Alles
auf Stopp bei der Kalilaugen-Versenkung in Thüringen, höchstens
drei Jahre Gnadenfrist in Hessen, ganz neue Wege aus der Abfallklemme,
für die der Kasseler Düngerkonzern K+S richtig viel Geld
in die Hand nehmen will - jetzt geht es an der Werra Schlag auf
Schlag:
Mit
einem Investitionspaket von bis zu 360 Mio. Euro, das die Umweltprobleme
der Kaliproduktion bis 2015 deutlich entschärfen soll, überraschte
der Kasseler Düngerkonzern K+S Ende Oktober. Am Montag gab
Thüringens Landesbergamt brisante Messwerte preis, die belegen:
An der Werra ist es fünf vor zwölf.
Das
wird ein Topthema der Sondersitzung am runden Tisch zur Werraversalzung
am Mittwoch: Abwässer aus Kaliwerken einfach im porösen
Tiefengestein des Plattendolomit verschwinden zu lassen - das
soll nach gut 80 Jahren vorbei sein. Hessen will diesen Entsorgungsweg
nicht über 2011 hinaus erlauben. In Thüringen gilt
das Kapitel ab sofort als erledigt. Die Versenkung im "Pufferspeicher" bei
Gerstungen liegt seit gut einem Jahr still. Eine weitere Genehmigung
sei "nicht begründbar", stellte Umweltstaatssekretär
Stefan Baldus (CDU) schon vor Tagen klar.
Der
Anlass dafür stammt aus 480 Metern Tiefe einer neuen Bohrung
im Buntsandstein: Die brachte Extremgehalte an Kalium, Magnesium
und Bromid im Grundwasser zu Tage. Und so den Nachweis aufsteigender
Versenklauge, die dort eigentlich nicht sein darf. Gerstungens
Bürgermeister Werner Hartung sieht sich nach jahrelangen
Mahnungen bestätigt. Die Alarmwerte des Bergamts kennt er
seit Wochen: aus eigenen Messungen in einer Pfütze, die
die Bohrfirma am Loch liegen ließ. Eine zweite, möglicherweise
sogar brisantere Datenreihe aus 180 Metern Tiefe (also noch näher
am Trinkwasser) bleibt unter Verschluss. Sie sei, heißt
es im Bergamt, "nicht repräsentativ".
Die
Lauge aus dem angeblich dichten Plattendolomit steigt langsam
zurück. Versenkt wurde im Werrarevier seit 1925 eine Milliarde
Kubikmeter (fünffache Füllung des Edersees). Davon
seien bereits 30 Prozent im Grundwasserleiter Buntsandstein unterwegs,
fürchtet Hessens Umweltministerium. Anzeichen für Laugen-Einfluss
im Trinkwasser? Keine, ließ Thüringens Bergamt am
Montag wissen. Und schränkte den Satz mit einem "derzeit" ein.
Hier
der Punktsieg für Gerstungen, dort Vorwärtsverteidigung
der Genehmigungsbehörden: In beiden Ländern laufen
Strafanzeigen wegen Gewässerverunreinigung. In Thüringen
geht es vor dem Verwaltungsgericht zudem um den Vorwurf, dass
das Bergamt schon den Probebetrieb des Pufferspeichers nicht
hätte zulassen dürfen. Gerstungens Anwalt Stefan Reitinger:
Seit Jahren stütze "nichts als der Wunsch" die
Behauptung, der Plattendolomit sei dicht und das Trinkwasser
sicher. Wer wusste wann wie viel oder hätte es zumindest
wissen müssen? Diese Frage wird Staatsanwälte und Richter
beschäftigen.
K+S
räumt einen "lokal begrenzten Einfluss von Salzlösungen" ein.
Trinkwasserhorizonte seien nicht betroffen - man strebe in der
Gerstunger Mulde weiter eine "zeitlich und mengenmäßig
begrenzte Versenkung" an. Ohne die muss K+S eine andere "Bleibe" für
jährlich bis zu 700 000 Kubikmeter Lauge aus Unterbreizbach
finden. Als Notlager darf der Konzern Teilbaue der stillgelegten
Kaligrube Springen fluten.
Die
aber sind bis zum Frühjahr voll. Auch in Hessen steigt der
Druck: Ralf Krupp, der Gerstunger Gutachter, hat vor der Versalzung
des Trinkwassers schon 2007 gewarnt. Und das Aus für die
Versenkung gefordert - sofort und komplett. Auch im hessischen
Versenkgebiet Kleinensee: Von dort habe die unterirdische Versalzungsfront
Gerstungen erreicht, sie sei unterwegs Richtung Eisenach.
Hintergrund:
Über
50 Brunnen
- Kalilauge
wird seit 1925 versenkt, in mehr als 50 Bohrungen bislang.
Ein Dutzend sind derzeit in Betrieb - alle in Hessen.
Versenken ist für K+S genauso wichtig wie Einleiten
in die Werra: Jeweils 6 bis 7 Mio. m3 Lauge werden
so jährlich entsorgt.
- Die
alte DDR-Versenkung wurde in den 60er-Jahren dichtgemacht:
Damals war aufsteigende Lauge plötzlich aus Wiesen
gebrochen und hatte Eisenachs Wasserversorgung gefährdet.
Der DDR-"Ausweg": ab in die Werra. Folge:
In den schlimmsten Zeiten trug die Werra 30 Gramm Chlorid
pro Liter zur Nordsee - statt der nun zulässigen
2,5 Gramm
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