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21. April 2009

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 3.4.2009

 

Rheinische Grenzwerte – für Trinkwasserkonsumenten oder für Bachflohkrebse?

 

Die Festsetzung von sogenannten Umweltqualitätsnormen (UQN) für Schadstoffe durch die EU und die Internationale Rheinschutzkommission (IKSR) hat für Irritationen gesorgt: Die neu erlassenen Immissionsnormen zum Schutz der Lebensgemeinschaften im Rhein sind teilweise deutlich lascher als die bislang geltenden Immissionswerte für Gewässer, die der Trinkwassergewinnung dienen.

Die auf der IKSR-Vollversammlung im Juli 2008 beschlossenen rheinischen Umweltqualitätsnormen („UQN Rhein“) basieren zum einen auf dem Katalog „prioritärer Schadstoffe“;, die in einer Tochterrichtlinie zur EG-Wasserrahmenrichtlinie enthalten sind. Darüber hinaus müssen aber zusätzlich auch rheinspezifische Schadstoffe ausgewählt und begrenzt werden (s. RUNDBR. 842/2). Die in der Tochterrichtlinie und im IKSR-Papier aufgeführten Immissionsnormen sind eine wesentliche Grundlage für die zukünftige Bewirtschaftung der Gewässer.

Der teilweise wenig strenge Charakter dieser Immissionsnormen hat nicht nur in Umweltkreisen, sondern beispielsweise auch im badenwürttembergischen Umweltminister-um, für Stirnrunzeln gesorgt. Insbesondere die Rheinwasserwerke hatten eine Aufweichung des bislang in Deutschland geltenden Vorsorgeprinzips befürchtet. Diese Befürchtung resultiert daraus, dass die EU und die IKSR immissionsseitig duale Grenzwerte eingeführt haben: Einerseits Grenzwerte, die dem vorsorgenden Trinkwasserschutz – und damit der menschlichen Gesundheit – dienen sollen, andererseits Grenzwerte, die auf die Empfindlichkeit der Gewässerlebewesen abgestimmt sind – und die Kleinkrabbeltiere sind teilweise überraschend robust.

Ein besonders krasses Beispiel: Einerseits wurde für das Pestizid Bentazon hinsichtlich des Trinkwasserschutzes der schon früher geltende Vorsorgewert von 0,1 µg/l bestätigt, während für den Schutz der Gewässerlebewesen ein Wert von 73 µg/l beschlossen wurde. Die doppelte Standardsetzung führt dazu, dass sich zwischen dem Trinkwasservorsorgewert und dem Schutzwert für Gewässerorganismen beim Bentazon eine Diskrepanz vom Faktor 730 öffnet!

Die doppelte Standardsetzung gab Anlass für spitzfindige Fragen: Da der Mittel- und Niederrhein via Uferfiltratgewinnung der Trinkwasserversorgung dient, ist dort der Trinkwasservorsorgewert von 0,1 µg/l einzuhalten. Demgegenüber dienen die großen Rheinnebenflüsse eher nicht der Trinkwassergewinnung. Reicht es somit aus, wenn man sich bei den Rheinnebenflüssen auf dem laschen 73 Mikrogramm-Grenzwert ausruht? Und damit dafür sorgt, dass dann aber am Mittel- und Niederrhein der 0,1 Mikrogramm-Grenzwert nicht eingehalten werden kann?

 

GRÜNE fragen nach doppelter
Standardsetzung für Schadstoffe
 

Auch DIE GRÜNEN im Bundestag hegten den Verdacht, dass bei der zuvor genannten dualistischen Grenzwertfestlegung für Gewässer „die gesundheit-lichen Belange des Menschen unzureichend beachtet“ würden. Nach Ansicht der GRÜNEN sei die Zuordnung der einzelnen Grenzwerte je nach Nutzungszweck des Mediums Wasser „einer vorausschauenden Umweltvorsorge nicht angemessen und auch schwer kontrollierbar“. Die Bundestags-GRÜNEN wollten deshalb in der Bundestags-Drucksache 16/11823 vom 30.01.09 von der Bundesregierung u.a. wissen, in welchen Fällen den schärferen Trinkwasservorsorgewerten der Vorrang einzuräumen sei.

In der BT-Drs. 16/12003 vom 17.02.09 stellte die Bundesregierung hierzu fest, dass Gewässer, die nicht der Trinkwassergewin-nung dienen, die Trinkwasservorsorgewerte „nicht direkt einhalten“ müssten, dass diese Gewässer gleichwohl so zu bewirtschaften seien, „dass aus unterliegenden Wasserkörpern die Entnahme von Rohwasser zur Trinkwassergewinnung auch über Uferfiltrat problemlos möglich“ sei.

Ferner wollten die GRÜNEN wissen, welchen Grenzwerten Oberflächengewässer unterliegen sollten, die in das Grundwasser infiltrieren und wie das im Einzelfall festgestellt werden könne. In ihrer diesbezüglichen Antwort kündigte die Bundesregierung eine Rechtsverordnung zur Festlegung passender Immissionsnormen an:

„Soll Uferfiltrat zur Trinkwasserversorgung genutzt werden, sollen in den betreffenden Oberflächengewässern Grenzwerte zur Anwendung kommen, die zumindest die Einhaltung von Trinkwasserwerten nach der Bodenpassage ermöglichen. Die Bundesregierung plant, in einer Verordnung, diese Werte allgemein gültig festzulegen.“

Die in der geplanten Verordnung aufzunehmenden Umweltqualitätsnormen sollten sowohl die Schadstoffsensibilität der aquatischen Lebensgemeinschaften berücksichtigen als auch den Trinkwasserschutz gewährleisten. Eine weitere Frage der GRÜNEN beantwortete die Bundesregierung mit einem klaren „Ja“:

„Ist die Bundesregierung grundsätzlich der Auffassung, dass auch der Gewässereintrag von weniger toxischen oder ökotoxischen Stoffen, die besonders leicht in das Trinkwasser gelangen können, wie z. B. die Industriechemikalie Ethylendiamintetraessigsäure EDTA (Einsatz u.a. in der Foto- und Textilindustrie) oder Röntgenkontrastmittel, aus Vorsorgegründen und gemäß dem Minimierungsgebot der deutschen Trinkwasserverordnung verringert werden sollten?“

Die Bundesregierung kündigt an, für diese Substanzen auf dem Verordnungsweg ebenfalls Gewässergrenzwerte festlegen zu wollen.

 

Umweltqualitätsnorm Rhein:
Eh alles nur eine Empfehlung
 

Zur rechtlichen Verbindlichkeit der rheinspezifischen Umweltqualitätsnormen stellte die Bundesregierung fest, dass die von der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) verabschiedeten rheinischen Umweltqualitätsnormen („UQN-Rhein“) sowieso

„rechtlich nicht verbindlich“ seien – denn: „In der Bundesrepublik Deutschland gelten die in den Verordnungen der Bundesländer zur Umsetzung der Anhänge der EG-Wasserrahmenrichtlinie festgelegten Werte.“

Verbindlich sei für deutsche Gewässer beispielsweise für Bentazon eine Immissionsnorm von 0,1 µg/l. Und dieser Wert sei „für alle Oberflächenwasserkörper in einem Einzugsgebiet“ maßgeblich – also unabhängig davon, ob an dem entsprechenden Flussabschnitt („Wasserkörper“) Trinkwasser gewonnen wird oder nicht.

Der nur empfehlende Charakter der „UQN-Rhein“ werde auch daraus ersichtlich, dass die IKSR-Plenarversammlung am 2. Juli 2008 in ihrem Beschluss zu den „UQN-Rhein“ betont habe, „dass für Wasserkörper zur Trinkwassergewinnung der maximale Wert der EG-Trinkwasserrichtlinie (Richtlinie 98/83/EG) anzustreben“ sei, wenn dieser Trinkwasservorsorgewert schärfer als der UQN-Rhein-Grenzwert sei.

 

Wasserwirtschaft kritisiert
Vernachlässigung von Spurenstoffen

 

Die beiden großen Verbände der deutschen Wasserwirtschaft haben im Februar 2008 ein Thesenpapier zur Reduzierung von Spurenstoffen in Abwässern, Oberflächengewässern und im Rohwasser der Wasserwerke veröffentlicht. Das Thesenpapier hat den Titel „Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf - Forderungen an Politik, Hersteller, Anwender, Verbraucher sowie Ver- und Entsor-ger“.

Mit ihrem Positionspapier wollen DWA, DVGW sowie die Wasserchemische Gesellschaft (WG) „auf Gefährdungspotenziale hinweisen, Handlungsoptionen auf unterschiedlichen Ebenen vorschlagen und nationale und europäische Gesetzeslücken aufzeigen“. Insbesondere benennen die Verbände auch die „Defizite der EG-Wasserrahmenrichtlinie“. Hierzu heißt es in dem Positionspapier u.a.:

„In der WRRL und ihren Tochterrichtlinien zum Gewässerschutz werden wichtige Aspekte des Verbraucherschutzes nicht oder nicht angemes-sen berücksichtigt. Sowohl bei der Stoffauswahl als auch bei den vorgesehenen Qualitätsnormen in der WRRL-Liste „Prioritärer Stoffe“ (Anhang X), für die zum Schutz der Oberflächengewässer EU-weit Qualitätsnormen festzulegen sind, werden humantoxikologische Risiken unzureichend berücksichtigt. Die Grundwasserrichtlinie enthält zu anthropogenen Spurenstoffen keine ausreichenden Regelungen. Für den zulässigen Gehalt »spezifischer Stoffe« in oberirdischen Gewässern (Anhang VIII) verlangt die WRRL bei der Able-tung der national festzulegenden Qualitätsnormen bisher lediglich die Abwehr ökotoxikologischer Risiken. Nach den aktuellen Regelungen (Anhang V) wird die Schadstoffaufnahme durch den Menschen über den Verzehr belasteter Fische ebenso wenig berücksichtigt wie die Beeinträchtigung durch trinkwasserrelevante Stoffe. Auch eine mögliche Kontamination von Lebensmitteln durch die Verfrachtung belasteter Gewässersedimente auf landwirtschaftlich genutzte Böden wird nicht betrachtet.“

Die Verbände fordern deshalb, dass bei der Ableitung von Qualitätsnormen

„neben den ökotoxikologischen auch humantoxikologische Kriterien zu berücksichtigen“ seien.

Darüber hinaus legen die Verbände in ihrem Positionspapier Vorschläge zur Minimierung der Schadstoffeintrages in Gewässer vor. Als „wesentliche Eckpfeiler einer nachhaltigen Mini-mierungsstrategie“ werden Maßnahmen im Vorfeld oder direkt an den Eintragsquellen benannt. Dazu gehöre u.a. vorrangig der Ersatz umweltgefährdender und/oder trinkwasserrelevanter Stoffe sowie die Vermeidung entsprechender Metabolite, Abbau- und Reaktionsprodukte. Wenn kurz- bzw. mittelfristig für Problemstoffe kein Ersatz gefunden werden könne, müssten „Anwendungsbeschränkungen für umwelt- und trinkwasserrelevante Stoffe“ erlassen werden. Ein Aufrüstung der Kläranlagen komme nur dann in Frage „wo andere Vermeidungsstrategien von Gewässerverunreinigungen allein nicht ausreichen“ würden. Und „für die Trinkwassergewinnung sollte das Rohwasser eine Beschaffenheit aufweisen, die es erlaubt, mit naturnahen Aufbereitungsverfahren Trinkwasser herzustellen“, postulieren die Verbände.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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