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24. Februar 2008

 

 

 

 

 

 

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taz 29.1.2008

Amtliches Ergebnis des Bürgerentscheids
Weitere Informationen zum Leipziger Bürgerbegehren

Leipziger stoppen Stadtwerke-Verkauf

In einem Bürgerentscheid stimmt die große Mehrheit der Leipziger gegen die geplante Teilprivatisierung der Stadtwerke. Der Bürgeraufstand ist ein Beispiel von vielen: Auch in anderen Städten nutzen Bürger Basisdemokratie, um Verkäufe zu verhindern


von ULRICH SCHULTE

 



Leipzigs Oberbürgermeister zeigte sich flexibel. Das Ergebnis des Bürgerentscheids sei "ein klares Bekenntnis" der Leipziger zu städtischen Unternehmen, sagte Burkhard Jung (SPD). "Im Ergebnis zeigten die Bürger allen hemmungslosen Privatisierern die rote Karte", applaudierte er. Obwohl Jung selbst es war, der einen Minderheitsanteil der Stadtwerke von 49,9 Prozent an den französischen Konzern Gaz de France verkaufen wollte, um Schulden abzubauen. Am Sonntagabend war klar, dass die Bürger diesen Plan kippen.

Knapp 149.000 stimmten im ersten Bürgerentscheid Leipzigs gegen die Teilprivatisierung, das waren rund 87 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Bürgerinitiative, die gegen den Verkauf mobilisiert hatte, wertete das Votum als "großen Erfolg für die Demokratie". Mitinitiator Mike Nagler sagte am Montag: "Das Ergebnis gibt der Politik eine klare Richtungsvorgabe, wie sie künftig mit kommunalen Unternehmen umzugehen hat."

Tatsächlich haben die Leipziger nicht nur über die Stadtwerke entschieden, sondern sämtliche Großverkäufe städtischen Eigentums in den nächsten drei Jahren wirksam verhindert. So lange ist das Ergebnis bindend. Der Bürgerentscheid bezog sich nämlich allgemein auf "kommunale Unternehmen und Betriebe, die der Daseinsvorsorge dienen" - zu denen zählen in Leipzig zum Beispiel auch die Wasserwerke, die Stadtreinigung, eine Wohnungsbaugesellschaft oder ein Krankenhaus. "Ich setze künftig auf die weitere Stärkung der kommunalen Familie", kündigte Jung gehorsam an. Die Stadtwerke wirtschaften profitabel und machen jedes Jahr einen Gewinn von 40 Millionen Euro.

Jung muss nun eisern sparen. Sein Haushaltsentwurf, der Anfang Februar beschlossen werden sollte, ist hinfällig, weil er auf den Stadtwerke-Einnahmen basiert. Gaz de France hatte 520 Millionen Euro für die Stadtwerke-Anteile geboten. Den Erlös wollte Jung nutzen, um Kredite der Stadt und der Stadtwerke-Muttergesellschaft, der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft, zu tilgen und um in Kitas und Schulen zu investieren. Alle Ausgaben gehörten jetzt auf den Prüfstand, sagte Jung. "Wir werden heftig rudern müssen."

Nagler von der Bürgerinitiative glaubt nicht, dass das Problem der Verschuldung mit Verkäufen zu lösen ist. "Dresden ist das beste Beispiel. Die Stadt nimmt in diesem Jahr wieder sechs Millionen Euro Schulden auf. Und wieder sind Privatisierungen in der Diskussion." Dresden hatte vor zwei Jahren seinen kompletten Wohnungsbestand für fast 1,7 Milliarden Euro an einen US-Investor verkauft - und auf einen Schlag alle Schulden getilgt.

Der Leipziger Bürgeraufstand steht für einen Trend. Nach Angaben des Vereins Mehr Demokratie sind Privatisierungen städtischer Betriebe immer wieder Thema direktdemokratischer Initiativen. Ende 2006 verhinderte ein Bürgerentscheid in Freiburg den Verkauf städtischer Wohnungen, in Meißen wurde die Entscheidung für den mehrheitlichen Verkauf der Kliniken zurückgenommen. Und in Schwerin entschied der Stadtrat Mitte 2007 gegen den Verkauf der Wohnungsgesellschaft - ganz im Sinne eines Bürgerbegehrens.

 

 
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