aktualisiert:
11. April 2007
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
23.3.2007
Perfluorierte
Tenside im „Dünger“,
im Fisch - und jetzt auch im Blut
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Seit 2006 ist bekannt,
dass in Nordrhein-Westfalen, Nordhessen und Niedersachsen gebietsweise
Böden und Gewässer erhöhte Konzentrationen der Industriechemikalie
PFT (perfluorierte organische Tenside) aufweisen. Besonders betroffen
sind Teile der im Hochsauerlandkreis gelegenen Stadt Arnsberg, wo
Untersuchungen zufolge die im Trinkwasser gemessenen Werte deutlich über
dem vom Bundesumweltamt festgesetzten duldbaren Leitwert (300
ng/l) liegen. 37.000 Menschen werden in Arnsberg vom Wasserwerk Möhnebogen
versorgt.
Verdächtigt
für die Verunreinigung der Flüsse Möhne und
Ruhr wird das Paderborner Bodenmischwerk GW Umwelt GmbH,
das für seine Düngemittelproduktion, wie die bisherige
Spurensuche ergab, mit PFT belasteten Klärschlamm aus
Belgien importierte. Das von der Firma hergestellte Gemisch aus „Bioabfall
der Nahrungsmittelindustrie“ und Kalkgesteinsmehl
wurde von Landwirten vor allem im Kreis Soest und im Hochsauerlandkreis
als organischer Dünger auf 50 Flächen in der Größe von
450 ha ausgebracht und gelangte von dort in die Flüsse.
Perfluorierte Verbindungen: Extrem stabil
PFT
werden auf Grund ihrer Hitzestabilität und außerordentlichen Stabilität
seit vielen Jahren bei der Herstellung von abwaschbaren
Jacken, Teflonpfannen, Reinigungsmitteln sowie
Feuerlöschmitteln eingesetzt und spielen
auch in der Papier-, Leder- und Fotoindustrie
eine wichtige Rolle. Bei den in den Gewässern
und Böden nachgewiesenen Stoffen handelt
es sich um die prominenten Vertreter Perfluoroctansäure
(PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS).
Befunde aus Tierversuchen legen den Verdacht
nahe, dass PFT, in höheren Dosen über
längere Zeit aufgenommen, Krebs auslösen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen
kann.
Ob
und in welchem Maße derartige gesundheitliche Auswirkungen
tatsächlich auch für den Menschen langfristig
zutreffen können, steht noch offen. Bekannt und
bei der Bewertung zu berücksichtigen ist lediglich,
dass die aus sehr stabilen Verbindungen bestehende
Substanz sehr schwer abbaubar ist und deshalb
von einem langen Verbleiben in der Umwelt und im Körper ausgegangen werden muss.
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Kurz
nach dem Nachweis erhöhter PFT-Werte im Trinkwasser und auf den
landwirtschaftlichen Flächen wurden auch in einem Teich an der
Möhnetalsperre, einem der größten Trinkwasserspeicher Nordrhein-Westfalens,
verseuchte Forellen entdeckt. Dies war ein erster Beleg
dafür, dass sich die Substanz in der Nahrungskette
einschließlich des Menschen anreichert.
Dass
sich PFT tatsächlich auch vom menschlichen Organismus
aufgenommen wird, konnte durch eine Studie gezeigt werden,
deren Ergebnisse jüngst veröffentlicht wurden:
Forscher der Universität Bochum haben 340 Personen
aus Arnsberg sowie eine gleichstarke Gruppe aus Brilon und Siegen getestet
und herausgefunden, dass sich im Mittel bei den Arnsbergern fünf-
bis achtfach höhere PFOA-Werte im Blut als bei
den Vergleichsgruppen finden. Bei PFOS und anderen
PFT Verbindungen gab es dagegen keine Ortsunterschiede.
Auch in der Muttermilch konnten Spuren von PFT festgestellt
werden, die Anlass zur Sorge um die Gesundheit gaben.
Von diesen Befunden lassen sich jedoch keine Aussagen über
die eventuellen gesundheitlichen Auswirkungen ableiten.
Auf
Veranlassung des nordrheinwestfälischen Umweltministeriums
haben sich mittlerweile Europäisches Parlament, Europäische Kommission
und Ministerrat endgültig auf ein Verbot der wichtigsten Untergruppen von PFT verständigt.
Die
betroffenen Wasserwerke haben bereits unter hohen Investitionskosten
Aktivkohlefilter in ihre Anlagen eingebaut, um die persistente
(schwer abbaubare) Substanz zu eliminieren. - ad / va -
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PFT-vergiftete
Klärschlämme werden verbrannt
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Im Gefolge der oben erwähnten PFT-Panscherei wurden auch die
Klärschlämme mehrerer kommunaler Kläranlagen mit PFT
vergiftet. Die PFTbelasteten Klärschlämme werden jetzt verbrannt
- obwohl Skeptiker Zweifel äußerten, ob die hitzeresistenten PFTs
in Verbrennungsanlagen überhaupt vernichtet werden können.
Demgegenüber stellte das nordrhein-westfälische Umweltministerium
am 14.2.2007 fest:
„Die
Entsorgung von PFT-belasteten Klärschlämmen in geeigneten
Verbrennungsanlagen ist umweltverträglich. Dies ist das
Ergebnis aus einem Messprogramm an der Klärschlammverbrennungsanlage in
Werdohl-Elverlingsen, in der mit PFT belastete Klärschlämme
verbrannt wurden. Anlagen, die für den Einsatz von Klärschlamm zugelassen sind und die strengen
Grenzwerte der 17. Verordnung zum Bundesimmissionsschutz-
Gesetz einhalten, sind geeignet, diese Abfälle sicher zu entsorgen.“
Im
Abschlussbericht eines Verbrennungsversuchs sei dargelegt worden,
„dass
weder im Abgasstrom noch in den Rückständen aus
der Rauchgasreinigung, wie Filterasche oder Gips, PFOA
oder PFOS, die in der Umwelt vorkommenden Untergruppen von PFT, nachgewiesen werden konnten“.
Nachdem
in immer mehr nordrhein-westfälischen Kläranlagen
PFT-Konzentrationen (PFOS und PFOA) von bis zu 1.400 µg
pro Kilogramm Trockensubstanz (TS) in der Summe nachgewiesen werden
konnten, hatte das Düsseldorfer Umweltministerium „im
Zuge seiner vorsorgeorientierten PFT-Strategie“ veranlasst,
dass kommunale und verbandliche Kläranlagenbetreiber
und relevante direkt einleitende Industriebetriebe ihr
Abwasser auf PFT untersuchen lassen sollten. Bei erhöhten
PFTGehalten von mehr als 300 ng/l im Abwasser müsse eine
Ursachensuche erfolgen. Klärschlämme mit PFT-Gehalten
von mehr als 100 µg/kg TS in der Summe von PFOS
und PFOA werden als nicht geeignet für eine landwirtschaftliche
oder landbauliche Verwertung angesehen und sollten verbrannt
werden.
Zur „vorsorgeorientierten
PFT-Strategie“ in NRW hat der dortige BUND erhebliche
Zweifel geäußert. Die PFT-Panscherei sei nur
möglich gewesen, weil die Behörden (insbesondere
die Abfallbehörde bei der zuständigen Bezirksregierung)
trotz vorliegender Indizien auf umweltkrimininelle Machenschaften das
weit verzweigte Firmenimperium der GW Umwelt GmbH gewähren
ließen. Der BUND hat inzwischen Strafanzeige gestellt.
Weitere Auskunft:
Landesarbeitskreis
Wasser
im BUND LV NRW - z. Hd. Herrn Paul Kröfges
Helzener Str. 39
51570 Windeck
Tel.: 02292 681642; Fax: 02292 681643
mobil: 0173 2794489
E-Mail: paul.kroefges@bund.net
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PFT-Panscher
festgenommen
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50 000 Tonnen von giftigem „Dünger“ - das sind
1.900 Lastwagenladungen - hatten die Manager der Paderborner GW
Umwelt GmbH auf Felder in Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt
und Mecklenburg-Vorpommern gekarrt.
Obwohl seit Sommer
2006 immer neue Machenschaften in der PFT-Affäre
offenkundig wurden, brauchten die Ermittlungsbehörden bis
zum 20. Dez. 2006, um den Geschäftsführer
von "GW Umwelt" sowie seine zwei leitenden
Ingenieure endgültig festzusetzen. Gegen sie wird
wegen Betrugs und dem "unerlaubten Umgang mit gefährlichen
Stoffen" ermittelt. Darauf stehen bis zu zehn Jahre
Gefängnis. Der "GW-Umwelt"-Chef war wegen der Lieferung
des PFT-„Düngers“ schon zuvor kurzfristig
in Untersuchungshaft genommen worden. Er kam wieder frei, weil
angeblich keine Verdunklungsgefahr bestand.
Der erneuten
Festnahme lag der Import schadstoffhaltiger Schlämme aus den
Niederlanden zu Grunde. In den Niederlanden entsorgt
die Firma "Vartec" Schlämme aus kommunalen Kläranlagen. In
diese Kläranlagen wurden aber nicht nur Abwasser aus
normalen Haushalten, sondern auch giftige Industrieabwässer
eingeleitet. Normalerweise werden solchermaßen
belastete Klärschlamm auch in den Niederlanden
verbrannt. "GW Umwelt" soll den Holländern
ein Angebot gemacht haben, nach dem man über eine
geniale Technik verfüge, mit der der schadstoffhaltige
Schlamm entgiftet und in Dünger umgewandelt werden
könne. Die Behörden in den Niederlanden gaben
grünes Licht - 50.000 Tonnen der Pampe wurden nach
Paderborn geliefert. Dort versetzte man laut Staatsanwaltschaft
die brisante Fracht mit ein wenig Kalk und lieferte
die heiße Ware unter Umgehung der deutschen Klärschlammverordnung
an Landwirte aus.
Nach Bekanntwerden dieser
Machenschaften äußerte sich der hessischen Bauernverband
sauer auf Nordrhein- Westfalen: NRW sei das einzige Bundesland, in dem
es erlaubt sei, dem Klärschlamm auch Abfälle aus
der Lebensmittelindustrie und andere Stoffe wie Flugasche
oder Papier zuzusetzen. Dieser so belastete Schlamm
werde anschließend frecherweise in andere Bundesländer
verkauft. (Nach einem Bericht der HNA vom 21.12.2006).
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PFT-Welle
schwappt nach Baden-Württemberg
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Lange hat es gedauert, bis nach dem Offenkundigwerden des
PFT-Skandals in NRW im Sommer letzten Jahres zumindest einige
weitere Bundesländer begonnen
haben, ihre Kläranlagen systematisch auf PFT zu überprüfen.
Jetzt ist man (fast erwartungsgemäß) auch in Baden-Württemberg
fündig geworden.
Wie das Stuttgarter
Umweltministerium am 20. März 2007 bekannt gab,
wurden im Klärschlamm der Kläranlage Schiltach
(Landkreis Rottweil) erhöhte Werte der PFT-Chemikalie
PFOS festgestellt. Der Höchstwert lag bei fünf
Milligramm pro Kilogramm Klärschlamm in der Trockenmasse [mg/kg
TM]. Der in Schiltach gemessene Wert übersteigt den
seither in Nordrhein-Westfalen für die Aufbringung
von Klärschlamm in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau
geltenden Richtwert um das 50fache. Der PFT-belastete
Klärschlamm ist nach derzeitiger Kenntnislage nicht
auf Äcker und Felder aufgebracht, sondern vorrangig
im Landschaftsbau eingesetzt worden.
Die badenwürttembergische Umweltministerin
TANJA GÖNNER (CDU) kündigte weitere Untersuchungen
im Land von Abwasser und Klärschlämmen auf
PFT an.
"Es kann
nicht ausgeschlossen werden, dass auch in anderen Anlagen
erhöhte Werte vorhanden sind."
Die Schiltacher
PFT-Funde untermauern die die restriktive Haltung des
Stuttgarter Umweltministeriums beim Einsatz von Klärschlamm als Düngemittel
in der Landwirtschaft und als Substrat im Landschaftsbau, so die Umweltministerin.
"In der Abwasserreinigung
wird mit großer Sorgfalt und hohem technischem
Aufwand das Wasser von Schadstoffen gereinigt.
Der daraus entstehende Klärschlamm hat nichts
auf Böden zu suchen. Wir müssen dafür
Sorge tragen, dass Klärschlamm und die darin
enthaltenen Schadstoffe nicht wieder zurück
in den Naturkreislauf und die Nahrungskette gelangen."
Dabei müsse
auch ein generelles Aufbringungsverbot für Klärschlamm
in Betracht gezogen werden.
"Ich wäre
sehr dafür, nach einem festzulegenden Zeitplan
bundesweit den kompletten Ausstieg aus der
Klärschlammdüngung vorzuschreiben, sobald dies europarechtlich möglich ist",
so die Umweltministerin.
Dass dies möglich sei, würden die Erfahrungen
im Land belegen. So sei nach einer vorläufigen
Statistikerhebung im Jahr 2006 der Anteil des thermisch
verwerteten Klärschlamms landesweit gegenüber
dem Jahr 2001 von 31 Prozent auf nunmehr etwa 75 Prozent gestiegen.
"Das ist
eine positive Entwicklung. Daran wird deutlich, dass
unser Werben für einen Ausstieg aus der Klärschlammdüngung
greift und es tragfähige Alternativen gibt."
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