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4. Mai 2010

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 30.3.2010

 

Ostdeutsche Abwasserfürsten:
„Sie haben es nicht begriffen!“

 

„Dachwasser trinken
und mit Abwasser duschen“

 

Nutzwasser-Enthusiasten in Ostdeutschland und in Niedersachsen zeigen seit Jahren, dass das abwasserlose Haus bzw. das abwasserlose Grundstück möglich ist. Abwasserinhaltsstoffe und das gereinigte Abwasser werden fast restlos recycelt. In Deutschland werden die Verfechter der „Nutzwasser-Idee“ von der Fachwelt und der Politik in der Regel als Spinner abgetan. Es bedarf wohl des Umwegs über die Schweiz, um die „Nutzwasseridee“ und das „abwasserlose Haus“ auch in der konservativen deutschen Wasserwirtschaft zu einem seriösen Diskussionsthema zu machen.

In der Schweiz hat eine der weltweit renommiertesten wasserwirtschaftlichen Forschungsinstitutionen den „abwasserlosen Haushalt“ jetzt zum Forschungsthema erkoren. Die „Eidgenössische Anstalt für Wasser, Abwasser und Gewässerschutz“ (EAWAG) geht davon aus, dass dezentrale Systeme zum Abwasserrecycling und zur Trinkwasseraufbereitung künftig einen großen Beitrag zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele leisten können. Ziel sind einfache Anlagenkonzepte mit ausreichend tiefen Investitionskosten sowie einem möglichst kleinen Betriebs- und Unterhaltsaufwand, die lokal umgesetzt werden können.

Um die Potentiale der dezentralen Grauwasserreinigung, -wiederverwertung und Trinkwassergewinnung aufzuzeigen, betreibt die EAWAG schon seit dem Jahr 2006 ein Einfamilienhaus bei Solothurn zu Demonstrationszwecken. In dem Pilotprojekt werden aufbereitetes Trink- und Grauwasser in zwei 200-Liter-Tanks in Intervallen mit einer UV-Lampe bestrahlt, um eine Wiederverkeimung bei längeren Standzeiten zu unterbinden. Der Logistikaufwand zur gewissenhaften Kontrolle der Leistung der UV-Desinfektion dürfte für Entwicklungsländer aber in der Regel zu hoch liegen.

Die bei Zürich gelegene EAWAG experimentiert jetzt mit einem anderen System: In einem Wohncontainer reinigt eine Membrananlage das Dachablaufwasser sowie das Grauwasser aus Dusche, Spülbecken usw. Während das gereinigte Dachablaufwasser zu Trinkwasserzwecken genutzt werden kann, kann das gereinigte Grauwasser für alle anderen Haushaltszwecke eingesetzt werden - beispielsweise zum Duschen und für andere Reinigungszwecke.

In der zentralen Wasseraufbereitung und Abwasserreinigung erfordert die Membranreinigung bislang einen erheblichen Energieeinsatz, um das zu reinigende Wasser mit hohem Druck durch die Membranen zu pressen. Der Clou beim Wohncontainer besteht darin, dass der Durchfluss durch die nur hutschachtelgroße Membrananlage mit Hilfe der Schwerkraft erfolgt, also keiner Pumpe bedarf (siehe Kasten). Größer ist da schon die Kleinstkläranlage, in der das Grauwasser gereinigt wird: In der Waschmaschinengroßen Grauwasser-Recyclinganlage läuft das Wasser ebenfalls nur mit Hilfe der Schwerkraft durch die Membran. Insgesamt stehen damit täglich gut 100 Liter Wasser zur Verfügung.

Der Wohncontainer mit der Bezeichnung „Raumzelle SELF“ versorgt sich über eine Photovoltaik-Anlage (PV) übrigens auch selbst mit Strom. In dem Wohncontainer können zwei Personen wohnen und arbeiten und zwei Wochen lang autark überleben. Der selbst erzeugte PV-Strom dient nicht nur für Heizung und Kühlung, sondern auch für Warmwasser, Licht und sämtliche Geräte, die allesamt auf höchste Energieeffizienz getrimmt wurden. Liefert die PV-Anlage mehr Strom, als aktuell benötigt wird, wird der Überschuss in Lithium-Polymer-Batterien gespeichert bzw. zur Wasserstoffproduktion verwendet. Der Wasserstoff kann bei kalten Temperaturen zur Heizungsunterstützung sowie ganzjährig zum Kochen verwendet werden. An sonnenreichen Standorten reicht die PV-Anlage zudem aus, ein Elektrofahrzeug mit so viel Energie zu versorgen, dass täglich 80 – 100 km mit eigener Sonnenenergie gefahren werden können. Mit einem Transportgewicht von fünf Tonnen könnte die „Raumzelle SELF“ in der Katastrophenhilfe oder auch als mobile Forschungsstation, als Event-Location und als bewohnbarer Werbeträger eingesetzt werden.

Weitere Auskunft bei der Projektleitung, die bei der Eidgenössischen Material- und Prüfanstalt (EMPA) angesiedelt ist:
Herrn Mark Zimmermann,
E-Mail: mark.zimmermann@empa.ch
Tel.: 0041/44 823 41 78

 

(Ab-)Wasseraufbereitung
ohne Fremdwasserenergie

In der „Raumzelle SELF“ reicht der Druck aus der Höhendifferenz von nur einem Meter zwischen dem Regenwasserspeicher auf dem Dach und der Membran aus, um genügend Wasser durch die Membran zu filtrieren. Die Ultrafiltration stellt rund 30 Liter Trinkwasser pro Tag zur Verfügung. Die EAWAG-Wissenschaftler nehmen eine geringe Filtrationsleistung der Membran bewusst in Kauf. Auf Grund bisheriger Erfahrungen mit Membranen geht man bei der EAWAG davon aus,

„dass die Durchlässigkeit der Membran zwar anfänglich sinkt, dann aber auf dem tieferen Niveau über Monate stabil bleibt und nicht ganz einbricht. Dafür sorgt ein biologisch aktiver Bewuchs (Biofilm), der auf der Membran immer Fliesswege offen lässt. So kann auf Rückspülung und Reinigung der Membran verzichtet werden. Es müssen keine Chemikalien eingesetzt werden und die Anlage ist mit zwei Behältern sowie dem Membranmodul verfahrenstechnisch sehr einfach gebaut. Der Wartungsaufwand ist gleich Null“,

ist auf der Wissenschafts-Homepage
http://www.myscience.ch/news/self
zu lesen. Die massiv gesunkenen Preise für Membranen erlauben es zudem, heute einfache Haushaltsanlagen zu konzipieren, bei denen sich die Membrankosten auf kaum mehr als 10 US-Dollar pro Familie belaufen.

 

 


Ostdeutsche Abwasserfürsten:
„Sie haben es nicht begriffen!“
 

Frust, Verbitterung und Ärger – das ist weiterhin die Gefühlslage bei den Aktivisten in den ostdeutschen Abwasserinitiativen. Das Unverständnis gilt den Abwasserverbänden, die immer noch daran festhalten, die Flächenkanalisation weiter in die ostdeutsche Provinz ausufern zu lassen. Der Ärger gilt den Verbandsspitzen, die einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass die hohen Kosten für Bau und Unterhalt des weit verzweigten Kanalnetzes von immer weniger BürgerInnen finanziert werden müssen – ein ungebremster Kostenanstieg ist damit vorprogrammiert. Die Kosten für die geldverschlingende Kanalisation müssen über hohe Beiträge und steigende Gebühren oder über steuerfinanzierte Schuldenmanagementfonds und Zuschüsse der ostdeutschen Bundesländer finanziert werden. Volkswirtschaftlich gesehen ist das eine so unvernünftig wie das andere.

Dass die Abwasserverbände nach wie vor gewillt sind, die Kanalröhren zum letzten ostdeutschen Weiler voranzutreiben, wurde einmal mehr auf der Tagung „13. Abwasserbilanz Brandenburg“ am 14. Dezember 2009 im Technologie- und Gründerzentrum Wildau deutlich. Die Veranstaltung mit dem Titel „Brandenburg stellt sich den Herausforderungen“ war vom INFRANEU-Hauptverband in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Brandenburgische-Berliner Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmen sowie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, BDEW-Landesgruppe Berlin/Brandenburg ausgerichtet worden.

Trotz des programmatischen Tagungsmottos war von einem Paradigmenwechsel keine Rede. Tapfer wurde von den Zweckverbandsvorsitzenden an der Gewissheit festgehalten, dass Kleinkläranlagen immer nur die zweitbeste Lösung seien. Es gäbe zwar gute Modelle, aber sie wären nicht die Lösung des Problems. Die Standardlösung ist - davon wird nicht abgewichen - der Kanal! Trotz der dramatischen Überschuldung vieler Abwasserverbände will man weiter ausschließlich in zentrale Kanalisationssysteme investieren.

Dabei fehlt schon das Geld, um die bestehende Abwasserinfrastruktur über die Runden zu retten. Denn allein in Brandenburg gelten 105 Kläranlagen als besonders sanierungsbedürftig. Um die maroden Kläranlagen zu erneuern, hat man im Potsdamer Umweltministerium eine Facharbeitsgruppe Kommunalabwasser und eine Steuerungsgruppe Projektabwicklung geschaffen. Die in diesen Gremien arbeitenden Fachleute sollen „kosteneffizienter Maßnahmenkombinationen“ erarbeiten, die aber nach dem Anschein der Wildauer Tagung weiterhin vom zentralen Rohrdenken beherrscht sein werden.

Dass es wegen des grassierenden Bevölkerungsrückgangs in den ostdeutschen Kleinstädten und Dörfern immer weniger Menschen geben wird, die die zentralen Anlagen wirklich brauchen und die sie bezahlen können, wurde von den Verbandsspitzen in Wildau nicht ansatzweise problematisiert. Skeptiker aus den Abwasserinitiativen, die darauf aufmerksam gemacht haben, wurden einfach ignoriert. Offenbar geht man bei den Chefs der Abwasserverbände, der Administration und dem BDEW weiterhin davon aus, dass man auch künftig steigende Kosten immer wieder auf den Bürger umlegen kann.

Obwohl in vielen Abwasserzweckverbänden die Kubikmeterpreise nahe daran sind, die Schmerzgrenze von 10 Euro zu sprengen, will man bei den Anschlusspflichtigen jetzt zusätzlich auch noch „Altanschließerbeiträge“ abkassieren: Anlagen, die bereits zu DDR-Zeiten errichtet worden sind, sollen trotz Verjährung erneut mit Beiträgen belegt werden. Dass die ostdeutschen Abwasserfürsten mit ihrem ignoranten Rohrdenken auch die Idee der staatlichen Daseinsvorsorge diskreditieren, sei nur am Rande erwähnt. Für immer mehr „Anschlusspflichtige“ in der ostdeutschen Provinz erscheint der Staat in Form von Unteren Wasserbehörden und Abwasserverbänden als feindlicher Moloch. Ein völlig konsternierter Teilnehmer der Wildauer Tagung aus der brandenburgischen Bürgerinitiativ-Szene:

„Sie haben nichts gelernt. Sie verschließen die Augen vor der Entwicklung. Sie machen weiter wie bisher. Sie sind glücklich, dass es nach wie vor einen Schuldenmanagementfonds gibt. Sie hoffen, dass der Bürger brav zahlt, und wenn nicht der Bürger, dann der Staat, also doch der Bürger! Nachhaltiger, sparsamer Umgang mit Wasser, Aufbereitung und Verwertung von Schmutzwasser am Anfallort, Rückbau falsch dimensionierter Anlagen - das alles sind fremde Begriffe für sie; es sei denn, dafür gibt es Geld. Welchen Herausforderungen haben sie sich also gestellt? Ich habe das nicht herausbekommen!“

(Mehr zur ostdeutschen Abwasserpolitik in den BBU-WASSER-RUNDBR. 937/2-3 und 933.)

-jd-


Deutsche Ideen für eine
Abwasserwiederverwertung in der Dritten Welt
 

Um den Stand der Technik sowie neuere Entwicklungen in den Bereichen semizentrales und dezentrales Abwassermanagement zu reflektieren, hatten die beiden Ministerien für Umwelt (BMU) sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) für den 10. März 2010 zu einem „Sektorgespräch“ ins Bonner BMU eingeladen.

Ziel des „Sektorgesprächs“ war es einerseits, die Entwicklungen der semizentralen und dezentralen Abwasserreinigung und –wiederverwertung im nationalen Bereich darzustellen. Andererseits sollten aber auch die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Entwicklungszusammenarbeit diskutiert werden: Inwieweit kann Deutschland dazu beitragen, dass dezentrale Verfahren zur Abwasserreinigung und –wiederverwertung auch in Schwellen- und Entwicklungsländern mehr Akzeptanz und Verbreitung finden? Können Grauwassernutzung und ökologische Sanitärtechniken („ecosan“) zu einem Highlight der deutschen Entwicklungszusammenarbeit avancieren?

AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS können via nik@akwasser.de kostenlos einen ausführlichen Bericht als pdf-Dokument über diese Tagung anfordern. Im Vorfeld der Tagung hatten wir uns an das Bundesumweltministerium gewandt, um darauf hinzuweisen, dass sich hinsichtlich der dezentralen Abwassereinigung und –wiederverwertung zwischen Außen- und Innendarstellung eine Glaubwürdigkeitslücke öffnet (siehe Kasten).

 

Weniger Dogmatismus beim Anschluss-
und Benutzungszwang!

In unserer Mail an das Bundesumweltministerium (BMU) vom 6.1.2010 hieß es u.a.

„(…) Uns wäre sehr daran gelegen, wenn auf der Tagung auch das Problem erörtert werden könnte, dass die Unteren Wasserbehörden und die Aufgabenträger (abwasserbeseitigungspflichtige Kommunen und Abwasserzweckverbände) hierzulande rigoros den Anschluss- und Benutzungszwang durchsetzen - auch in den Fällen, in denen Kleinkläranlagen deutlich bessere Reinigungsgrade als die jeweilige zentrale Kläranlage erreichen und/oder das gereinigte Abwasser sowie der Klärschlamm auf dem eigenen Grundstück restlos verwertet werden. Die 'robuste’ Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs führt vor allem in den ostdeutschen Bundesländern zunehmend zu menschlichen Tragödien. Die dogmatische Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs richtet sich fatalerweise genau gegen die Menschen, die sich im ländlichen Raum der ostdeutschen Bundesländer mit viel Engagement für ihre Heimat und den Umwelt- und Gewässerschutz einsetzen.

Bei der massenhaften Abwanderung aus den ostdeutschen Bundesländern ist die Vorgehensweise der Unteren Wasserbehörden und der Abwasserverbände schon deshalb politisch mehr als unklug. Hier sollte seitens des BMU eine Zeichensetzung gegenüber den ostdeutschen Ministerpräsidenten erfolgen, damit diese den Unteren Wasserbehörden den Freiraum einräumen, weniger dogmatisch gegen die Betreiber von Nutzwasseranlagen vorzugehen.

Und: Wie will man von Deutschland aus sich in Entwicklungs- und Schwellenländern glaubhaft für dezentrale Systeme der Abwasserreinigung und -Wiederverwendung stark machen, wenn man die mit höchsten Engagement betriebenen Anlagen der "Nutzwasser-Enthusiasten" in Ostdeutschland mit Polizeigewalt platt macht - siehe den beiliegenden BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 933.)? Wir würden uns freuen, wenn das BMU dieses Problem auf die Tagesordnung der nächsten Umweltministerkonferenz setzen könnte!

 

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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