aktualisiert:
22. März 2011
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
28.2.2011
ISO/CEN:
Deutsche Wasserwirtschaft
im aussichtslosem Abwehrkampf?
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„Außen
hui, innen pfui!“ Mit diesem Spruch titulieren deutsche Wasser-
und Abwasserwerker den Effekt einer überbordenden Schwemme
von Management-System-Normen. Bei vielen dieser formalisierten
Management-System-Normen sei nicht gesichert, ob sie tatsächlich
einen positiven Effekt auf die Sicherheit und Qualität der Wasserver-
und der Abwasserentsorgung haben. In Wirklichkeit würde es sich
bei diesen Normen um aufgeblasene Hüllen ohne substanziellen Inhalt
handeln. Ob das Wasserwerk oder die Kläranlage auf der technischen
Ebene tatsächlich
gut betrieben und nachhaltig gewartet wird, sei eher nebensächlich.
Von der Imple-mentierung der Management-Systeme würden nur Zertifizierer
profitieren (siehe Kasten).
Wer
braucht Managementsystemstandards?
Die
Normung der Steigung des Gewindes von Schrauben war früher
eine typische Normungsaktivität. Mittlerweile scheint
es aber so zu sein, dass Management-System-Normen zunehmend
die Lebensgrundlage und Existenzberechtigung für ISO
darstellen. Denn im Produktbereich gibt es fast nichts mehr
zu normen (abgesehen von den weiterhin völlig inkompatiblen
Staubsaugerbeuteln). Die meisten nationalen Normungsorganisationen
sind zudem auch als Zertifizierer unterwegs und haben deshalb
ein materielles Interesse an einer Ausweitung des Zertifizierungsgeschäfts.
Vorreiter bei der Kreierung von Managementsystemnormen für
den Infrastrukturbereich sind die Engländer. An dem britischen „PAS
55“ (public abvailable specification) orientieren sich
viele andere Normungsausschüsse in Europa. Für das
Zusammenbasteln von Managementsystemstandards (MSS) gibt der „ISO
Guide 72“ die Gliederung vor. Insofern sind alle MSS
im Hinblick auf die Grundstruktur gleich.
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Ausgeknobelt
werden diese System-Standards von wild wuchernden Ausschüssen
auf der Ebene der Internationalen Standardisierungs-Organisation
(ISO) und der Europäischen Normungs-Institution
(CEN). Treiber dieser Entwicklung seien staatliche Regulatoren.
Diese wollten sich mit einer Zertifizierung von Managementsystemen
die (trügerische?)
Sicherheit verschaffen, dass in den von ihnen regulierten (überwachten)
Unternehmen alles in Ordnung sei. Die Management-System-Standards
dienen in immer mehr Ländern der Konformitätsbescheinigung
gegenüber
politischen Entscheidern und Auftraggebern – Motto: „Seht
mal - ich arbeite voll in Übereinstimmung mit der Norm!“ Zudem
wird vermutet, dass der von der EU-Kommission immer wieder in
die Diskussion gebrachte Ausschreibungszwang für Wasserversorgungskonzessionen (s.
RUNDBR. 953/1, 950/2-3, 835/1-2, 735/2, 731/1, 721/1-2, 663/4,
588/1-2,
583/2, 561/1-3) hinter dieser Entwicklung
stehen könnte. Ein zertifiziertes
Managementsystem könnte zu einer Voraussetzung werden, um
sich an einem Ausschreibungsverfahren überhaupt beteiligen
zu können.
Behauptet wird, dass Banken und Versicherungen ebenfalls ein
Interesse am zertifizierten Infrastruktur-Asset-Management haben
könnten
- beispielsweise wenn die Weltbank Geld für ein Infrastrukturprojekt
in der Dritten Welt gibt. Nicht zertifizierte Unternehmen brauchen
sich erst gar nicht um den Auftrag bewerben. Demzufolge wird
auch VEOLIA nachgesagt, dass der französische Wassermulti
ein Interesse an dieser Entwicklung haben könnte – zumal
VEOLIA-Mitarbeiter führend auf ISO- und CEN-Ebene in der
Normung engagiert sind.
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Infrastruktur-Normung:
Die deutsche Wasserwirtschaft als Insel?
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Die Überstülpung
von Management-Systemen hat auf internationaler Ebene inzwischen
so einen Drive bekommen, dass es aussichtslos erscheint, sich in
Deutschland auf Dauer gegen diese Entwicklung stemmen zu können.
Das „bewährte“ System der technischen Selbstverwaltung
in der deutschen Trinkwasserversorgung (DVGW-Regelwerk) und in der
Abwasserentsorgung (DWA-Regelwerk) scheint dadurch ebenfalls bedroht.
Der deutschen
Wasserwirtschaft scheint die Manpower zu fehlen, um sich auf internationaler
Bühne auf Dauer erfolgreich engagieren
zu können. Bei der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches
e.V. (DVGW) denkt man inzwischen darüber nach, sich mit seinem
Regelwerk neu aufzustellen. Die technische Selbstverwaltung in
der deutschen Wasserwirtschaft sei singulär auf der Welt
und ISO pflege mit seinen Management-System-Normen eine völlig
andere Philosophie. Die deutsche Wasserwelt müsse sich auf
ISO- und CEN-Ebene stärker engagieren, um zu retten, was noch
zu retten ist.
Allerdings herrscht
Skepsis, ob bei den DVGW-Mitgliedsunternehmen überhaupt
die personellen und finanziellen Ressourcen vorhanden sind, um
den steigenden Bedarf an internationalem Engagement abdecken
zu können.
Die wenigen hauptamtlich tätigen DVGW-Reisekader brauchen
hier die Unterstützung der ehrenamtlichen DVGW-MitarbeiterInnen
aus den Unternehmen. Die Frage ist, wie die Reisetätigkeit
der Ehrenamtlichen quer über den Globus finanziert werden
kann, wenn die Leute nicht nur aus den großen, finanziell
poten-ten Wasser- und Abwasserunternehmen kommen sollen. Und
die Reisekosten
sind nicht gering: Die Normungsausschüsse auf ISO-Ebene
tagen ab-wechselnd auf allen Kontinenten von Rio über Toronto
bis Singapur - und auf der CEN-Ebene werden reihum die europäischen
Hauptstädte abgeklappert.
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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