Ein
Idyll in Oberbayern. Hier im Tal der Mangfall fördert München
sein Trinkwasser. 180 Mio. Euro hat die Stadt gerade erst wieder investiert.
Die Münchner bekommen dafür eines der besten und günstigsten
Trinkwasser im Land – aus einem Betrieb, zu 100 Prozent in kommunaler
Hand. „Wasser ist ein Lebensmittel, das unverzichtbar ist, keine
beliebige Handelsware“, sagt der Münchener Oberbürgermeister
Christian Ude, SPD. Das Gegenbeispiel ist Berlin. Vor neun Jahren wurde
die Hälfte der Wasserversorgung an private Investoren verkauft.
Das Ziel: Haushaltssanierung.
Die Bilanz des Finanzsenators
Thilo Sarrazin, SPD, ist ernüchternd: „Aus
heutiger Sicht würde ich so eine Entscheidung nicht treffen ...
ich kann aber auch nicht sagen, dass sie radikal falsch war.“ Das
sieht Gerlinde Schermer, SPD („Bürgerinitiative Berliner Wassertisch“)
ganz anders. Sie war eine der wenigen Abgeordneten im Berliner Landtag,
die gegen den Wasserverkauf stimmten: „Die Teilprivatisierung der
Berliner Wasserbetriebe ist ein Desaster. Einmal für die Bevölkerung
wegen der Preissteigerung. Zum anderen hat auch das Land Berlin einen
Nachteil, weil sie die Einnahmen aus den Wasserbetrieben nicht mehr bekommen,
die sie früher bekommen haben.“
Kein
Wettbewerb sondern Zwangsverpflichtung
Tatsächlich stieg in Berlin der Preis im Bundesvergleich besonders
stark. Seit 2004 um 30 Prozent. Gleichzeitig kassierten seit der Privatisierung
1999 die privaten Investoren RWE und Veolia 69 Prozent der Gewinne. Dem
Land Berlin blieben davon rund 30 Prozent. Für die ungleiche Verteilung
zu Gunsten der privaten Investoren garantiert der geheime Kaufvertrag. „Von
Berlin kann man lernen, dass man einen Monopolbetrieb nicht privatisiert
auch nicht teilprivatisiert, sagt Schermer, weil alle Bürger zwangsverpflichtet
sind bei diesem Betrieb zu kaufen. Es gibt keinen Wettbewerb. Wir alle
müssen kaufen, ob wir wollen oder nicht.“
Professor Thomas
Lenk ist Finanzwissenschaftler der Universität
Leipzig und Experte für kommunale Betriebe. Er hat bundesweit die
Privatisierung der Wasserbetriebe unter die Lupe genommen. Ein Ergebnis:
Vom Verkauf, nur um kurzfristig den Haushalt zu sanieren, rät er
ab. Lenk weiß, warum Wasser für private Investoren so attraktiv
ist: „Wenn sie bedenken, dass RWE mit seiner Wassertochter im Prinzip
25 Prozent des Gewinnes mit 10 Prozent des Umsatzes des RWE Konzerns
gemacht hat, dann sehen sie, wie viel Renditechancen in diesem Gut Wasser
drin sind. Das ist natürlich so, weil bei Wasser der Nachfrager
sehr unflexibel ist, sie müssen Preiserhöhungen im Prinzip
mitgehen. Wir sind abhängig von diesem Gut.“
Langfristiges
Denken wird bestraft ...
Auch
in Stuttgart ist die Wasserversorgung seit sechs Jahren zu hundert
Prozent in privater Hand. Das treibt zuweilen seltsame Blüten: Zum
Beispiel die Preiserhöhung von sieben Prozent im vergangenen Jahr.
Weil die Stuttgarter weniger Wasser verbrauchten, setzte der private
Versorger EnBW den Preis hoch. Jens Löwe von der Bürgerinitiative „Wasserforum
Stuttgart“ regt das auf. Für den sparsamen Umgang mit dem
wertvollen Gut Wasser werden die Bürger auch noch bestraft: „Weil
der Konzern mit dem Wasser Geld verdienen möchte, hat er die
Interessenlage, dass viel Wasser verbraucht wird.
Wäre das Wasser noch in öffentlicher Hand, dann wäre
die Interessenslage eine andere, nämlich die, dass man möglichst
sparsam mit dem Wasser umgeht.“ Eigenartig auch: Was die Wasserwerke
wirklich wert sind, weiß die Stadt bis heute nicht. Denn ein Preis
für die lukrative Wassersparte wurde beim Verkauf an den EnBW-Konzern
gar nicht ermittelt. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang
Schuster, CDU, versucht zu erklären: „Wir haben ein Aktienpaket
verkauft und von daher war das Teil dieses Aktienpaketes. Klar ist aber,
dass das Trinkwasser von der Wertigkeit nicht bedeutend war. Weil man
da nicht frei Gewinne gestalten kann, sondern nur Kosten ersetzt bekommt.“
...wenn
nur kurzfristige Rendite zählt
Das sieht Finanzwissenschaftler Lenk ganz anders. Seine Bilanz nach
zehn Jahren Wasserprivatisierung in Deutschland: Investoren steigen
ein, weil
mit Wasser richtig Geld verdient wird. „Mittelfristig ist es in
der Regel so, dass gerade die Wasserwerke eher sehr rentabel arbeiten,
sagt Lenk. Sie könnten Gewinne durchaus an den Haushalt abführen,
so dass mittelfristig den meisten Kommunen anzuraten sei, die Wasserwerke
zu halten.
In München sind sie sich über alle Parteigrenzen hinweg einig:
Es geht um mehr als Rendite. Zum Beispiel um die richtige Landwirtschaft
im Trinkwasserschutzgebiet, weiß Oberbürgermeister Ude: Solche
Maßnahmen wie ökologischer Landbau, der sich erst in 60 oder
80 Jahren positiv auswirkt, würde ein privater Investor, der ganz
schnell hohe Renditen erzielen muss, niemals in Angriff nehmen.“ Die
Bilanz der Privatisierung der Wasserversorgung in Deutschland - sie fällt
ernüchternd aus. Die Bürger haben keinen Preisvorteil und die
Kommunen geben eine sichere Einnahmequelle aus der Hand.