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28. Januar 2008

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 13.12.2008

 

Schattenboxen beim "Wassersparen"

 



Zur Rezension des "Anti-Wasserspar-Buches" von H.-J. LEIST im Rundbrief 874/1 gibt es eine erste Kritik. Weitere Stellungnahmen sind erwünscht!

"Wer sich wie H.-J. LEIST beim Wassersparen jahrelang sehr auf ein Thema fixiert, verliert den Überblick. Nur kurz: Falls es in Ökofragen bei Deutschen ein Dogma geben sollte, dann allenfalls die Mülltrennung. Wassersparen ist seit Jahren in der öffentlichen Diskussion kaum vertreten, von "gebetsmühlenhafter Wiederholung" konnte weder früher, geschweige denn kann heute davon die Rede sein. Immerhin wurde aber noch im August 2007 vom Bundeswirtschaftsministerium der "sehr" sparsame Umgang mit der Ressource Wasser im internationalen Vergleich zaghaft gelobt.

Wassersparen als Programm begann in der ersten Hälfte der achtziger Jahre in Saarbrücken und Hamburg, später Frankfurt und hatte u.a. im Bereich der öffentlichen Einrichtungen deutliche und sinnvolle Erfolge. In Hamburg wurden im Haushaltsbereich stärkere Wirkungen durch den Einbau von Wohnungswasserzählern erzielt. Dies geschah ohne Einbußen an Alltagskomfort und Volksgesundheit. Wie weit die Verhaltenskontrolle gehen kann, zeigen die Rückgänge der Durchschnittverbräuche auf weit unter 100 Liter (das heißt Halbierung) in vielen ostdeutschen Städten nach dem vereinigungsbedingten Preisschock. Dabei gab es keine Appelle, "auf Teufel komm raus" zu sparen, wie übrigens bei vielen westlichen Wasserversorgern ohnehin zu keiner Zeit.

Die Annahme, Wassersparen als ablassähnliche verinnerlichte Verhaltensmaxime zeige echte Wirkungen, wird durch die Fakten und die einschlägigen Studien nicht gestützt. Die seit Beginn der neunziger Jahre im alten Bundesgebiet ziemlich gleichmäßig einsetzenden Verbrauchsrückgänge um rund ein Prozent jährlich sind weit überwiegend auf den Kauf drastisch verbrauchsreduzierter Waschmaschinen etc. und WC-Spülkasten mit wählbarer Spülmenge zurückzuführen. Wer allerdings meint, es stünde einem hochentwickelten Industrieland und einer einmal auf sich stolzen Wasserwirtschaft gut zu Gesicht, hierzulande bei jedem WC-Besuch mit 9 bis 10 Litern spülen zu müssen, sollte sich besser aus der Diskussion zurückziehen.

Ähnlich sieht es mit den seit etwa sieben Jahren herumwabernden Behauptungen aus, der Verbrauchsrückgang führe zu verbreiteten Transportschwierigkeiten in den Abwasserleitungen, dadurch bedingten Spülungszwängen und in den Trinkwasserleitungen durch Stagnationswasser und Verkeimungsprobleme notwendig zu Spülungen und Chlorzugaben. Problem in vielen ostdeutschen Gemeinden sind zwar unübersehbar, andererseits wird vergessen, dass Mitte der siebziger Jahre im Westen bei vergleichbaren Leitungsnetzvolumina und etwa gleichen Verbrauchsmengen wie heute niemand von den eben angesprochenen Problemen berichtet hat. Wo bleiben die validen bundesweiten Studien zu diesem Thema?

Womöglich hat der Fortschritt in der Kommerzialisierung und der damit verbundenen Argumentationskultur der Branche solche nicht nötig. Nicht zufällig propagiert LEIST gleich einen geheimen Lieblingswunsch der am stärksten "marktorientierten" Unternehmen, nämlich die drastische Anhebung des Grundpreises wie bei den Stromern. Längst liegt auch beim ehemaligen Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) ein fertiges PR-Konzept zur Verbrauchsförderung. Beides würde sich trefflich ergänzen.

Die Prioritäten beim Ressourcenverbrauch sollten sicher neu bewertet werden, aber die eigenartige Vermischung von Schattenboxen und Verkaufspolitik beim (Schein)thema Wassersparen hilft dabai sicher nicht weiter."

(HANS-WERNER KRÜGER)


BBU für Fortsetzung der Wassersparpolitik

 

 

Bereits vor der aktuellen Diskussion um das "Anti-Wassersparbuch" von LEIST hatte BBU-Vorstandsmitglied HARALD GÜLZOW im August 2007 "zum sparsamen Umgang mit Wasser" aufgerufen. In einer BBU-Pressemitteilung vom 20.8.2007 hatte GÜLZOW kritisiert, dass von Seiten der Wasserversorger seit einiger Zeit Wassersparmaßnahmen "stark in Frage gestellt und als ökonomischer Unsinn bezeichnet" würden. In der damaligen BBU-Pressemitteilung führt GÜLZOW u.a. aus:

"Diese Debatte über 'Wasser sparen' verunsichert viele Menschen in ihrem ökologieschen Handeln. Was gestern noch sinnvoll war, soll heute Unsinn sein! Dabei hat sich gar nichts geändert. In Deutschland hat das Grundwassen den größten Anteil (65%) an der Trinkwassergewinnung). Es ist ökologisch und gesundheitlich wichtig, dass mit diesem zum Teil noch sauberen Wasservorräten weiterhin sparsam umgegangen wird. Es ist nur eine neue ökonomische Betrachtungsweise der Wasserwirtschaft hinzugekommen. Die Abwasserentsorger haben im Hinblick auf einen hohen Wasserdurchsatz in den privaten Haushalten überdimensionierte Rohrleitungen verlegen lassen. Fließt jetzt zu wenig Wasser, dann lagern sich die Fäkalien in den Rohren ab, faulen vor sich hin und die entstehenden Säuren zerstören die Rohrleitungen. Die Leitungen müssen nun auf Kosten der Anlagenbetreiber regelmäßig gespült werden. Deshalb sollen die Haushalte wieder mehr Wasser verbrauchen. Doch während jeder dafür verantwortlich ist, dass mit den Ressourcen auf der Erde sparsam umgegangen wird, ist nach Auffassung des BBU die Bevölkerung nicht dafür zuständig, die Planungsfehler der Leitungsbetreiber zu korrigieren und deshalb den sparsamen Umgang mit Wasser in Frage zu stellen."

Die vollständige BBU-Pressemitteilung mit der Überschrift "BBU fordert auch in Deutschland sparsamen Umgang mit der Ressource Trinkwasser" kann angefordert werden bei

Dipl.-Phys, Harald Gülzow (BBU-Vorstandsmitlgied)
VSR-Gewässerschutz e.V.
Egmondstr. 5
47608 Geldern
Tel.: 02831/980281; Fax: 02831/976526; Handy: 0170 3856076
E-Mail: guelzow@bbu-bonn.de

 


Hier der erwähnte Artikel aus dem BBU-Wasserrundbrief Nr. 874 vom 2.12.2008:

Gegen das Wasserspardogma …

 

 

… schreibt HANS-JÜRGEN LEIST in seiner Dissertation „Wasserversorgung in Deutschland - Kritik und Lösungsansätze“ an. Leist wiederholt seine bereits früher vertretene These, dass Wassersparen als des Deutschen liebstes Hobby zum Ablasshandel verkommen ist. Durch das Engagement von Umweltverbänden sowie durch die unreflektierten und gebetsmühlenhaft wiederholten Wassersparappelle in den Medien und in der Politik werde inzwischen ohne Hirn und Verstand Wasser auf Teufel komm raus gespart.

Die Folgen des praktisch allüberall widerspruchslos akzeptierten Wassersparwahns: Zunehmende Stagnations- und Temperaturerhöhungsprobleme in immer schwächer durchflossenen Wasserversorgungsleitungen und eine damit verbundene Qualitätseinbuße bei der Trinkwassergüte. Dies könne wiederum den völlig unökologischen Flaschenwasserkonsum noch weiter ankurbeln. Auf der Abwasserseite führe die grassierende Wassersparideologie zu mangelndem Abfluss in der Kanalisation, so dass sich auch dort die betrieblichen Probleme häufen würden.

LEIST ruft die Wasserwerke dazu auf, diesem Irrsinn nicht weiterhin tatenlos zuzuschauen, sondern endlich aktiv dagegen vorzugehen. Zur Stabilisierung des Wasserbedarfs empfiehlt LEIST, dass sich die Wasserversorgungsunternehmen endlich zu einer Grundgebühr in Höhe von etwa 50 % der Gesamtwasserrechnung bekennen sollten. Eine hohe Grundgebühr spiegele den hohen Fixkostenanteil in der Wasserversorgung besser wider als der bislang dominierende Kubikmeterpreis.

Dass Wassersparen im deutschen Umweltbewusstsein einen unverdient hohen Stellenwert erobern konnte, führt LEIST auch darauf zurück, dass es die Politik bislang versäumt habe, eine Skala aufzustellen, bei welchen Ressourcen tatsächlich ein sparsamer Umgang bitter notwendig wäre. Bei einem auf Fakten statt auf Emotionen beruhenden Nachhaltigkeitsranking würde beispielsweise Energiesparen meilenweit vor dem Wassersparen liegen (wobei LEIST nicht darauf eingeht, dass einige Wasserversorgungsunternehmen auf Grund ungünstiger Topographie einen überproportional hohen Energiebedarf haben).

Das Fazit von LEIST: „Bisher fehlt ein Bewusstsein für eine eindeutige Prioritätensetzung beim Ressourcenverbrauch …“ (siehe Kasten). Auch wenn LEIST bei seiner Kritik an dieser „ressourcenpolitischen Absurdität“ gelegentlich etwas überzieht , hätten es die Thesen von LEIST verdient, nicht einfach vom Tisch gewischt zu werden. In der Wasserszene ist Kritik am „Wassersparen“ das letzte Tabu. Wobei die Kritik von LEIST noch grundlegender hätte ausfallen können, wenn er auch den Aspekt unseres „Virtuellen Wasserbedarfs“ mit einbezogen hätte - dass also unsere hiesiger Wasserbedarf minimal ist im Vergleich zu dem Wasserbedarf, den wir über den Import von biogenen Rohstoffen (zunehmend auch „Biosprit“!) und Lebensmitteln in ungleich wasserärmeren Regionen der Welt „produzieren“ (s. Rundbriefe 855/4, 823/2-3, 814/1, 806/1).

Leist, Hans-Jürgen: Wasserversorgung in Deutschland. Kritik und Lösungsansätze.
oekom verlag, München, 2007, 266 S.,
39,90 Euro, ISBN 978-3-86581-078-6

-ng-


Wo Wassersparen seine Grenzen findet

Dass beim „Wassersparen“ die Maßstäbe verloren gegangen wären, unterstreicht LEIST in seiner Dissertation u.a. mit folgenden Aussagen:

„Trinkwasser sollte nicht verschwendet werden. Wassersparen hat aber da seine Grenzen, wo es direkt oder indirekt die Qualität des Trinkwassers beeinträchtigt und mit zusätzlichen Material- und Energieaufwendungen verbunden ist [LEIST zielt dabei insbesondere auf die Regenwassernutzung im Einfamilienhausbereich ab; Anm. BBU]. Es ist widersinnig, in Deutschland bei einem Wasserverbrauch unterhalb des globalen Durchschnitts weiterhin Mittel für Wassersparmaßnahmen zu investieren, während der Energieverbrauch ein Mehrfaches des globalen Durchschnitts beträgt. Die ressourcenpolitische Absurdität besteht eben nicht darin, dass man mit 'kostbarem’ Trinkwasser die Toilette spült, sondern darin, dass man mit Strom infolge der hohen Leerlaufverluste 'Wärmemüll’ produziert und Erdölprodukte in uneffizienten Motoren 'verheizt’, oder darin, dass zunehmend Flaschenwasser mit hohen Energieaufwendungen aus anderen europäischen Ländern importiert wird.“

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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