Bleibt
es bei der derzeitigen Erneuerungsrate von Kanalleitungen, dann wird
der Sanierungsbedarf von rund 20 Prozent heute auf 37 Prozent in 30
Jahren anwachsen. Wollte man demgegenüber den Sanierungsstau
in 15 Jahren auflösen, müssten hierzu jährlich 5 Mrd.
Euro in die Hand genommen werden. Tatsächlich werden aber jährlich
nur 1,6 Mrd. Euro investiert. Eine Steigerung auf 5 Mrd. Euro würde
die Abwassergebühren um 32 Prozent bzw. um 41 Euro pro Einwohner
und Jahr ansteigen lassen. Die zu geringe Investitionsquote lasse sich
auch darauf zurückführen, dass die Kämmerer die Gebührenein-nahmen
zweckentfremden würden.
Diese
herben Vorwürfe zitiert WOLFGANG
MERKEL in dem Tagungsbericht „Wasser- und Abwasserwirtschaft:
Sicherheit und Qualität bestimmen den Preis, nicht umgekehrt!“ in
der GWF-WASSER/ABWASSER 1/2009, S. 72 – 79. Auf der
Basis der HANDELSBLATT-Jahrestagung „Wasser- und Abwasserwirtschaft“ im
Nov. 2009 in Berlin kommt MERKEL angesichts des Sanierungsstaus
im Kanalbau zum Ergebnis, dass die Einführung einer Mehrwertsteuerpflichtigkeit
für die Abwasserbranche gar nicht so schlecht wäre: Ein
ermäßigter
Mehrwertsteuersatz bei vollem Vorsteuerabzug würde sich als
prächtiges
Investitions- und Bauprogramm erweisen, um den Sanierungsstau zu überwinden.
Aber nicht nur der Abwassersektor, auch der Wassersektor habe seine
Leichen im Keller. MERKEL fordert, dass die Branche ihre Defizite
offener als bislang kommunizieren sollte.
„Letztlich
stehen das Selbstverständnis der Branche, die Autonomie
der Gemeinden (Daseinsvorsorge) und die Selbstverwaltung der Wasserunternehmen
auf dem Spiel“,
schreibt
der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Deutschen Vereinigung
des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ein weiterer Schwerpunkt des Tagungsberichts
von MERKEL sind europarechtliche Regelungen für die Wasser- und
Abwasserbranche – so
u.a. eine angedachte Ausschreibungspflicht für Konzessionen. Auch
in seinen europarechtlichen Ausführungen kommt der Autor wieder
auf die Mehrwertsteuer zurück:
„Dass
in vielen Mitgliedstaaten der Abwassersektor steuerfrei gestellt ist
(wie eben auch in Deutschland), wird in Brüssel als eine bedeutende
Störung
des Wettbewerbs betrachtet.“