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12. August 2009

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 5.7.2009

 

Wasserpreise: Wasserwirtschaft
will Transparenzinitiative starten

 

Das Preissenkungsurteil gegen die Wasserwerke in Wetzlar (s. RUNDBR. 918/3, 912/4, 905/1-3) liegt den deutschen Wasserversorgungsunternehmen schwer im Magen. Sollte das Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts vor dem Bundesgerichtshof im November 2009 Bestand haben, werden die Kartellbehörden der Bundesländer rigoros auf Preissenkungen bei den Wasserwerken mit überdurchschnittlich hohen Wasserpreisen bestehen. Weitergehend befürchten die Wasserwerker, dass sich ein staatliches Regulierungssystem über der deutschen Wasserversorgungslandschaft breit machen könnte – mit unabsehbaren Folgen auch für die ökologische Ausrichtung vieler Wasserversorgungsunternehmen (siehe nächste Notizen).

Um den Morgenluft witternden Kartellbehörden den Wind aus den Segeln zu nehmen, wollen die Wasserversorgungsunternehmen noch in diesem Jahr eine „Transparenzinitiative“ starten. In Rahmen dieser „Transparenzinitiative“ soll den Kunden (und mittelbar auch den Kartellbehörden) erläutert werden, wieso die Wasserpreise in Deutschland derart weit auseinanderklaffen.

Um Akzeptanz bei den Kunden für die „Transparenzinitiative“ zu schaffen, hat sich der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BdEW) mit der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zu-sammengetan. Auch die Umweltverbände sollen zu einer Mitwirkung gewonnen werden. Ab Oktober soll nach Angaben des BDEW ein erstes Pilotprojekt zum Vergleich der Wasserpreise mit einer geringen Zahl von Versorgern starten. Verläuft der Test im Herbst erfolgreich, prüft der BDEW, wie das Projekt ausgeweitet werden kann. Die Verbraucher sollen dann über das Internet Zugriff auf den Preisvergleich haben. In welcher Form die Informationen zugänglich gemacht werden, werde derzeit noch ausgelotet. Klar sei aber, dass

"die Verbraucher in verständlicher Form die Preiszusammensetzung der Versorger nachvollziehen können" müssen, sagte ein BdEW-Verantwortlicher.

Durch eine Indiskretion des HANDELSBLATTES war das BdEW-Projekt „Transparenzinitiative“ vorzeitig bekannt geworden.

 

Warum haben Wasserpreise
eine Spannbreite von 300 Prozent?

Der „Transparenzinitiative“ gehe es lt. BdEW darum, das Zustandkommen der Wasserpreise nachvollziehbar darzustellen. So sei etwa die Finanzierung des Versorgungsnetzes in schwach besiedelten Gegenden schwieriger als in städtischen Gebieten. Auch sei die Höhe der Investitionen, die die Versorger für die Qualität des Trinkwassers und die Anfo-derungen an Umweltschutz und Nachhaltigkeit aufwenden müssten, von Region zu Region sehr unterschiedlich. Daneben gebe es Kostenunterschiede beim Wassertransport etwa in bergige Regionen oder der Wassergewinnung selbst.

 

 


Treiben die Kartellbehörden den
Wasserwerkern die Ökoflausen aus?

 

Mit folgender Argumentation will der BdEW die Umweltverbände zur Mitarbeit in der „Transparenzinitiative“ gewinnen: Viele Wasserwerke investieren immer noch in ökologische Zusatzleistungen – beispielsweise in die Förderung des Biolandbaus in ihren Einzugsgebieten – oder in eine nachhaltige Substanzerhaltung. Das alles kostet Geld und treibt den Wasserpreis – wie auch überdurchschnittliche Aufbereitungsverfahren (wie jetzt an der Ruhr)

Für die Kartellbehörden ist das aber alles ökologischer Firlefanz mit dem die Wasserwerker die Kunden nicht belasten dürfen. Denn vorsorgender Grundwasserschutz ist eine staatliche Aufgabe – und keine Kernaufgabe der Wasserwerke, genauso wenig wie die Installierung von teurer Spitzentechnologie zur Entfernung von Mikroverunreinigungen, die in der Trinkwasserverordnung erst gar nicht aufgelistet sind.

Die Kartellbehörden seien darauf aus, die Wasserversorgungsunternehmen auf stinknormalen Standard zurückzuschneiden. Alles, was „extravagant“ ist, darf nicht eingepreist werden. Die Kartellbehörden befinden sich mit dieser Denke ganz in der Tradition der neoliberalen EWERS-Kommission, die im Jahr 2000 die Wasserwerker schon ein Mal auf ihre „Kernkompetenzen“ beschränken wollte (s. RUNDBR. 641-645). Auf Geheiß des damaligen Bundeswirtschaftsministers WERNER MÜLLER hatte sich die EWERS-Kommission Preissenkungsmöglichkeiten in der deutschen Wasserversorgung ausgedacht – und dabei einen Verzicht auf alle ökologischen und sozialen Zusatzkosten empfohlen.

 


Die Ruhr:
Abwasser rein – Trinkwasser raus?

 

Im Jahr 2007 und 2008 stand das Ruhrgebiet unter Schock und das Düsseldorfer Umweltministerium unter Handlungszwang. Die Industriechemikalie PFT war nicht nur im Ruhrwasser, sondern auch im Blut von Trinkwasserkonsumenten in Arnsberg und von Anglern gefunden worden.

Die Aufsehen erregenden Befunde waren zwar primär auf die umweltkriminellen Ablagerung von PFT-haltigem Sondermüll im Einzugsbereich der Möhne-Talsperre zurückzuführen – bei weiteren Untersuchungen zeigte sich jedoch, dass auch über zahlreiche Kläranlagen des Ruhrverbandes Polyfluorierte Tenside (PFT) in die Ruhr emittiert werden.

Die Schadstoffbelastung der Ruhr und ihrer Nebengewässer war und ist vor allem deswegen ein Problem, weil aus der Ruhr mittelbar mehr als vier Millionen Menschen ihr Trinkwasser beziehen. Zur indirekten Trinkwassergewinnung aus der Ruhr wird Ruhrwasser aus der fließenden Welle direkt entnommen, vorgereinigt, versickert (Grundwasseranreicherung), gemeinsam mit zuströmendem Grundwasser und Uferfiltrat gefasst und einer vorherigen oder anschließenden Wasseraufbereitung zugeführt.

Wegen neu erkannter Spurenschadstoffe war die Ruhr auch in den letzten Monaten immer wieder für Schlagzeilen gut. Die spektakulären Schadstoffbefunde in der Ruhr sind u.a. darauf zurückzuführen, weil der Fluss einen im Vergleich zu anderen Flussgebieten hohen Abwasseranteil aufweist: Im Jahresmittel beträgt der Anteil der Wasserführung der Ruhr, der aus kommunalen Kläranlagen, industriellen Einleitungen und Niederschlagswassereinleitungen resultiert, ca. 30 Prozent, der Anteil allein aus kommunalen Kläranlagen liegt bei über 15 Prozent.

Seit dem 1.1.2007 besteht für die Kläranlagenbetreiber in NRW die Möglichkeit einer Förderung von weitergehenden Reinigungsstufen über das „Investitionsprogramm Abwasser“. Die Ertüchtigung kommunaler Kläranlagen zur Elimination von organischen Spurenstoffen wird mit bis zu 70 % gefördert.


Programm „Reine Ruhr“:
Die Ruhr „konsequent“ vor Mikroschadstoffen schützen

 

Immer neue Befunde an Spurenschadstoffen in der Ruhr kratzten auch an der Reputation des Düsseldorfer Umweltministers. Angefeindet von der Opposition und kritisiert von der Presse versuchte Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) mit einem Programm „Reine Ruhr“ in die Offensive zu kommen. Zu dem im Juni 2008 gestarteten Programm liegt seit April 2009 der erste Zwischenbericht vor. Der Zwischenbericht wurde gemeinsam verfasst von Fachleuten des Ministeriums, des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbrauchschutz (LANUV) und einer Expertenkommission. Die Expertenkommission war vom Ministerium berufen worden, um neutralen Sachverstand präsentieren zu können. Mitglieder der Kommission sind

  • Prof. Dr. med. MARTIN EXNER, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn,
  • Prof. Dr. rer. nat. KLAUS KÜMMERER, Leiter der Sektion für Angewandte Umweltforschung, Universitätsklinikum Freiburg und
  • Prof. Dr. techn. HELMUT KROISS, Vorstand des Instituts für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien.

Zur Zielsetzung des Programms „Reine Ruhr“ heißt es im typischen Behördensprech im Zwischenbericht:

„Mit dem Programm „Reine Ruhr“ wird eine umfassende Strategie entwickelt, die die Ursachenforschung maßgeblicher Stoffströme, Risikoabschätzung und -bewertung, Maßnahmenabwägung und -umsetzung, Überwachung und Kommunikation mit dem Fokus auf Mikroschadstoffe konsequent für die Gesamtheit der Wasserwirtschaft in einem integrierten (holistischen) Ansatz sowie der hierzu notwendigen apparativen, personellen und institutionelle Infrastrukturen verfolgt.“

 


Unkontrolliert und unerkannt:
Viren und Parasiten im Ruhrwasser

 

Unter dem Gesichtspunkt der Trinkwasserhygiene ist der Zwischenbericht auch deshalb interessant, weil er nicht nur auf die chemische Schadstoffbelastung der Ruhr eingeht, sondern in Kapitel 7 auch die mikrobiologische Belastung des „Trinkwasserflusses“ problematisiert. Angesprochen werden bakterielle, virale und parasitäre Krankheitserreger, die sich durch niedrige Infektionsdosis, hohe Persistenz in wasserführenden Systemen und hohe Chlorresistenz auszeichnen (vgl. RUNDBR. 920/2-3).

Problematisiert wird in dem Bericht insbesondere, dass ein Teil dieser Krankheitserreger „nicht sicher durch die klassischen mikrobiologischen Indikatoren für die Wasserüberwachung“ zu erkennen sei. Deshalb sei diesen Krankheitserregern im Ruhrwasser unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge „ein hoher Stellenwert einzuräumen“.

Kritisch werden in dem Zwischenbericht insbesondere wasserübertragbare Viren und Parasiten gesehen, die sich über sehr lange Zeiträume in Wasserversorgungssystemen einnisten können. Dies sei auch darauf zurückzuführen, weil Viren und die Dauerstadien von Parasiten im Vergleich zu Bakterien über eine höhere, zum Teil extrem hohe Chlorresistenz verfügen. Auch die hohe relative Infektiosität liege weit über der von bakteriellen Krankheitserregern. Der Zwischenbericht stellt zum Gefahrenpotenzial von Viren und Parasiten wörtlich fest:

„Dies bedeutet, dass die bisherigen bakteriellen Indikatoren für eine mikrobielle Belastung des Trinkwassers nicht alleine geeignet und nicht ausreichend sind, um die tatsächliche Kontamination eines Trinkwassers mit derartigen Krankheitserregern erkennen bzw. charakterisieren zu können.“

Ferner wird im Zwischenbericht darauf aufmerksam gemacht, dass bereits 1996 in den Guidelines for Drinking Water Quality der Weltgesundheitsorgani-sation (WHO) darauf hingewiesen worden sei,

„dass die Abwesenheit der bisher verwendeten mikrobiellen Indikatoren nicht gleichbedeutend ist mit dem Fehlen der aus heutiger Sicht als relevant einzustufenden viralen und parasitären Krankheitserreger“.
Der Nichtnachweis der bakteriellen Parameter aus der Trinkwasserverordnung - nämlich E.coli, Coliforme und Enterokokken - schließe „somit das Vorhandensein wasserübertragener Viren und Parasiten in infektionsrelevanten Konzentrationen nicht aus“.

Der Zwischenbericht kommt zum Schluss, dass sich hiermit

„eine empfindliche Lücke bei der Überwachung von Trinkwasser und damit bei der Risikoregulierung“ aufgetan habe. Aufgrund dieser Lücke würden „die Früherkennungssysteme zur Validierung der Güte der Trinkwasseraufbereitung unterlaufen“. In dem Zwischenbericht wird zudem ausgeführt, dass durch „diese neu erkannten Erreger vor allem Kleinkinder als auch ältere Personen“ gefährdet würden.

Der Zwischenbericht kann unter folgender Internet-Adresse heruntergeladen werden:

www.umwelt.nrw.de/umwelt/pdf/
zwischenbericht_reine_ruhr.pdf

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 
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