aktualisiert:
15. Juli 2012
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
11.6.2012
Bundeskartellamt:
Berliner Wasserbetriebe müssen Preise senken
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Die
Bemühungen, die Wasserversorger einer Preisregulierung zu unterwerfen
(s. RUNDBR. 940/1-39), haben
im Juni 2012 eine neue Eskalationsstufe erreicht. Am 5. Juni hat das
Kartellamt nach einigem Vorgeplänkel
(s. 956/4) eine definitive Preissenkungsverfügung
gegen den größten
deutschen Wasserversorger erlassen: Die halbprivaten Berliner Wasserbetriebe
(BWB) müssen ihre Wasserpreise für das Jahr 2012 um 18 Prozent
und in den kommenden drei Jahren um 17 Prozent senken. In der ersten
Abmahnung durch das Kartellamt war bis 2014 eine Absenkung um 19 Prozent
gefordert worden.
Wegen
der umfangreichen Einwände ging das Kartellamt
den Fall aber noch einmal durch - und kam im April 2012 mit einer
Preissenkungsverfügung
von 21 Prozent zu einem noch schlechteren Ergebnis für die
Wasserbetriebe. Mit der Preissenkungsverfügung vom 5. Juni
2012 wurde die Absenkungsrate nunmehr zu Gunsten der BWB nach unten
korrigiert. Das
Bundeskartellamt ließ es „ausdrücklich“ offen,
ob es außerdem
noch eine rückwirkende Preissenkung für die Jahre 2009
bis 2011 verfügen wird.
Die
Preissenkungsverfügung hat
die Folge, dass für den Zeitraum von 2012 bis 2015 die BWB
ihre Erlöse
um insgesamt ca. 254 Millionen Euro absenken müssen. Für
das Bundeskartellamt mache das Ergebnis dieses Verfahrens deutlich, „wie
wichtig eine konsequente Kontrolle der Kartellbehörden in
der Wasserversorgung ist“.
Das
Bestreben der Kartellbehörden,
die Wasserversorger in ihr Regulierungsregime einzubeziehen,
wird auch an folgender Aussage des Präsidenten des Bundeskartellamtes,
ANDREAS MUNDT, deutlich:
„Soweit
es der Wettbewerb, wie offenkundig in monopolisierten Wirtschaftsbereichen,
nicht richten kann, ist eine effektive Missbrauchskontrolle
durch die Kartellbehörden unverzichtbar.“
Das
Verfahren des Bundeskartellamtes gegen die BWB war im März
2010 auf Grund einer Aufforderung durch den damaligen Berliner
Wirtschaftssenator HARALD WOLF (LINKE) eingeleitet worden (s. 956/4).
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Wasserpreise
in Berlin sind
„missbräuchlich“ überhöht
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Zur Begründung
für seine Preissenkungsverfügung gab das Kartellamt an,
dass die Preise in Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten
deutlich überhöht seien. Um den Tatbestand „missbräuchlich überhöhter
Trinkwasserpreise“ nachzuweisen, hatte das Bundeskartellamt
die Berliner Wasserpreise mit den Wasserpreisen in den Vergleichsunternehmen
HamburgWasser, Stadtwerke München und Rhein-Energie Köln
verglichen.
Bei dem Erlösvergleich
hat das Bundeskartellamt die durch die Wiedervereinigung bedingten
Zusatzkosten der BWB (u.a. für die Sanierung des Ost-Berliner
Wassernetzes) als berücksichtigungsfähige
Mehrkosten im Vergleich zu den Unternehmen aus Hamburg, München
und Köln anerkannt. (Die hohen Kosten für die Sanierung
des maroden und überdimensionierten Netzes in Ostberlin waren
von den BWB immer wieder als ein Grund dafür genannt worden,
dass die Wasserpreise höher als in westdeutschen Kommunen
zu liegen kämen.) Die Versorgungsbedingungen in Hamburg, München
und Köln seien nach Auffassung des Bundeskartellamtes ansonsten „strukturell
mit Berlin vergleichbar“. Zu seinem Erlösvergleich
hatte das Bundeskartellamt am 05.06.12 u.a. ausgeführt:
„Im Rahmen
der Ermittlungen hat sich das Bundeskartellamt intensiv mit den Kosten
und den Versorgungsbedingungen in den verschiedenen Städten
befasst. Insbesondere wurden die Kosten für die in Deutschland
sehr gute Trinkwasserqualität
geprüft. Alle Wasserversorger unternehmen hier große Anstrengungen.
Berlin hat nach der Auffassung der Behörde insofern keine höheren
Aufwendungen als Hamburg, Köln oder München. Qualitativ hochwertiges
Wasser ist in Berlin reichlich und gut zugänglich vorhanden. Die Bedingungen
der Wasserverteilung sind in Berlin ebenfalls sehr günstig.“
Die Berliner
Wasserbetriebe sind derzeit noch ein Gemeinschaftsunternehmen von
Land Berlin, RWE und dem französischen Umweltdienstleistungs-Multi VEOLIA.
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Die
Wasserbetriebe bezweifeln
die Zuständigkeit des Kartellamtes
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Gegen die Entscheidung
des Bundeskartellamtes wollen die Wasserbetriebe juristisch vorgehen.
Vor dem für Kartellauseinandersetzungen zuständigen Oberlandesgericht
in Düsseldorf wollen die BWB geklärt wissen, ob das Bundeskartellamt überhaupt
eine Zuständigkeit für die Festsetzung von Wasserpreisen
in Berlin hat. Der BWB-Vorstand verweist darauf, dass die Berliner
Wasserbetriebe traditionell ihre Preise von der Berliner Preisprüfungsbehörde
bestätigen lassen. Demgegenüber sei die Prüfung
des Kartellamtes nach einem ganz anderen rechtlichen Konzept aufgebaut.
Die Frage, ob zusätzlich zum Berliner Landesrecht mit seinen
staatlichen Kontrollmechanismen auch das Kartellrecht des Bundes
zu beachten ist, müsse aus Sicht des Unternehmens abschließend
geklärt werden.
Diese gerichtliche
Klärung habe der
Präsident des Bundeskartellamts Ende April 2012 in Berlin
ebenfalls als sinnvoll und wünschenswert bezeichnet, um
Rechtssicherheit
zu schaffen. Der BWB-Vorstandsvorsitzende JÖRG SIMON
beteuerte, dass die BWB
„nicht gegen eine Senkung des Tarifs“ seien.
Allerdings bleibe für die BWB „die rechtliche Klarstellung
unabdingbar, auf welcher Basis dies geschehen soll“.
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Juristisches
Gerangel
um die Privatanteile an den BWB
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In unruhigem
Fahrwasser sind die Berliner Wasserbetriebe derzeit noch in anderer
Hinsicht. Der Miteigner RWE hat den Spaß am Wassergeschäft
in Berlin verloren, und will seinen Anteil an das Land Berlin rückveräußern
(s. RUNDBR. 970/2-3).
Das passt allerdings
dem Miteigner VEOLIA nicht ins Konzept. Der französische Wasserriese
befürchtet
offenbar, dass er nach einem Rückverkauf der RWE-Anteile
als Minderheitsaktionär seinen bestimmenden Einfluss auf
das Berliner Wassergeschäft verlieren könnte. VEOLIA
ist deshalb gegen den beabsichtigten Verkauf der RWE-Anteile
juristisch
vorgegangen. Veolia hatte argumentiert, dass mit der Rückübertragung
der RWE-Anteile das bisherige Gleichgewicht von Rechten und
Pflichten zwischen dem Land Berlin und den beiden privaten Gesellschaftern
zerstört würde. Mit dieser Meinung ist VEOLIA allerdings
vor Gericht Ende Mai 2012 zunächst ein Mal gescheitert.
VEOLIA und RWE
hatten im Jahr 1999 jeweils 24,95 Prozent an dem Landesbetrieb übernommen.
(Der Allianz-Konzern, der ursprünglich auch mit von der
Partie war, hatte seinen Zehnprozent-Anteil an den BWB schon
recht bald
an RWE und VEOLIA abgetreten.) Nachdem in der Berliner Öffentlichkeit
eine starke Bewegung für eine Rekommunalisierung der BWB
entstanden war, will jetzt auch die Berliner Politik die Anteile
der privaten
Miteigner zurückkaufen, um wieder mehr Einfluss auf das
Unternehmen zu bekommen. Für die Kritiker der Teilprivatisierung
sind die damals abgeschlossenen Verträge mit RWE und
VEOLIA der Hauptgrund für die hohen Wasserpreise in der
Hauptstadt.
(Die oben
stehenden „BWB-Notizen“ basieren auf Berichten
auf der Homepage www.rbb-online.de, auf einer Pressemitt. der
BWB vom 05.06.12 sowie auf der Pressemitteilung des Bundeskartellamtes
vom 05.06.12.)
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Berliner
Preissenkungsverfügung: „ Kein Grund zum Jubeln“
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Unzufrieden mit
der Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes zeigten sich
die Berliner Wasserbürger, die das Volksbegehren zur Offenlage
der Teilprivatisierungsverträge initiiert hatten (s.
RUNDBR. 958/1-2). Wer glaube, dass durch die Preissenkungsverfügung
die privaten Anteilseigner auf ihre Gewinne verzichten werden, der
irre sich „gewaltig“, heißt es auf der Homepage
der Wasserbürger – denn die Gewinnausfallgarantie des
Konsortialvertrages sei nicht Bestandteil der kartellrechtlichen
Prüfung gewesen. Die Wasserbürger befürchten deshalb,
„dass
die Preissenkungsverfügung zu Lasten des Haushalts und mit einer
rigorosen Sparpolitik zu Lasten der Mitarbeiter durchgesetzt werden“
könnte.
Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abwassertarife – quasi
kompensatorisch – sukzessive angehoben werden.
„Daher
besteht kein Grund für Jubelrufe, im Gegenteil: Solange
die vom Volksentscheid intendierte Prüfung und Anfechtung
der Verträge nicht in den Mittelpunkt der medialen Berichterstattung
gestellt wird, solange besteht leider nicht der geringste
Anlass zur Hoffnung.“
Ferner
kritisieren die Wasserbürger, dass in Berlin niemand
„den
längst überfälligen Tabubruch begehen
und die Kernfrage stellen“ wolle: „Warum
halten wir bei unserem wichtigsten Grundnahrungsmittel
immer noch am Prinzip der Gewinnerwirtschaftung
fest?“
Die
Kritiker der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe
erinnern daran, dass das Bundeskartellamt
die Wasserpreise in den
nächsten 3 Jahren um insgesamt 254 Mio. € senken
wolle, dass aber in den letzten drei Jahren 756
Mio. € an
Gewinnen ausgeschüttet
worden seien.
Die
Wasserbürger plädieren
deshalb dafür,
sich über ein neues Volksbegehren bzw. über
ein neues Volksgesetz vom Prinzip der Gewinnerwirtschaftung
zu verabschieden. Die Wasserbürger
sprechen sich auch dafür aus, dass das
Berliner Abgeordnetenhaus die Teilprivatisierungsverträge
von 1999 juristisch anfechten sollte.
Nicht
zufrieden sind die Wasserbürger deshalb
mit einem Gutachten des Wissenschaftlichen
Parlamentarischen Dienstes, in dem festgestellt
wird, dass kein
juristischer
Hebel erkennbar sei, die
Teilprivatisierungsverträge anzufechten.
Ein „Arbeitskreises
unabhängiger Juristen“ (AKJ),
der den Wasserbürgern
zuarbeitet, war zuvor zu einem gegenteiligen
Ergebnis gekommen. Der AKJ hatte sogar einen
Leitfaden für
klagewillige Mitglieder des Abgeordnetenhauses
erarbeitet. Juristen aus dem Umfeld des AKJ
hatten darüber hinaus ihre Bereitschaft
erklärt,
basierend auf dem Leitfaden für klagebreite
Abgeordnete kostenfrei eine entsprechende
Organklage zu konzipieren.
Die Wasserbürger zeigen sich deshalb
sehr verärgert, dass der Untersuchungsausschuss
des Berliner Abgeordnetenhauses die Initiative
für
eine Organklage gegen den Teilprivatisierungsvertrag
nicht aufgreift.
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„Die
BWB-Teilprivatisierung
gerichtlich anfechten!“
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Misstrauisch
reagieren die Berliner Wasserbürger auch auf das Vorhaben
des Senates, für den Rückkauf des RWE-Anteils an den
Berliner Wasserbetrieben Hunderte von Millionen Euro an den Essener
Energiemulti über den Tisch schieben zu wollen.
Gemeinsam
mit dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), dem
Bund der Steuerzahler Berlin und dem Umweltverband GRÜNE
LIGA Berlin unter Mitwirkung des Arbeitskreises unabhängiger
Juristen (AKJ) haben die Wasserbürger dem Berliner Finanzsenator
am 30. Mai 2012 deshalb einen offenen Brief geschrieben.
In dem
Schreiben
begehren die Wasserbürger um Auskunft, warum der Senat
mit dem RWE-Konzern um Millionen Euro pokert, ohne die Prüfung
abzuwarten, ob die Teilprivatisierungsverträge rechtlich überhaupt
Bestand haben. Dass hieran Zweifel angebracht seien, könne
u.a. daraus abgeleitet werden, dass die EU-Kommission
inzwischen ein Vorprüfungsverfahren eingeleitet habe.
Das Verfahren gehe auf eine Beschwerde des „Arbeitskreis
unabhängiger
Juristen“ unter dem Dach des Umweltverbandes GRÜNE
LIGA Berlin e.V. zurück. Der Arbeitskreis hatte in enger
Zusammenarbeit mit der Antikorruptionsorganisation Transparency
International
Deutschland und der Verbraucherzentrale Berlin gegenüber
der Europäischen Kommission ein Beschwerdeverfahren wegen
Verstoßes
gegen das europäische Beilhilfe- wie Vergaberechts initiiert – Tenor:
Auf Kosten der öffentlichen Hand – sprich der Berliner
Wasserkunden – könnten sich VEOLIA und RWE im konkurrenzfreien
Wassermarkt nach Belieben mästen.
Die Wasserbürger
zeigen sich überzeugt, „dass erst die gerichtliche
Vertragsanfechtung die Voraussetzung liefert, um eine vorteilhafte
Ausgangsposition
für eine kostengünstige Rekommunalisierung zu erreichen,
für das Land Berlin, den Haushalt und die Berliner
Verbraucher“.
Im Namen von 660.000 Berlinerinnen und Berlinern, die sich
im Volksentscheid für eine Offenlegung der Teilprivatisierungsvertäge
ausgesprochen hatten, heißt es in dem offenen
Brief an den Finanzsenator weiter:
„Sie werden
daher unsere Verwunderung verstehen, wenn wir aus der Presse entnehmen,
dass die Verhandlungen um einen Rückkauf der
RWE-Anteile kurz vor dem Abschluss stehen, ohne dass zuvor
entscheidende Schritte zur Vertragsprüfung und Vertragsanfechtung
vollzogen wurden.“
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