Als
die Bundeswehr vor vier Jahren zu ihrem ersten EU-Militäreinsatz
in Afrika aufbrach, war ihre Aufgabe die eines Wasserträgers:
Deutsche Soldaten flogen französisches Mineralwasser für
ihre französischen Kollegen aus Dschibuti nach Uganda. Wenn
demnächst im sudanesischen Kriegsgebiet Darfur die größte
UN-Blauhelmmission beginnt, wird das größte logistische
Problem nicht die Verteilung von Hilfe oder der Einflug von Ausrüstung
sein, sondern der Transport von Wasser für den Einsatz selbst.
Die
26.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Mitarbeiter werden mehr
Trinkwasser haben als die sechs Millionen Einwohner Darfurs. Für
den Import des Wassers sind neue Flugpisten und gigantische Luftbrücken
erforderlich, die man zur Versorgung der lokalen Bevölkerung
als viel zu teuer ablehnen würde. Während manche Sudanesinnen
sieben Stunden in 45 Grad Hitze zur Quelle hin- und wieder zurücklaufen
müssen, um 20 Liter schmutziges Wasser für den täglichen
Bedarf ihrer Familie zu schöpfen, wird für die Soldaten
und Helfer versiegeltes Wasser eingeflogen.
Eine
der sichtbarsten Grenze zwischen Oben und Unten auf der Welt verläuft zwischen den wenigen, die sich abgefülltes Mineralwasser
aus Plastikflaschen leisten können, und dem großen Rest,
der auf eine unzuverlässige öffentliche Versorgung, Standhähne
in Höfen oder gar Flüsse, Seen und Erdlöcher angewiesen
ist. Der durschnittliche Europäer benutzt jeden Tag 200 Liter
Wasser, der durschnittliche Nordamerikaner 400 Liter, der Durchschnittsarme
in einem Entwicklungsland 10 Liter, für die er oft einen höheren
Preis bezahlt als der Bewohner eines Industrielandes. Leere Wasserflaschen
gehören in armen Ländern zu den begehrtesten Bettelgütern
für Straßenkinder.
Sauberes
und genießbares Wasser ist ein strategisches Gut geworden,
vielerorts teurer als Benzin und schwerer zu bekommen als Waffen.
Manche der Länder, in denen am wenigsten Menschen Zugang zu
sauberem Wasser haben, gehören zu denen mit den größten
Süßwasservorräten. Das regnerische, tropische Papua-Neuguinea
liegt mit einer Zugangsrate von nur 39 Prozent der sechs Millionen
Einwohner zu sauberem Wasser weltweit auf dem fünftletzten Platz,
obwohl die jährlich erneuerbare Süßwassermenge dort über
viermal so hoch ist wie in Deutschland mit seien 82 Millionen Einwohnern.
Die Demokratische Republik Kongo rangiert mit sechs Kubikmetern pro
Kopf im Jahr auf der Rangliste des Trinkwasserverbrauchs an letzter
Stelle, obwohl die Süßwasservorräte des Landes nur
von Brasilien, Russland, Kanada, den USA, Indonesien, China und Peru übertroffen
werden.
Klimawandel
und rasante Verstädterung werden in den nächsten
Jahren die bestehenden Ungleichheiten noch vergrößern.
Den Projektionen des UN-Panels zum Klimawandel zufolge werden die
verfügbaren Wassermengen vor allem dort am stärksten abnehmen,
wo es schon am wenigsten gibt: vor allem in Afrikas Sahelzone, die
sich von Mauretanien nach Somalia quer über den Kontinent erstreckt.
Dort wird Trockenheit und Dürre immer öfter Menschen ins
Elend stürzen; gesellschaftliche Konflikte, militärische
Auseinandersetzungen und Migrationsbewegungen werden zunehmen. Und
das Auftauen von Teilen des sibirischen und kanadischen Permafrosts
wird demgegenüber weite Landstriche der ohnehin wasserreichen
Subpolarregionen in versumpfte und moskitoverseuchte Feuchtigkeitshöllen
verwandeln.
Die
am schnellsten wachsenden Megastädte der Welt - in Indien,
Nigeria, Indonesien oder Brasilien - liegen zwar meist in relativ
wasserreichen Gebieten. Aber ihr Wachstum führt zu ökologischen
Problemen, und die Herausforderung, städtische Ballungsräume
mit bis zu 20 Millionen meist sehr armen Einwohnern adäquat
mit sauberem Wasser zu versorgen, erfordert Milliarden. Die nötigen
Kapitalinvestitionen für funktionierende städtische Wasser-
und Abwassersysteme weltweit belaufen sich nach Expertenschätzungen
auf unvorstellbare 2,3 Billionen Dollar in den nächsten
zwanzig Jahren.
Paradoxerweise
wird sich die globale Wasserkrise in dem Maße
verschärfen, indem andere Bemühungen zur Armutsbekämpfung
Erfolg haben. Wenn die UN-Millenniumsziele zur Halbierung der Armut
in der Welt bis 2015 erreicht werden, steigt der globale Nahrungsbedarf
stärker, als wenn mehr Menschen arm bleiben. Und ein höherer
Nahrungsbedarf bedeutet einen höheren Wasserverbrauch zum Getreideanbau.
Angaben der UN zufolge wird der Anteil der Weltbevölkerung ohne
Zugang zu sauberem Wasser von derzeit 20 Prozent bis zum Jahr 2025
auf 30 Prozent steigen. Der Anteil ohne Zugang zu sicheren sanitären
Systemen liegt bereits heute bei 40 Prozent. Der Weltgesundheitsorganisation
zufolge sind vier Fünftel aller Krankheitsfälle auf der
Welt auf verseuchtes Wasser zurückzuführen. Je mehr verschmutztes
Wasser aus defekten Abwassersystemen oder über Fäkalien
in bestehende Süßwasserbestände fließt, desto
weniger sauberes Wasser ist übrig.
Mit
zunehmenden Verteilungskämpfen um Wasser haben auch realitätsferne
utopische Ideen wieder Konjunktur. Die Zeiten, in denen sowjetische
Planer die sibirischen Flüsse umleiten wollten, um damit die
zentralasiatischen Wüsten zwecke Baumwollanbau zu bewässern,
sind zum Glück vorbei. Aber stattdessen erwägen afrikanische
und chinesische Technokraten die Umleitung großer Flüsse,
um Trockengebiete zu bewässern. Wie die Praxis zeigt, liegt
der Schlüssel zur Linderung der globalen Wasserkrise nicht in
industriellen Großprojekten, sondern in der Effizienzsteigerung
von Wassergewinnung und Wasserverbrauch auf lokaler Ebene. Darum
wird es in der kommenden Zeit gehen.