermöglichen, können sich kommunale Unternehmen zunächst in einer privaten Rechtsform organisieren und später zu einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform wechseln. Das bedeutet, dass etwa für größere Investitionen zunächst der Vorsteuerabzug geltend gemacht und später die daraus resultierenden Leistungen wieder umsatzsteuerfrei angeboten werden.“ [Wie oft so etwas in der Vergangenheit vorgekommen ist, verschweigt der BDE.]

Der BDE erwartet von einem positiven Bescheid der EU-Kommission auf seine Beschwerde einen Schub für die private Entsorgungswirtschaft. Nachdem aber bislang schon die BDE-Beschwerde gegen die „steuerliche Privilegierung“ der kommunalen Abwasserbetriebe in Brüssel von der Kommission nur sehr unlustig und spitzen Fingern angefasst wird, versackt vielleicht auch diese Beschwerde in Brüsseler Papierbergen.

Weitere Auskunft zur BDE-Beschwerde:

Gerd Henghuber - Leiter Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. - BDE
Behrenstraße 29, 10117 Berlin
Tel.: 030 5900335-20; Mobil: 0173 6412158
E-Mail: henghuber@bde-berlin.de


EG-Recht und Umsatzsteuer für Abwasser

Bei seiner Beschwerde gegen die „Steuerprivilegierung“ kommunaler Abwasserbetriebe argumentiert der BDE nicht nur mit einer angeblichen „Wettbewerbsverzerrung“. Der BDE beruft sich auch auf die 6. EG-Richtlinie, die die Voraussetzung für die Umsatzbesteuerung europaweit einheitlich vorschreibt. Nach Meinung des BDE lasse lediglich der Artikel 4 Absatz 5 dieser Richtlinie Ausnahmen zu. Ausnahmen wären nur unter der Voraussetzung zulässig, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die öffentliche Einrichtungen aufgrund eines ihr eigens zustehenden Sonderrechts ausüben. Das würde lt. BDE voraussetzen, dass die Abwasserbehandlung in Deutschland ausschließlich in öffentlicher Hand läge. Dem sei aber nicht so, da private Unternehmen längst an kommunalen Abwasserbetrieben beteiligt sind. Zudem würden auch Industrieunternehmen ihr eigenes Abwasser und zusätzlich kommunales Abwasser selbst reinigen.

 


 

FDP unterstützt
Abwasserprivatisierungslobby
 


Bei seiner zuvor genannten Attacke gegen die vermeintliche Privilegierung der kommunalen Abfall- und Abwasserbetriebe weiß sich der BDE der Unterstützung durch die FDP sicher. Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits im Oktober 2006 in der Bundestagsdrucksache 16/2657 den Bundestag und die Bundesregierung aufgefordert, dass auch die als hoheitlich geltende kommunale Abwasserentsorgung mit der Mehrwertsteuer überzogen werden muss. Nach Auffassung der FDP sollten die Abwasserentsorgung und die Trinkwasserversorgung mit einem Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent umsatzsteuerlich gleich behandelt werden. Gleichzeitig solle die Abwasserabgabe abgeschafft werden. Begründung: Die Abwasserabgabe entfalte keine Lenkungswirkung mehr.


 

„Erhebliche Ineffizienzen der
öffentlichen Abwassermonopole“…
 


… hatte der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BdE) im Mai 2007 ausgemacht. „Neue Studie zeigt: 4,8 % Effizienzsteigerung in der Abwasserentsorgung sind machbar durch Wettbewerb und Anreizsetzung“ titelte der auf die Privatisierung kommunaler Abwasserbetriebe scharfe Lobbyverband am 25.05.07 in einer Pressemitteilung.
Der BDE hatte Dr. MARK OELMANN, Leiter Wassermärkte beim „Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (WIK)“ mit einer Studie beauftragt.

Trotz großer Anstrengungen in der Öffentlichkeitsarbeit (u.a. „Parlamentarischer Abend“) nahm nicht einmal das HANDELSBLATT von der „Studie“ Notiz - wohl allzu dürftig belegt waren die Aussagen dieser „Studie“.

Obskur waren schon die postulierten 4,8 Prozent Effizienzsteigerung in der Abwasserentsorgung - Im Hinblick darauf, dass die durchschnittliche Produktivitätssteigerung in der deutschen Gesamtwirtschaft „nur“ bei 1,5 Prozent im Jahr liegt. Bei der Beschwörung ungehobene Rationalisierungspotenziale wird in der theoretisch abgehobenen Studie nicht thematisiert, dass Kanalarbeiter schon jetzt den höchsten Krankenstand unter allen Branchen haben.

Damit konfrontiert, würde OELMANN sicher behaupten, dass der hohe Krankenstand am bequemen Leben liegt, dass man im öffentlichen Dienst in der sozialen Hängematte genießen könne. Angesichts seiner dubiosen „Studie“ sollte man OELMANN fragen, ob er denn bereit wäre, einen Monat auf sein Ökonomikergehalt zu verzichten und stattdessen zum Einstiegsgehalt eines Kanalarbeiters vier Wochen lang im Kanalbetrieb einer deutschen Stadt zu hospitieren. Danach kann er dann gerne im Kreise seiner Kanalarbeiterkollegen noch einmal seine überzogenen Effizienzsteigerungsthesen wiederholen. Ferner wären OELMANN und der BDE zu fragen, ob ihnen in der damaligen Debatte um das EWERS-Gutachten (s. RUNDBR. 599-602) entgangen war, dass 80 Prozent der Kosten in der Abwasserentsorgung FIX-KOSTEN sind. Weitere zehn Prozent der Kosten sind bei bestehenden Kanal- und Kläranlagen Quasifixkosten. Nur zehn Prozent der Kosten sind tatsächlich variable Kosten.

Die vom BDE behaupteten 4,8 Prozent Effizienzsteigerung sind schon deshalb ziemlich verwegen. Was Herrn OELMANN noch entgegenzuhalten wäre: Der Kostensenkungs- und Rationalisierungsdruck, den Ober- und Baubürgermeister sowie Gemeinderäte und Werksausschussmitglieder kontinuierlich aufrechterhalten, hat mittlerweile dazu geführt, dass selbst Kläranlagen von 100.000 Einwohnerwerten (EW) nur noch von einer Arbeitskraft gefahren werden. Wenn es dann zu einem Störfall kommt, ist diese eine Fachkraft möglicherweise schnell überfordert. Das Problem: Der Kostensenkungsdruck führt im Kanal- und Kläranlagenbetrieb bereits jetzt zu Belegschaftsstärken, die nur noch auf "Schönwetterverhältnisse" dimensioniert sind. Wenn aber beispielsweise in Gewitternächten mit Blitzeinschlag die elektronischen Steuerungen ausfallen, ist niemand mehr da, der die Kläranlage im Handbetrieb steuert - vor allem dann nicht, wenn wegen umgestürzter Bäume auf den Zufahrtsstraßen nicht einmal mehr eine Taskforce die havarier-te Kläranlage erreichen kann (s. 837/3-4). Das kommt zwar äußerst selten vor, wenn dann aber eine größere Kläranlage "umkippt", kann dies viele Jahre Gewässersanierungserfolge buchstäblich über Nacht zunichte machen.

Insofern wären OEL-MANN und der BDE zu fragen, mit wie viel Kanal- und Kläranlagenpraktikern sie ihre akademischen Ökonomikerthesen auf Praxistauglichkeit abgeklopft haben. -ng-

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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