aktualisiert:
29.
April 2012
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
18.2.2012
Trinkwasser-Bakterienalarm
in Meck-Pomm – Waren es die Mücken?
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Seit
Oktober 2011 grassiert in zahlreichen Trinkwasserversorgungen
im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg eine bakterielle
Verkeimung. Betroffen waren und sind mehr als 200 Gemeinden vorrangig
im Osten des Landes, in den Kreisen Vorpommern Greifswald, Vorpommern
Rügen und der Mecklenburgischen Seenplatte.
Über
die Ursachen des Befalls mit Coliformen, E.coli, Enterokokken und anderen
Keimen wurde auch noch Anfang Februar 2012 wild spekuliert. Ein Erklärungsversuch:
Der außerordentlich feuchte Sommer in Nordostdeutschland
habe zu enormen Mückenschwärmen geführt. Möglicherweise
seien Mücken über die Ventilationsöffnungen in
Trinkwasserbehälter gelangt. Mückenleichen und –larven
könnten den Nährboden für ein abnormes Bakterienwachstum
abgegeben haben.
Würde diese Hypothese stimmen, wäre
sie allerdings kein Ruhmesblatt für die betroffenen Wasserwerke.
Denn Lüftungsöffnungen von Wasserbehältern und –aufbereitungsanlagen
müssen nach dem Stand der Technik mit Filtern versehen sein,
die das Eindringen von Staub – und erst recht von Mücken – verlässlich
verhindern (vgl. Kasten). Inzwischen wird aber auch vermutet,
dass es an der Gaze der Be- oder Entlüfter zu Mückenansammlungen
gekommen sein könnte. Aber nicht die Mücken selbst, sondern
deren Eier und Aus-scheidungen könnten durch die Filter in die
Rein-wasserbehälter gelangt sein – und dort eine Verkeimung
verursacht haben. Derzeit wird geprüft, wie die Filter
umgerüstet
werden können, damit sich das Problem ab Herbst 2012 nicht
wiederholt.
Mäuse
in der Potsdamer Trinkwasserversorgung
Die
folgende Meldung aus der Zeitung für kommunale Wirtschaft
(Zfk) vom Aug. 2011, S. 17, zeigt, dass Belüftungsöffnungen
von Reinwasserbehältern ein neuralgischer Punkt
bei der Trinkwasserhygiene sein können.
In
einem Hochbehälter
der Energie Wasser Potsdam GmbH waren drei tote Mäuse und
ein Maulwurf gefunden worden. Die toten Kleintiere sind vermutlich
dafür verantwortlich, dass am 13. Juni 2011 das zuständige
Gesundheitsamt ein Abkochverbot für einen Potsdamer
Stadtteil verhängen musste. Im dortigen Leitungssystem waren
Coliforme Keime und E.coli detektiert worden. Wie die Kleintiere
in den Hochbehälter gekommen sind? „Ein unabhängiger
Gutachter stellte einen schadhaften Entlüftungskanal fest,
durch den die Tiere ins Innere gelangten.“ Am 26. Juni
2011 konnte das Abkochverbot wieder aufgehoben werden.
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Mysteriöse Verkeimung „zerrt an den
Nerven“
der Wasserwerker
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Um das
Bakterienwachstum zu unterdrücken, muss-ten in über 40
Wasserversorgungen in MeckPomm und in Brandenburg das Wasser gechlort
werden.
Die
Hochchlorung hatte den Effekt, dass empfindliche Aquarienfische
den Geist aufgegeben haben sollen. Um eine gesundheitliche Gefährdung
der TrinkwasserkonsumentInnen zu verhindern, wurden in vielen Gemeinden
die BürgerInnen dazu aufgerufen, das Wasser abzukochen. Das
Abkochgebot musste in einigen Gemeinden über Wochen aufrechterhalten
werden.
In
einem Stimmungsbild aus den Wasserwerken berichtete der NORDKURIER
am 22.12.11 (online-Ausgabe) über den Stress der
Wasserwerker und die Belastung der Wasserwerke mit den Bakterien: „Sie
sind winzig, aber zäh. Und sie zerren seit Oktober an den Nerven“ der
GeschäftsführerInnen der betroffenen Trink- und Abwasserzweckverbände. „In
insgesamt 40 Wasserwerken wird derzeit dem Wasser Chlor beigefügt.“
Der
NORDKURIER erklärte seine LeserInnen auch
die Heimtücke der Keime: Dass innerhalb von drei Monaten die
bakterielle Belastung des Trinkwassers nicht beseitigt werden
konnte, liege an der Zählebigkeit der Enterokokken: Kaltes
Wasser störe ihre Vermehrung nicht. „Im Trinkwassernetz
bilden sich im Laufe der Zeit Biofilme oder auch Eisen- und Manganablagerungen.
Das ist die Nahrungsgrundlage der Bakterien.“ Überleben
nur einige Bakterien eine Chlorung, würden sich die Enterokokken
nach deren Einstellung wieder rapide vermehren. „An einem Tag
hatten wir das Trinkwasser keimfrei und haben die Chlorung eingestellt.
Bei einer Nachprobe waren wieder Bakterien da“, zitierte
der NORDKURIER einen frustrierten Wasserwerker.
Erleichtert
zeigten sich die Wasserwerker darüber, dass die Keimbelastungen bereits
bei Routinekontrollen und nicht erst nach gesundheitlichen Beschwerden
von Einwohnern entdeckt worden waren.
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Großer Imageschaden für
keimbelastete Wasserversorgungen
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Die
MÄRKISCHE ODERZEITUNG (MOZ) berichtete am 17.11.11 (online-Ausgabe) über
den „Bakterienalarm“ aus der brandenburgischen Uckermark:
„Inzwischen sind nach weiteren Proben fünf von 14 Wasserwerken des
Zweckverbands Ost-Uckermärkische Wasserversorgung und Abwasserbehandlung
(ZOWA) betroffen. Das Gesundheitsamt hat flächendeckende Kontrollen
angeordnet. Beim Zweckverband jagt eine Krisensitzung
die nächste. Um die Unruhe bei den Kunden zu dämpfen, gingen
Informationsbriefe an alle angeschlossenen Haushalte. Die Telefone
im Gesundheitsamt stehen nicht mehr still. Vor allem ältere
Menschen sind verunsichert. Viele bevorrateten sich mit Mineralwasser.
Für
empfindliche Aquarienfische ist das Chlor im Trinkwasser ungeeignet.
Schätzungsweise 15.000 Menschen rund um Angermünde und
Gartz sind von der Desinfektion der Leitungsnetze betroffen.
Fieberhaft suchen unabhängige Labore, Wasseringenieure
und Techniker nach der Ursache der Keimbelastungen. Denn immer
noch kann niemand auch nur ansatzweise sagen, woher die Enterokokken
kommen und wie sie
sich
ausbreiten.“
Nach
Meinung der MOZ hinterlasse der Bakterienbefall einen „großen
moralischen Schaden“. Denn gerade in Deutschland hätte bisher
das Trinkwasser als das sauberste Lebensmittel überhaupt gegolten.
Wie lange die Desinfektion der fünf uckermärkischen
Leitungsnetze anhält, könne noch niemand sagen. Und weiter
heißt es in dem Bericht:
„Besorgte
Eltern, beunruhigte Einwohner, ratlose Experten: Kindergärten
und Pflegeheime treffen Vorsorge. In der Kindertagesstätte Kinderland
in Priborn sei bereits seit Wochen das Zähneputzen eingestellt
worden, teilte Kita-Chefin Andrea Sommerfeld gestern mit:
'Eine Vorsichtsmaßnahme
bis auf Widerruf.’ Die Kinder würden mit Trinkwasser
aus Flaschen versorgt.“
Und der Nordkurier hatte am 24.11.11 ebenfalls die Stimmungslage
angesichts des rätselhaften Keimbefalls in Dutzenden
von Gemeinden beschrieben:
„Der Unmut
wächst: Wochenlang mussten beispielsweise Einwohner
im brandenburgischen Wittenberge ihr Wasser abkochen.
Nach der Desinfektion der Anlagen wurde das Trinkwasser zwar wieder
freigegeben, die Ursache
für den Bakterienbefall ist noch immer nicht
auszumachen.
Die Fachwelt steht vor einem Rätsel: Hochwasser,
Mückeninvasion
oder doch verunreinigte Proben? Monate nach dem ersten
Keimfall haben Wasserversorger, Gesundheitsbehörden
und Fachverbände
keine Ursache für den ominösen Keimbefall entdecken können.“
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„Danke
liebes Wasserwerk!“
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Auf
den Kommentarseiten der Online-Ausgaben von NORDKURIER und MOZ empörten
sich LeserInnen über die Informationspolitik der Wasserversorger.
So seien „vereinzelt kleine süße Zettel an Laternen
geklebt“ worden, „in der Hoffnung, dass sie auch gelesen
werden“. Das Krisenmanagement der Wasserwerker wurde in Lesekommentaren
als mangelhaft eingestuft. Unverständnis wurde geäußert,
weil die Ursachen der Keimbelastung auch nach Woche nicht zweifelsfrei
herausgefunden werden konnten.
„Also entweder
hat man wirklich den Überblick verloren oder man verschweigt
der Öffentlichkeit etwas, wobei 'etwas’ dann nur mit 'Schlamperei’ zu
tun haben könnte“,
mutmaßte
ein Kommentator. Ein anderer Leserkommentator trauerte seinem Hausbrunnen
nach und brachte die Misere in Verbindung mit dem
verhassten Anschlusszwang:
„Und weil
alles so hygienisch und sauber angeboten wird, gibt
es laut Satzung den 'Anschlusszwang’. Da war es mit
dem eigenen Hausbrunnen vor nicht all zu langer Zeit hygienischer. Das
Trinkwasser wurde mit einer elektrischen Pumpe frisch aus der tiefen
Erdschicht geholt. Dieses Wasser war frisch und roch angenehm; nicht
zu vergleichen mit dem abgestanden Trinkwasser aus dem öffentlichen
Netz!“
Und unter
dem Pseudonym „Ungewaschener Angermünde“ ärgerte
sich ein Leser am 17.11.11:
„Diese
gnadenlos überforderten 'Regionalwassermonopolisten'
können heil froh sein, dass es in der momentanen
Situation keine Opfer zu beklagen gibt. Man stelle
sich dieses planlose Krisenmanagement
bei einem wirklich gefährlichen Virus vor. Mann! Mann! Was hätten
die im bestens finanzierten „Normalbetrieb’ Zeit gehabt
sich vorzubereiten.“
Auch auf
den Kommentarseiten des NDR empörte sich ein Hörer über
eine zu späte Information über den
Keimbefall:
„Ich
wohne im betroffenen Gebiet und erfahre aber erst heute davon.
Die letzte Woche lag ich mit Magen-Darm im Bett und habe immer
extra viel
Leitungswasser getrunken. Besten Dank, liebes
Wasserwerk!“
Es gab
allerdings auch Leser, die die Wasserwerker in Schutz nahmen:
„Planloses
Meckern und Maulen geht ja schneller und ist auch so wunderbar
anonym möglich.“
Neo-Nazis über
mangelnde Effizienz
der Keimalarmierung besorgt
Die
NPD im Landtag von MeckPomm versuchte sich
ein Mal mehr als Schutzpatron der besorgten
TrinkwasserkonsumentInnen zu profilieren.
So wollte in einer Fragestunde des Schweriner
Landtags ein fürsorgender NPD-Abgeordneter
wissen:
„In
welcher Weise werden die Bürger möglichst schnell und vollständig über
Fälle von Trinkwasserbelastung informiert, besonders im Hinblick
darauf, dass viele Menschen keine Tageszeitungen mehr lesen und auch nicht
jeder Zugang zum Internet hat?“ (Drucksache 6/113).
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