aktualisiert:
13. Juni 2010
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
31.5.2010
Abwasservollprivatisierung –
Grüner Umweltsenator zündelt:
Flächenbrand droht
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„Es
ist der böse Fluch der bösen Tat, dass sie ständig
neues Böses gebären muss …“
So
ist es auch in Bremen. Dort hat man das operative Geschäft der
Abwasserentsorgung 1998 auf eine private Gesellschaft übertragen:
Die hanseWasserBremen GmbH (hWB) gehört noch zu 25,1 Prozent der „Freien
Hansestadt Bremen“, 74,9 Prozent befinden sich im Besitz der
hanseWasser Ver- und Entsorgungs-GmbH, die wiederum zu 51 Prozent den
Stadtwerken
Bremen und zu 49 Prozent der Gelsenwasser AG gehört (siehe
www.hansewasser.de/ › Über uns › Gesellschafter).
Das
operative Geschäft der
Abwasserentsorgung in Bremen ist mit der Teilprivatisierung mehrwertsteuerpflichtig
geworden. Das hat die Handelskammer in Bremen auf den Plan gerufen – nach
dem Motto: Wenn wir schon über die Abwassergebühren
zu den Mehrwertsteuerkosten der hanseWasserBremen herangezogen
werden,
dann
wollen wir auch in den Genuss des Vorsteuerabzugs kommen! Da die
Pflicht zur Abwasserentsorgung aber weiterhin bei der Kommune liegt – und
damit die Abwasserentsorgung „hoheitlichen“ Charakter
hat – ist
die Ausweisung der Mehrwertsteuer auf der Abwassergebührenrechnung
bislang nicht möglich. Die Ausweisung wäre erst statthaft,
wenn nicht nur das operative Geschäft, sondern auch die Pflicht
zur Abwasserentsorgung auf eine private Gesellschaft übertragen
würde.
Bremen
will jetzt anlässlich der Novelle des Bremischen
Landeswassergesetzes diese „Pflichtenübertragung auf
Dritte“ ermöglichen.
Dazu soll in § 47 die Möglichkeit geschaffen werden,
dass die Abwasserentsorgung auf eine in Besitz der Kommune befindliche
Privatgesellschaft übertragen
werden kann. Einziger Zweck der Gesellschaft wäre die Ausstellung
von Rechnungen, in denen die Mehrwertsteuer ausgewiesen wird – so
dass Industrie, Gewerbe und Freiberufler über die Verrechnung
der Mehrwertsteuer in ihren Umsatzsteuererklärung einen
guten Schnitt machen können.
Vielleicht
ungewollt könnte
Bremen damit aber einen bundesweiten Flächenbrand entfachen:
Falls es dem Bremer Senat
gelingen sollte, die Neufassung des Bremischen Landeswassergesetzes
durchzuziehen, dann
könnte in ganz Deutschland die Einführung
der Mehrwertsteuer auf Abwassergebühren/preise drohen, was
wiederum bundesweit zum Verlust des hoheitlichen Charakters
der Abwasserentsorgung führen könnte. Damit würde letztlich auch eine
breite Privatisierungswelle in der bislang kommunalen Abwasserentsorgung
ausgelöst.
Die
Details zu diesem beunruhigenden Vorgang in den nächsten
Notizen …
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Warum
droht in Bremen
ein Dammbruch?
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Zwischen
dem hoheitlichen Charakter der Abwasserentsorgung einerseits und
der Freistellung
der hoheitlichen Abwasserentsorgung von der Mehrwertsteuerpflichtigkeit
andererseits besteht eine wechselseitige Abhängigkeit:
In § 18
a (2) des damaligen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) hatte die seinerzeitige
Kohl-Regierung im alten Wasserhaushaltsgesetz prinzipiell die Möglichkeit
zur Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf private
Dritte ermöglicht. Zwar haben Baden-Württemberg (s.
RUNDBR. 570/1), Sachsen (s. 625/1-2) und
Sachsen-Anhalt die Möglichkeit
zur Pflichtenübertragung aus § 18 a (2) WHG-alt in ihre
jeweiligen Landeswassergesetzte übertragen – aber die
drei Länder sind in letzter Konsequenz vor dem Erlass von
Rechtsverordnungen zur Pflichtenübertragung zurückgeschreckt.
Es wurde nämlich
deutlich, dass dies eine unkontrollierbare Kettenreaktion ausgelöst
hätte (s. 821/-1-2, 625/2-3).
Der Verlust der Hoheitlichkeit der Abwasserbeseitigung in einem
Bundesland hätte steuerrechtlich
auch den Charakter der hoheitlichen Abwasserentsorgung in den
anderen Bundesländern in Frage gestellt – und damit überall
eine Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Abwa-serentsorgung ausgelöst.
Dies war auch
einer der Gründe, warum die schwarz-gelbe Landesregierung
in Niedersachsen im Jahr 2006 auf die Einführung der Abwasservollprivatisierung
(„Pflichtenübertragung“) doch noch verzichtet
hatte (s. 821/1-2). Ein Jahr später
wurde ein entsprechender Vorstoß der
schwarz-gelben Landesregierung in Düsseldorf ebenfalls
gecancelt (s. 869/3). Wegen der
Gefahr eines nicht mehr löschbaren
Flächenbrandes
hat zudem die Länderinnenministerkonferenz dafür
plädiert, von der Umsetzung von § 18 a (2) WHG-alt
bundesweit keinen Gebrauch zu machen.
Wenn jetzt Bremen
mit § 47
vorpreschen würde, würde dies erneut das Risiko eines
Dammbruchs hervorrufen. Die vorgesehene Übertragung der
kommunalen Abwasserentsorgung auf eine private Gesellschaft
im Besitz der Kommune und der damit
verbundene Übergang von Gebühren zu Preisen mit der
Möglichkeit
des Vorsteuerabzugs würden bundesweit den hoheitlichen
Charakter der Abwasserentsorgung in Frage stellen: Denn bisherige
Lesart
des Bundesfinanzhofes war es, eine Mehrwertsteuerpflichtigkeit
deshalb
zu verneinen, weil nirgendwo ein defacto-Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen
und privaten Abwasserentsorgern auf gleicher Augenhöhe
zu verzeichnen wäre (s. 821/2).
Private Abwasserentsorger wurden bislang immer nur als „Erfüllungsgehilfe“ im
operativen Geschäft
eingesetzt. Durch § 47 würde die klare Trennung zwischen
privater und öffentlich-rechtlicher Abwasserentsorgung
verwischt.
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Wenn
Abwassergebühren
zu Abwasserpreisen
werden – lauert die Kartellbehörde
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Durch
den Übergang
von Abwassergebühren zu Abwasserpreisen würde die Preisgestaltung
der Abwasserbetriebe dem Kartellrecht unterworfen. Wie
das Vorgehen der hessischen Kartellbehörde gegen dortige Wasserversorger
zeigt, hebt die Kartellbehörde allein auf betriebsnotwendige
Kosten ab. Kosten, die aus einem sozialen und ökologischen
Engagement des jeweiligen Wasserversorgers resultieren, werden
in der Preisgestaltung nicht mehr anerkannt (siehe
RUNDBR. 940).
Das Vorgehen in Bremen und der dadurch möglicherweise ausgelöste
Flächenbrand würden dafür sorgen, dass alle Preis
berechnenden Abwasserbetriebe der eindimensionalen Kontrolle durch
die Kartellbehörden unterworfen würden.
Der
kryptische Paragraph 47
Welcher
Sprengstoff in der Ergänzung von § 47 steckt,
dürfte auch für die Bremischen Bürgerschaftsabgeordneten
kaum erkennbar sein. § 47 Abwasserbeseitigungspflicht
hat bislang die kommunale Pflicht zur Abwasserbeseitigung
folgendermaßen umschrieben:
„(1)
Die Gemeinden haben das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser
zu beseitigen, soweit nicht nach den folgenden Absätzen
andere zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind. Sie
nehmen diese Aufgabe als Selbstverwaltungsaufgabe wahr.“
Mit
einer neu hinzukommenden Ergänzung soll die Pflichtenübertragung
auf Dritte ermöglicht werden:
„Eine
Gemeinde kann diese Pflichten einschließlich der
Entgelterhebung auch durch eine Gesellschaft mit beschränkter
Haftung wahrnehmen, sofern sie sämtliche Geschäftsanteile
an dieser Gesellschaft inne hat und über die Gesellschaft
eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen
Dienststellen.“
In der Gesetzesbegründung heißt es, dass diese
Hinzufügung dazu diene,
„um
die kommunale Gestaltungsfreiheit der Gemeinden bei der
Wahrnehmung der Abwasserbeseitigungspflicht auch
auf privatrechtliche Organisationsformen zu erweitern“.
Dies
sei geboten,
„weil
auch in der Eigengesellschaft der Gestaltungswille einer
Gemeinde bezüglich der Art und Weise der Pflichtenwahrnehmung
ungebrochen durchgesetzt werden kann“.
Die
Konsequenzen im Hinblick auf den Vorsteuerabzug und den
Verlust der Hoheitlichkeit spricht die
Gesetzesbegründung
ebenso wenig an wie eine drohende bundesweite
Kettenreaktion.
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Das
Scheunentor zur Abwasser-
vollprivatisierung wird geöffnet
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Ein
von Bremen provozierter Dammbruch würde durch die Auslösung
der Mehrwertsteuerpflichtigkeit zu einer Vielzahl von Vollprivatisierungen
bislang kommunaler Abwasserbetriebe führen.
Die Einführung
der Mehrwertsteuerpflichtigkeit auch
für die kommunale Abwasserentsorgung gehört nicht
umsonst zu einem Herzensanliegen der privaten Abwasserdienstleister
(s. RUNDBR. 753/3, 657/1-2). Mit
allen Mitteln des Lobbyismus bis hin zu (gescheiterten) Klagen
vor dem Europäischen
Gerichtshof haben die privaten Abwasserdienstleister versucht,
die kommunale Abwasserentsorgung der Mehrwertsteuerpflichtigkeit
zu unterwerfen. Zuletzt war die private Abwasserlobby bei den
Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP im Oktober
letzten Jahres gescheitert.
Die Unterwerfung
der kommunalen
Abwasserbetriebe unter die Mehrwertsteuer - und der damit
verbundene Verlust der Hoheitlichkeit – standen bereits
im Koalitionsvertrag. In letzter Minute wurde der entsprechende
Satz wieder gestrichen. Der kommunalpolitische Flügel
von CDU und CSU hatte eines der Lieblingsanliegen der FDP
wieder aus dem Koalitionsvertrag hinausgekickt.
Was über
den Berliner Koalitionsvertrag nicht gelang, wird
jetzt von der rot-grünen Koalitionsregierung in Bremen
in die Wege geleitet: Wenn die kommunalen Abwasserbetriebe
einerseits keine hoheitlichen Aufgaben mehr wahrnehmen
und andererseits der Mehrwertsteuerpflichtig unterworfen
werden, werden viele finanziell notleidende Kommunen keinen
Hinderungsgrund
mehr sehen, ihre Abwasserbetriebe meistbietend auf den
Markt zu werfen.
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Abwassergeld
stinkt nicht
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Nicht
zu letzt wäre die Gewährleistung eines Vorsteuerabzugs
auch ein Beitrag zur weiteren Umverteilung von unten nach oben: Profitieren
würden Industrie- und Gewerbebetriebe sowie Freiberufler (mithin
eher die Privilegierten), während private Haushalte (zu denen
auch viele Wenigerprivilegierte gehören) zum vollen Mehrwertsteuersatz
herangezogen würden. Würde das Bremer Vorgehen dazu führen,
dass bundesweit die bislang hoheitliche Abwasserentsorgung der Kommunen
und Zweckverbände der Mehrwertsteuerpflichtigkeit unterworfen
würde, käme auch dieser Umverteilungseffekt bundesweit
zu Geltung. Und schlimmer noch: Gerade wegen der Mehrwertsteuerpflichtigkeit
würden sich nach Berechnungen der DWA die Abwassergebühren/preise
im Schnitt im zweistelligen Prozentbereich erhöhen.
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Schreibt
an LOSKE!
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Es
wäre unseres Erachtens fatal, wenn ausgerechnet ein grüner
Umweltsenator diese Entwicklungen in die Wege leiten würde. Wir
haben deshalb den grünen Umweltsenator von Bremen, Herrn DR. REINHARD
LOSKE, am 28. Mai 2010 mit einem ausführlichen Schreiben gebeten,
auf die vorgesehene Regelung in § 47 (1) in der Novelle zum Bremischen
Landeswassergesetz zu verzichten. Wer sich ebenfalls an Herrn Dr.
Loske wenden will, kann schreiben an:
Senator
für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa
- Herrn Dr. Reinhard Loske -
Ansgaritorstraße 2
28195 B r e m e n
Telefon: (0421) 361 2227; Fax: (0421) 496 2227
E-Mail: office@bau.bremen.de
Alle
Notizen zu den seit Jahren andauernden Bemühungen, die
Mehrwertsteuerpflichtigkeit auf den Abwassersektor auszudehnen – als
Mittel zum Zweck einer Abwasservollprivatisierung – in den
BBU-WASSER-RUNDBR. 897/3, 848/1-2, 843/2, 828/2, 821/1-2, 791/2,
771/2-3, 714/2, 657,
573/3-4.
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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