aktualisiert:
18. Juli 2008
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
14.7.2008
Dezentrale
Abwasserreinigung:
Gemeinsam geht’s billiger
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„In
der Regel ist es ein völliger Irrsinn,
einzelne Hauskläranlagen zu bauen“,
so
die deutliche Warnung von Prof. Dr.-Ing. H. LÖFFLER auf dem 49. kommunalpolitischen Treffen
vor rund 100 VertreterInnen von Bürgerinitiativen und Kommunalpolitikern
aus Ostdeutschland am 28. Juni 2008 in Dresden.
Auf
der von der sächsischen
LINKSFRAKTION einberufenen Konferenz sprach sich der Abwasserexperte
dezidiert für Gruppenlösungen aus, weil mit semidezentralen
Anlagen die beteiligten GrundstücksbesitzerInnen gegenüber
grundstücksbezogenen Einzelanlagen enorm viel Geld sparen könnten. Während
bei einer Hauskläranlage für vier Personen
mit 1.500 bis 2.000 Euro pro angeschlossenem Einwohner gerechnet
werden
müsse, würden die Kosten bei einer Gruppenlösung
für
10 bis 20 Nachbarn nur noch bei einem Viertel dieser Kosten liegen.
LÖFFLER
ging hart ins Gericht mit der ge-genwärtigen Praxis der
meisten Abwasserverbände in Sachsen. Diese mussten bis zum
30. Juni 2008 Abwasserbeseitigungskonzepte vorlegen, in denen
die Verbände
die Gemeindeareale auszuweisen hatten, die künftig dezentral
entsorgt werden müssen (siehe Kasten). Die Mehrzahl dieser
Abwasserbeseitigungskonzepte bezeichnete LÖFFLER „als
Flop“, weil sie nach „Schema
F“ erstellt worden seien. Die Mitarbeiter der Abwasserverbände
seien „auf zentrale Varianten geeicht und im Kopf nicht
frei für
de-zentrale Varianten“. Die BürgerInnen, die man noch
bis vor kurzem an die zentrale Kanalisation habe zwingen wolle,
lasse man
jetzt bei der Planung für dezentrale Abwasserbeseitigungskonzepte
im Regen stehen. Die fatale Folge dieser Ignoranz sei, dass
jeder Haus- bzw. Grundstücksbesitzer selbst nach einer halbwegs
kostengünstigen
Lösung suchen müsse. Somit drohten im ländlichen
Raum in Sachsen und in anderen ostdeutschen Bundesländern
suboptimale und viel zu teure Individuallösungen.
LÖFFLER
rief die Bürgerinitiativ-Vertreter
und Kommunalpolitiker dazu auf, von den Abwasserverbänden
offensiv einzufordern, dass diese nicht nur die Ortsteile ausweisen,
in denen künftig eine de-zentrale Abwasserreinigung vorgesehen
sei, sondern dass die Verbände und die abwasserbeseitigungspflichtigen
Kommunen qualifizierte Hilfestellung bei der Erarbeitung von
kostengünstigen Gruppenlösungen anbieten sollten.
Es sei „ein Unding“, dass die Grundstücks-
und Hausbesitzer bislang selbst die Erstellung von dezentralen
Entsorgungskonzepten
finanzieren mussten.
Außerdem
kritisierte LÖFFLER,
dass die Abwasserverbände zumindest in der Vergangenheit
semidezentrale Gruppenlösungen kaputtgerechnet hätten – insbesondere
weil sie die Anschlussrohre von den Grundstücken zur
Gruppenkläranlage
durch den öffentlichen Straßenraum projektiert
hätten.
Dies sei ungleich teuerer, als wenn man die Kanalröhren über
die Grundstücke führen würde. Die hohen Vernetzungskosten
bei einer Trassierung im öffentlichen Straßenraum
würden dann den Kostenvorteil der kleinen Gruppenkläranlagen
wieder aufgefressen.
Um
derartige Fehlplanungen künftig
zu vermeiden, verlangte LÖFFLER, dass das Dresdener
Umweltministerium eine Fortbildungsoffensive für die
planenden Ingenieure bei den Abwasserverbänden initiieren
müsse.
(Die
Vorschläge
von Prof. LÖFFLER und Frau Prof. SIEGL zu kostengünstigen
Gruppenlösungen sind in der Ausgabe 6/08 der Fachzeitschrift
WASSERWIRTSCHAFT-WASSERTECHNIK (wwt; Huss-Medien GmbH,
www.wwt-online.de) zusammen mit mehreren weiteren Beiträgen
zur dezentralen Abwasserreinigung veröffentlicht
worden.)
Abwasserbeseitigungskonzepte
in Sachsen
Zum
Jahresende 2015 muss die Abwasserentsorgung in ganz Sachsen
auf dem neuesten Stand der Technik sein, um einen guten Zustand
der Gewäs-ser zu gewährleisten. Um
diese EU-Vorgabe zu erfüllen, fördert der Freistaat
seit März
2007 auch den Bau privater Kleinkläranlagen (siehe RUNDBR. 841/1).
Rund
600.000 Sachsen, die vor allem im ländlichen Raum leben,
sind noch nicht an eine ordnungsgemäße Abwasserentsorgung
angeschlossen. Bisher wird ihr Abwasser über 178.000 meist
veraltete Anlagen und über
67.000 abflusslose Gruben entsorgt, die nun neugebaut oder auf Vordermann
gebracht werden müssen.
Eine
neue Anlage kostet einschließlich
Einbau und Transport etwa 5.000 bis 6.000 Euro. Die Investitionskosten
können
erheblich reduziert werden, wenn sich mehrere Grundstücksbesitzer
zusammenschließen
und für eine Gruppenkläranlage entscheiden. Sachsen gibt
für
eine von bis zu vier Einwohnern genutzte Anlage 1.500 Euro dazu. Für
jeden weiteren Einwohner kommen 150 Euro hinzu. Anträge
zur Förderung
sind über
den zuständigen Abwasserzweckverband oder die Gemeinde einzureichen.
Die
bis Ende Juni 2008 von den Verbänden vorzulegenden Abwasserbeseitigungskonzepte
werden derzeit von den Regierungspräsidien geprüft und
gfs. zur Überarbeitung
an die Verbände zurückgereicht. Danach kann jeder Bürger
spätestens
im Oktober 2008 vom Abwasserzweckverband oder der Gemeinde eine
Auskunft darüber
erhalten, ob er in eine private Kleinkläranlage investieren
muss oder nicht. Das Abwasserbeseitigungskonzept ist der Rahmen,
wie die
abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft diese Aufgabe
bewerkstelligt und welche Ortsteile von der Anschlusspflicht ausgenommen
werden.
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Wie gewinnt
man Nachbarn
für eine Abwassergenossenschaft?
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Die Favorisierung von Gruppenanlagen durch Prof. LÖFFLER auf der Dresdener
Abwasserkonferenz provozierte aus dem Publikum die Frage, wie man bei der
wachsenden Individualisierung der Gesellschaft die Nachbarn überhaupt
an einen Tisch bekommen könne. In vielen Fällen seien sich die
Nachbarn in herzlicher Feindschaft einander zugetan und würden sich
nicht nur um Maschendrahtzäune
an den Grundstücksgrenzen erbitterte Fehden liefern.
Für
LÖFFLER
kann die Gründung von Abwassergenossenschaften bzw. von Gesellschaften
bürgerlichen Rechts (GbR) zwischen benachbarten Grundstücksbesitzern
nur gelingen, wenn folgende Voraussetzungen aktiv gewährleistet
werden könnten.
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müsse
ein Grobkonzept für eine Gruppenlösung erarbeitet
werden. Wichtig sei dabei, dass die Bürger aktiv bereits
in die Konzeptentwicklung einbezogen würden.
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müsse
eine Bewertung möglicher Alternativen an Hand eines Bewertungsrasters
erfolgen – und zwar basierend auf Projektkostenbarwerten.
D.h. dass deutlich werden müsse, was Einzel- und
was Gruppenlösungen
einschließlich der Betriebs-, Wartungs- und Kontrollkosten
sowie der Abschreibung nach 25 oder 50 Jahren jeweils
kosten werden. Die Alternativen,
deren Bewertung und deren Folgekosten müssten eingehend
mit den Grundstücksbesitzern
diskutiert werden. Am Ende dieses Prozesses solle man
den Nachbarn noch einmal 14 Tage Bedenkzeit geben. Danach
könnten die Nachbarn geheim auf „Wahlzetteln“ ihre
Meinung, Zustimmung oder Ablehnung des Grobkonzepts
aufzeichnen.
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Aus
dieser Diskussion ergibt sich dann ein Feinkonzept, dass in der
Regel gegenüber dem ursprünglichen
Grobkonzept mehr oder wenige viele Modifikationen
enthalten wird.
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Das
Feinkonzept müsse anschließend gegenüber dem Abwasserverband „verteidigt“ werden,
um es noch einmal einer Prüfung zu unterziehen.
Durch die Bewertung sowie durch die „Verteidigung“ werde
die Gruppenlösung so stabil,
dass man sich durch „Dummschwätzer“ nicht
mehr aus der Bahn werfen lasse. Dabei könne
auch entschieden werden, ob der Abwasserverband
im Auftrag der Genossenschaft die semidezentrale
Anlagen bauen und betreiben könne – gfs.
auch in einem Contracting-Modell (siehe RUNDBRIEF
877/1).
Anschließend stehe dann die Unterzeichnung eines verbindlichen Finanzierungsvertrages
zwischen den Mitgliedern der Abwassergenossenschaft bzw. der GbR an. Hier sei
auch das Ministerium gefordert, praktikable Satzungsmodelle für die Genossen-schaften
und GbRs zu erarbeiten.
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Klarwasserablauf: „Um
Gottes Willen nicht in den Kanal!“ |
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Prof. LÖFFLER erachtete es als ungemein wichtig, dass man sich nach der
Einigung auf ein Feinkonzept umgehend an den Bau der Anlage mache. Die Zielvorgabe
2015 durch das Ministerium (siehe obenstehenden Kasten) sei verhängnisvoll,
weil viele Grundstücksbesitzer davon ausgehen würden, dass man ja
noch einige Jahre Zeit habe. LÖFFLER forderte „einen heilsamen
Zwang zu progressivwirtschaftlichen Lösungen“ ein.
Dieser
Auffassung schloss sich auch Rechtsanwältin MARTINA SAUER als
zweite Rednerin der Dresdener Abwasserkonferenz an: Die auf 2015 ausgerichtete
Förderrichtlinie
für dezentrale Abwasseranlagen in Sachsen lasse „die Einheitsfront
der Bürger zerbrechen“. Wenn die Realisierung der dezentralen
Konzepte verschleppt würde, sei erneut mit Auflagen der Behörden
zu rechnen, wobei „die Leute auseinanderdividiert“ würden.
Kritisch
setzte sich Frau SAUER mit den „Abrundungsmaßnahmen“ in
der sächsischen
Siedlungswasserwirtschaft auseinander: Um zentral entsorgte Gemeindegebiete „abzurunden“,
würde in den Ausbau der zentralen Kanalisation noch einmal ungeheuer
viel öffentliches
Geld verbraten. Der Pro-test der Bürger gegen die Zwangsanschlüsse
habe nicht dazu geführt, zentrale Konzepte in Randlagen aufzugeben.
Stattdessen seien für die Abrundungsmaßnahmen die öffentlichen
Zuschüsse
erhöht worden, um die Anschlussbeiträge auf einem halbwegs erträglichen
Niveau zu halten.
In
den Ortsteilen die jetzt für die dezentrale Abwasserentsorgung
ausgewiesen werden, werde sich künftig die rechtlich heikle Frage
stellen, wohin man mit dem Klarwasserablauf der dezentralen bzw. der
semidezentralen Kläranlagen solle. Bei der Einleitung in den nächsten
Bach oder ins Grundwasser sei auf jeden Fall eine wasserrechtliche Erlaubnis
der
Unteren Wasserbehörden erforderlich, so die Mahnung der Rechtsanwältin.
Prof.
LÖFFLER riet in diesem Zusammenhang dringend davon ab, das
gereinigte Abwasser in eventuell vorhandene „Bürgermeisterkanäle“ oder
Regenwasserkanalisationen einzuleiten: „Um Gottes Willen nicht
in den Kanal!“ Sonst werde man zu den Kosten für den Kanal
herangezogen. Bei entsprechender Grundstücksgröße
solle man Verdunstungsteiche anlegen. Hier sei es ein Vorteil von
Pflanzenkläranlagen,
dass diese im Sommer aufgrund der hohen Verdunstung des Schilfs oft
gar keinen Klarwasserablauf aufweisen würden. Ansonsten sei zu überlegen,
ob das gereinigte Abwasser nach einer hochwertigen Reinigung (beispielsweise
in Membrananlagen) als Brauch- und Bewässerungswasser verwendet
werden könne.
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Abwasserpolitik
in Ostdeutschland: „Es herrscht Unfrieden im Land!“ |
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Eingangs der zuvor genannten kommunalpolitischen Konferenz hatte die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der LINKSFRAKTION im Dresdener Landtag, Frau ANDREA ROTH,
den bis vor kurzem amtierenden sächsischen Umweltminister ROLAND WÖLLER
gelobt. Im Hinblick auf eine neue Abwasserpolitik habe die Landesregierung „kluge
Grundsätze“ formuliert, die aber zumindest von einigen Zweckverbänden
missachtet würden.
WÖLLER
habe deshalb einen Brief an die Abwasserverbände und die abwasserbeseitigungspflichtigen
Kommunen gerichtet, und diese aufgefordert, mehr auf die Einbeziehung
der Bevölkerung
bei der Erstellung von Abwasser-beseitigungskonzepten zu achten.
Ferner hatte sich WÖLLER in seinem Schreiben für eine stärkere
Berücksichtigung von kostengünstigen Gruppenlösungen
ausgesprochen.
Frau
ROTH (MdL) konstatierte in ihrer Einleitung, dass „Unfrieden
im Lande“ herrsche: Während Bürgerinitiativen bislang
vehement gegen Zwangsanschlüsse an die zentrale Kanalisation
opponiert hätten, würden jetzt Bürgerinitiativen „wie
Pilze aus dem Boden sprießen“, die ultimativ den Anschluss
an die Kanalisation einfordern würden. Dem wurde auf der
Abwasserkonferenz in Dresden von einer langjährigen BI-Aktivistin
zuge-stimmt:
„Die
von uns bei vielen Verbänden durchgesetzte Umstellung von Abwasserbeiträgen
auf eine reine Gebührenumlage fällt uns jetzt auf die Füße.
Während beim zentralen Anschluss nur Gebühren anfallen, müssen
in den dezentral entsorgten Gebieten die Leute mehrere Tausend Euro für
Kleinkläranlagen aufbringen. Klar, dass jetzt alle auf einmal an
den zentralen Kanal streben.“
Die
zentrifugalen Wirkungen, die die Abwasserbe-seitigungskonzepte in Sachsen
auslösen, werden auch Thema des 50. kommunalpolitischen Treffens sein,
zu dem die Landtagsabgeordnete ROTH für den 27. Sept. 2008 nach Dresden
eingeladen hat.
Weitere
Auskunft:
Frau Ute Neubert
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 D r e s d e n
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
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