Die
Belastung der Ruhr mit „Perfluorierten Tensiden“ (PFT,
s. RUNDBR. 873/2-3, 854/2-4, 851/2-3) hat vor allem in der nordrhein-westfälischen
Politik und Presse zu einer hochpolitisch aufgeladenen Debatte geführt – die
völlig aus dem Ruder gelaufen ist! Die Konsequenzen, die in Politik
und Presse aus der Belastung gezogen werden, zäumen das Pferd
von hinten auf:
Ausgerechnet
die Letzten in der Kette zwischen industrieller PFT-Nutzung, Abwassereinleitung
und Trinkwassergewinnung – also
die Wasserwerke entlang der Ruhr - wurden für die PFT-Belastung
der TrinkwasserkonsumentInnen verantwortlich gemacht. Die Wasserwerke
sollten dauerhaft mit einer Aufrüstung ihrer Aufbereitungsanlagen
die Gefahr bannen, so die lauthals vorgetragene Forderung.
Neben
den PFT-Emissionen aus verseuchten Ackerflächen im oberen
Ruhr-Einzugsgebiet wird jetzt zunehmend deutlich, dass indirekt-einleitende
Industrie-
und Gewerbegebiete maßgebliche PFT-Frachten zur Belastung
der Ruhr beisteuern. Im Gefolge dieser Erkenntnis bekommt derzeit
auch
der RUHRVERBAND Prügel, weil er in seinen Kläranlagen
das PFT nicht aus dem Abwasser holt. Bei den gut wasserlöslichen
Stoffen aus der PFT-Familie würde eine PFT-Eliminierung in
den Verbands-Kläranlagen
enorme Investitionen nach sich ziehen, die zudem mit einem beachtlich
höheren Energiebedarf und Abfallanfall verbunden wären.
Sonderbarerweise
fordert kaum jemand der politischen Akteure in NRW die konsequente
Durchset-zung des Verursacherprinzips. Neben einer effizienten
Sanierung der kontaminierten Ackerflächen kann vernünftigerweise
nur die radikale Einschränkung der PFT-Nutzung im industriell-gewerblichen
Bereich die PFT-Frachten in der Ruhr wirkungsvoll begrenzen.
Wobei man darauf acht geben muss, dass in der Textil-, Papier-
und Metallbranche
die hochfluorierten PFTs nicht durch geringer fluorierte Tenside
mit niedrigerem Molekulargewicht ersetzt werden. Diese wären
noch schwieriger zu analysieren und würden noch leichter
bis in die Trinkwassergewinnung
durchbrechen. Denn die derzeit eingesetzten PFTs sind „nur
die Spitze eines Eisberges“, wie Prof. WOLFGANG KÜHN vom
Technologiezentrum Wasser auf der WAT2008 am 22. Februar 2008 in
Augsburg hervorgehoben
hat.
Die
Politiker, die in NRW mit dem Brustton der moralischen Empörung
die Wasserwerke wegen ihrer ungenügenden Aufbereitungstechnologie
geißeln, ignorieren folgendes: Je höher der Aufbereitungsaufwand
getrieben wird, desto weiter wird sich Trinkwasser von einem Naturprodukt
entfernen – hin zu einem Sterilwasser, dem beispielsweise nach
einer Nanofiltration Mineralien wieder künstlich zugesetzt werden
müssten. Während dies aber eher noch als „Geschmacksfrage“ einzustufen
wäre, hat die Aufrüstung von Wasserwerken zu Wasserfabriken
auch politisch fatale Faktoren. Je hochgezüchteter die Aufbereitungstechnik
im Wasserwerk, desto mehr kann die Politik mit vergleichsweise hohen
Schadstoffkonzentrationen und –frachten in den Flüssen
leben: Das Wasserwerk als Wasserfabrik wird es ja schon richten.
Auch
das Engagement der Wasserwerker beim vorsorgenden Gewässerschutz
wird nach Einrichtung eines „Ultra-Wasserwerks“ nicht
gerade zunehmen. Bislang waren die Wasserwerker die natürlichen
Verbündenden
der Umweltverbände,
wenn es um die vorsorgende Eliminierung von Schadstoffquellen ging – nicht
nur im industriell-gewerblichen Bereich, sondern beispielsweise auch
im Landwirtschaftsbereich bei der Reduzierung des Eintrages von Agrochemikalien
wie Stickstoffdüngern oder Pestiziden. Mithin höchste Zeit,
dass die PFT-Debatte in NRW vom Kopf auf die Füße gestellt
wird – gerade auch von Seiten der GRÜNEN.
-ng-