MAKUENI. Wo sonst der Kiboko fließt, treibt der Wind Sand und Staub
vor sich her. Das Rumpeln der Trucks, die die nahe Brücke überqueren,
hallt dumpf vom leeren Flussbett wider. "Der letzte Regen
ist hier vor neun Monaten gefallen", erklärt Peter Njoroge,
der in der Gegend um Makueni für die Deutsche Welthungerhilfe
arbeitet. Fast alle Flüsse hier sind trockengefallen. Für
die Bewohner der weiten Ebene im Niemandsland von Kenia ist das
nichts Ungewöhnliches: Allenfalls zwei Mal im Jahr regnet
es hier im Niemandsland zwischen Kenias Hauptstadt Nairobi und
der Hafenstadt Mombasa. Den Rest der Zeit ist es heiß und
trocken. Dass die große Regenzeit im Mai dieses Jahres ausgefallen
ist, hat die Lage noch verschlimmert. Wasser ist Mangelware.
Juliana
Kinibios Hof liegt sechs Kilometer vom nächsten Wasserloch
entfernt. Die 45-Jährige hat sieben Kinder, ihr Mann ist seit
zehn Jahren tot. Auf dem roten, staubigen Boden vor ihren Hütten
baut sie Mais an und das hirseähnliche Sorghum. Zudem hält
sie ein paar Hühner. "Ohne Wasser überlebt hier nichts
und niemand", sagt sie und schaut auf die dornigen Zweige, die
um den Hof herum aufgeschichtet sind und vor wilden Tieren schützen
sollen. "Sechs Kilometer durch den Busch, das ist ein weiter
Weg. Manchmal habe ich an einem Tag nicht mehr als einen 20-Liter-Kanister
hierher tragen können, weil ich nach dem Marsch durch die pralle
Sonne so erschöpft war." Dabei braucht ihre Familie eigentlich
fünfmal so viel Wasser - zum Trinken, Kochen und Waschen. Wasser
für Vieh und Getreide ist da nicht eingerechnet. Doch Juliana
Kinibio hatte Glück.
Seit
einem Jahr hat sich ihr Leben radikal verändert. "Jetzt
stehe ich morgens auf, schnappe mir meine Kanister und bin kurze
Zeit später mit genug Wasser für den ganzen Tag zurück." Die
Quelle des Wassers ist von hier aus gut zu sehen: ein Berg aus Granit,
der im Sonnenlicht glänzt. Die hier lebenden Kamba nennen ihn
Uvilio, Handfläche.
Am
Fuß des Bergs stehen Frauen und Kinder in einer langen Reihe
vor einer Holzhütte und warten geduldig, dass Peter Kioko ihre
Kanister auffüllt. Der alte Mann dreht den Hahn erst auf, wenn
die Kunden bezahlt haben: 20 Liter Wasser kosten 2 Kenianische Schilling,
etwa 3 Euro-Cent. "Das Geld ist dazu da, um die Anlage in Schuss
zu halten", erklärt Kioko, zeigt auf den Berg und lacht. "Da
oben machen wir aus Granit Wasser." Dreißig bis fünfzig
Kunden kommen täglich, am Wochenende noch mehr. Dass das Wasser
ausgehen könnte, befürchtet Kioko trotz der seit neun Monate
anhaltenden Dürre nicht. "Die Hälfte der Tanks ist
noch voll, das wird bis zum Regen im November reichen."
Acht
solcher Tanks stehen am Fuß des Uvilio-Bergs. Nach der
letzten Regenzeit waren sie alle voll: mit Regenwasser, das früher
im Boden versickert ist. Welthungerhilfe-Mann Njoroge strahlt. "Es
ist eigentlich ganz einfach: Wir nutzen den Berg, um Regenwasser
zu ernten." Dazu haben Arbeiter den Berg radikal umgestaltet,
nach Anweisungen eines Wasserbauingenieurs. "Da, wo das Wasser
sonst die Flanken herunterfließt, werden Mauern gebaut, so
dass das abfließende Regenwasser ungelenkt wird", beschreibt
Njoroge den Prozess. Die wie ein Labyrinth über den Berg verteilten
Mauern sind aus Natursteinen gebaut, aber mit Beton verstärkt:
Weil die seltenen Regengüsse in den Subtropen so heftig sind,
müssen die Mauern einiges aushalten. Das Gleiche gilt für
das Reservoir, in dem das Wasser schließlich landet. "Von
hier fließt das Wasser dann noch durch einen groben Filter
aus Kieselsteinen, weiter in Rohre und schließlich in die Tanks."
Anders
als in den überdimensionalen Wassertonnen, die in Afrika
derzeit vor allem an Schulgebäuden installiert werden, lassen
sich mit solchen Bergwasserfängen Mengen an Wasser gewinnen,
die ganze Dörfer versorgen können. Die Tanks von Uvilio
haben zusammen eine Kapazität von 900 Kubikmetern und versorgen
eine Gegend, in der es in weitem Umkreis weder permanente Flüsse
noch Wasserlöcher gibt. Gut ist das vor allem für die Frauen
und Kinder, die in Kenia traditionell für das Wasserholen zuständig
sind. Die 21-jährige Alfe Kumundi ist hellauf begeistert, auch
wenn sie den schweren 20-Liter-Kanister immer noch zwei Kilometer
weit auf ihrem Rücken tragen muss. "Im letzten Jahr musste
ich viel weiter laufen, jetzt habe ich wieder Zeit, zur Schule zu
gehen." Für das fünfjährige Mädchen, das
mit einer Fünf-Liter-Flasche ansteht, bedeutet die neue Wasserstelle
mehr Zeit zum Spielen - und weniger Krankheiten. "Das trübe
Wasser aus den Wasserlöchern ist oft voller Bakterien, vor allem
die Kinder hatten ständig Durchfall und andere Krankheiten",
erinnert sich Peter Kioko. Die Zahl der Erkrankten sei im vergangenen
Jahr deutlich zurückgegangen. "Alle erzählen, dass
es weniger Kranke gibt."
Doch
nicht alles ist eitel Sonnenschein. Christina Mwanggangi, die wie
Njoroge für die Welthungerhilfe arbeitet, musste vor dem
Bau des Bergreservoirs viele Skeptiker überzeugen. "Da
war zunächst mal das Land am Fuß des Berges, das wegen
des abfließenden Regens natürlich fruchtbar ist und Bauern
gehörte." Bei Treffen mit der Bevölkerung mussten
diese Landbesitzer vom Sinn des Projekts ebenso überzeugt werden
wie diejenigen, die beim Bau Hand anlegen mussten. "Wir haben
eine klare Philosophie: Wir bezahlen Baumaterialien wie Beton, aber
was es lokal gibt, etwa Sand und Steine, muss von der Bevölkerung
besorgt werden." Das Gleiche gilt für Arbeitskraft: Die
Welthungerhilfe zahlt die Handwerker - die vielen ungelernten Arbeiter,
die für den Bau benötigt werden, rekrutieren sich aus Freiwilligen.
Doch wirkliche Probleme hat es bei den acht Bergwasserfängen,
die bisher rund um Makueni entstanden, nicht gegeben. "Wenn
die Leute erst mal überzeugt sind, dass es funktioniert, machen
sie mit." Selbst der traditionelle Priester, der den jahrhundertealten
Schrein am Fuß des Berges bewacht, gab schließlich sein
Einverständnis. Die meisten der über das Land
verteilten Inselberge gelten der einen oder anderen Gemeinde
als Heiligtum.
Für die Unterhaltung der Anlage sind die Nutzer selbst verantwortlich. "Die
Anlagen sind so gebaut, dass sie jeder kenianische Handwerker reparieren
kann", versichert Peter Njoroge. Auf diese Weise sollen die
Anlagen auch dann weiterlaufen, wenn die ausländischen Geldgeber
längst schon wieder abgezogen sind. Ökologische Bedenken
hat Njoroge nicht. "Die Berge sind kahl, wir fällen keine
Bäume und vertreiben keine Tiere." Für
die Bewohner gibt es zudem wenig Alternativen zur Wassergewinnung:
Brunnen etwa
bringen in Mkueni nichts, weil das wenige Grundwasser
versalzen ist.
Dass
die Nutzung von Regenwasser eine große Zukunft hat, glaubt
auch das UN-Umweltprogramm Unep. "Selbst ein vergleichsweise
trockenes Land wie Kenia hat das Potenzial, mit dem hiesigen Niederschlag
sechs- bis siebenmal mehr Wasser zu gewinnen, als die Bevölkerung
braucht", zitiert Unep-Chef Achim Steiner aus einer aktuellen
Studie. Dabei sei klar, dass nicht alles Regenwasser nur für
menschliche Bedürfnisse genutzt werden könne. "Aber
gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels brauchen wir eine breite
Palette von Möglichkeiten zur Gewinnung und Lagerung von Wasser.
Und Regenwasser spielt dabei eine wichtige Rolle."
Njoroge
und sein Team suchen deshalb bereits nach neuen Inselbergen. Mindestens
35 Stück, so glaubt er, sind in der Gegend von Makueni
für den Bau neuer Regenwasserfallen geeignet. "Besonders
wichtig ist das Gestein. Es muss hart sein, damit das Wasser nicht
versickert." Dass die seltsamen Labyrinthe auf den Bergen funktionieren,
hat sich herumgesprochen. Manche Gemeinden, sagt Njoroge mit einem
Lächeln, fangen schon einmal ungefragt mit Vorarbeiten an: um
einen Bergwasserfang in ihrer Nähe zu sichern.