Hessen
gilt als das Bundesland mit der schärfsten Aufsicht bei den Wasserpreisen.
Diesen Ruf droht das Land nun zu verlieren, denn die schwarz•gelbe
Regierung in Wiesbaden tritt bei der Regulierung des Marktes auf die
Bremse. Zwei laufende Kartellverfahren gegen Versorger in Frankfurt
und Kassel werden vorerst nicht weiter verfolgt, erfuhr das Handelsblatt
aus Branchenkreisen.
Die
im Wirtschaftsministerium angesiedelte Landeskartellbehörde wird
damit ausgebremst. Statt dieser die Preiskontrolle -wie bislang - zu überlassen,
solle nun der Landesrechnungshof die Kostenstruktur der Wasseranbieter
in Frankfurt und Kassel prüfen, so ein Sprecher des hessischen
Innenministeriums.
Kommunen
fürchten um Einnahmen
Die
Verfahren gegen die Unternehmen werden sich erheblich verzögern,
was viele in der Wasserbranche freut. Den lange Zeit konnten die rund
6200 Wasseranbieter in Deutschland ihre Preise ohne größere
Einflussnahme der Aufsichtsbehörden festlegen. Das änderte
sich erst mit dem früheren hessischen Wirtschaftsminister Alois
Rhiel. Als oberster Kartellwächter des Landes nahm er die Preise
unter die Lupe und strengte gegen mehrere Anbieter verfahren an.
Andere
Bundesländer folgen dem Vorbild der Hessen, aber die Regierung
in Wiesbaden bricht mit Rhiels harter Linie. Sein Nachfolger Dieter
Posch (FDP) hatte zwar beteuert, dass er ein waches Auge auf die Wasserpreise
haben wird. Aber scheinbar wurde der Druck der Kommunen zu groß;
diese sorgen sich um die Einnahmen der häufig kommunalen Wasseranbieter.
In
einem Brief an Ministerpräsident Volker Bouffier fordert der Hessische
Städtetag die Aufsichtsbehörden auf, keine weiteren Kartellverfügungen
zu erlassen. Zugleich droht der Verhand mit einer landesweiten Umwandlung
von Preisen in Gebühren. Die Unternehmen könnten sich damit
der Aufsicht durch die Kartellbehörden entziehen.
Grund
für die Kritik des Städtetags ist die Höhe der verordneten
Preissenkungen. Die Frankfurter Mainova muss wie die Stadtwerke Kassel
ihre Tarife um 37 Prozent kappen. Mainova-Chef Constantin Alsheimer
sieht seine Unternehmen dadurch mit einem zweistelligen Millionenbetrag
belastet.
Die
Höhe der Preissenkung leitete die Kartellbehörde aus Vergleichen
mit anderen Wasseranbietern ab. Die Unternehmen lehnen dies zwar ab,
jedoch bestätigte der Bundesgerichtshof im Frühjahr die Methode
der Hessen als rechtmäßig.
Prüfung
der Wasserpreise in Berlin
Die
Stadtwerke in Frankfurt und Kassel hatten sich auf einen empfindlichen
Eingriff in ihre Preisgestaltung einstellen müssen – mit
der verordneten Regulierungspause ist diese Gefahr nun vorerst gebannt.
Entspannt
zurücklehnen kann sich die Branche aber nicht. Denn während
in Hessen die Aufsicht über den Milliardenmarkt ins Stocken gerät,
ziehen andere Behörden die Daumenschrauben an. So hat das Bundeskartellamt
nach dem Vorbild der hessischen Kartellbehörden eine umfassende
Untersuchung der Preisgestaltung in Berlin eingeleitet. Um die Tarife
in der Hauptstadt auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, haben
die Kartellhüter 45 Großstädte zur Offenlegung ihrer
Kostenstrukturen aufgefordert.
Der
dazu verschickte Fragenkatalog basiert weitgehend auf den Erfahrungen
der Landeskartellbehörde Hessen. Branchenkenner erwarten, dass
sich die Berliner Bürger auf einen Preisabschlag jenseits der
Marke von zehn Prozent einstellen können.
Auch
Sachsen geht gegen überhöhte Wasserpreise vor. Sechs Anbieter
seien aufgefordert worden, ihre vergleichsweise hohen Tarife zu begründen,
sagte Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP). "Keinem Wasserkunden
darf ein ungerechtfertigt hohes Entgelt in Rechnung gestellt werden."
WASSERMARKT
Fehlplanung
Die Geschichte der deutschen Wasserbranche ist auch eine von Fehlplanungen.
In Erwartung eines steigenden Bedarfs haben die Unternehmen ihre
Netze aufgerüstet. Tatsächlich sinkt der Verbrauch Jahr
für Jahr dank neuer Technik im Haushalt. Da die Netze finanziert
werden müssen, belaufen sich die Fixkosten am Wasserpreis
zum Teil auf 80 Prozent.
Verwerfung
Zu Verwergungen auf dem Wassermarkt mit seien rund 6200 Anbietern trägt
die Aufteilung in Preise und Gebühren bei. Währen die Preise
von den Kartellbehörden kontrolliert werden, unterliegen Gebühren
der kommuinalen Aufsicht. In der Regel ist Letztere schwächer.
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