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aktualisiert:
29. April 2012

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 26.3.2012

 

Mikroverunreinigungen:
Einen gesellschaftlichen Konsens anstreben!


 

In NRW wird seit den PFT-Funden in der Ruhr im Jahr 2007 besonders heftig über Mikroverunreinigungen in Flüssen und im Trinkwasser gestritten (s. RUNDBR. 921/2, 899/1, 894/4, 873/2-4, 854/2-4 851/2-4). Intrigen und politische Instrumentalisierungen der Spurenstoff-Debatte bestimmen die Diskussionskultur in NRW (s. 882/1-2). Insofern ist der Leidensdruck der nordrhein-westfälischen Wasserversorger besonders groß.

Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwirtschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen sowie die kommunalen Spitzenverbände in NRW sind jetzt in die Offensive gegangen und haben ein „Memorandum für einen Schutz der Gewässer vor Spurenstoffen“ veröffentlicht. Die Verbände machen sich in dem Memorandum dafür stark, dass sich die Gesellschaft mit der Frage befassen muss,

„ob bestimmte Stoffe unersetzlich sind und nach Abwägung von Nutzen und Risiken ein möglicher Eintrag in geringsten Mengen in die Umwelt in Kauf zu nehmen ist“.

Hier sei es notwendig, „einen gesellschaftlichen Konsens über die Methoden und die Wege zur Lösung der Thematik herzustellen“. Auch sei zu klären, „ob und inwieweit Bürger, Öffentlichkeit und Politik bereit sind, grundsätzlich solche Gehalte zu tolerieren, wenn sie dann für Umwelt und Gesundheit nach den vorliegenden Erkenntnissen keine Gefährdung darstellen“. Falls hierfür keine Akzeptanz zu erreichen sei,

„müsste die Gesellschaft bereit sein, die erforderlichen finanziellen Ressourcen bereitzustellen, um – wenn überhaupt ohne Verzicht auf die Nutzung der Chemikalien möglich – die Gewässer grundsätzlich von diesen Substanzen zu entlasten. Dies hätte erhebliche Investitionen in Industrie, Gewerbe oder aber Kläranlagen zur Folge, deren finanzielle Lasten letztendlich die Bürger, z.B. über stark steigende Abwassergebühren oder höhere Preise für eine Reihe von Produkten, zu tragen hätten.“

Und da man über andere Wege als dem Trinkwas-serkonsum vermutlich deutliche höhere Konzentrationen von Mikroverunreinigungen aufnimmt, wird in dem Memorandum gefordert, dass in einer Risikodebatte zu bewerten sei,

„über welche Pfade die Menschen mit diesen oder anderen Stoffen hauptsächlich in Kontakt kommen, über das Wasser oder aber Nahrung, Luft, Kosmetika, Kleidung u.a“.

Das Memorandum (A5, 7 S.) kann bei der Spurenstoffbeauftragten des Wupperverbandes angefordert werden:

Frau Catrin Bornemann
Tel.: 0202/583-125
E-Mail: bor@wupperverband.de

 

 

Lassen sich mit REACH
die Spurenstoffe eindämmen?

Hoffnung und Skepsis wird in dem Memorandum gegenüber der Chemikalienpolitik der EU (REACH) formuliert:

„Alle Chemikalien, die zukünftig in Umlauf gebracht werden, sollen ab einer bestimmten Produktionsmenge auf gefährliche Eigenschaften, z.B. die Umweltgefährlichkeit, geprüft und eine Abschätzung der Wirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt vorgenommen werden. Dies kann zu Anwendungsbeschränkungen oder sogar zu einem Verbot von Chemikalien führen. Hierzu müssen über eine Zeitraum von 11 Jahren 30.000 Stoffe geprüft werden, vorrangig die, die als gefährlich bekannt sind. Ob dies allerdings vor dem Hintergrund von mehr als 100.000 Stoffen, die in der EU gehandelt werden, um mehr als 1000 jährlich neu synthetisierten Stoffen eine realistische und zielführende Perspektive bietet, ist ungewiss.“

(REACH hat auch deshalb nur beschränkte Durchschlagskraft, weil die 3.000 in Deutschland genutzten Pharmawirkstoffe nicht unter die REACH-Regelungen fallen; Anm.: BBU.)

 



Wupperverband zu Spurenstoffen:
Es gibt nicht die eine Patentlösung

 

Unter dem Titel „Spurenstoffe im Wasserkreis-lauf“ nimmt der Wupperverband in seinem „Fließtext“ vom Febr. 2012 ebenfalls Stellung zur Debatte über die Mikroverunreinigungen. U.a. gibt der Ver-band zu bedenken, dass es sich bei den Mikroverunreinigungen „um unterschiedliche Stoffgruppen aus verschiedenen Anwendungsbereichen“ handeln würde. Insofern werde es „nicht die eine Patentlösung“ geben, um die Spurenstoffe aus der aquatischen Umwelt und dem Trinkwasser fernzuhalten. Ähnlich wie das Memorandum postuliert auch der Wupperverband:

„Die Gesellschaft muss sich die Frage stellen, ob für sie das Vorhandensein von Spurenstoffen in Gewässern oder im Trinkwasser – selbst in Konzentrationen von Millionstel oder Milliardstel Gramm - akzeptabel ist. Und wenn nicht, ist sie bereit, ihr Verhalten zu ändern, auf solche Stoffe zu verzichten oder hohe Investitionen für ihre Ent-fernung aufzuwenden?“

In der Gesellschaft müsse eine Diskussion über Nutzen und Risiken dieser Stoffe angestoßen wer-den, die vielfach unsere Wohlbefinden und unsere Gesundheit verbessern würden, selbst aber nicht ohne Risiken seien. Der Wupperverband macht auch darauf aufmerksam, dass weitergehende Reinigungsstufen zur Eliminierung von Mikroverunreinigungen im geklärten Abwasser „mit höheren Kosten und Energieverbräuchen verbunden“ seien. Die wirksamste und kostengünstigste Methode würde darin bestehen, „problematische Substanzen gar nicht erst in den Wasserkreislauf zu entlassen“. Die Forderung der Trinkwasserversorger laute deshalb seit vielen Jahren:

„Bekämpfung der Ursachen, bei Zulassungsverfahren beginnend, und weg von end-of-pipe-Technologien, die immer nur beschränkt wirksam sind und die verursachergerechte Zuordnung der entstehenden Kosten verhindern.“

Bezug des „Fließtextes“ (A4, 4 S.) vom Febr. 2012 über die oben genannte Ansprechpartnerin des Wupperverbandes für Spurenstoffe.

 

BBU-WASSER-RUNDBRIEF
vor einem Viertel Jahrhundert
 

In der Ausgabe Nr. 81 vom 7. Jan. 1987 berichteten wir, dass die Rheinwasserwerke schon damals einen „Produktionsstopp für Gifte“ gefordert hatten:

„In den Rhein uns eine Nebenflüsse dürfen keine vom Menschen erzeugten Gifte eingeleitet werden“.

Dies verlangte die Internationale Arbeitsgemein-schaft der Rheinwasserwerke (IAWR) in einer Pressemitteilung vom 17.12.86:

„Ein erster Schritt zur Verwirklichung der Forderung, alle vom Menschen erzeugten giftigen Stoffe dem Rhein und seinen Nebengewässern fernzuhalten, sollte nach Ansicht der IAWR ein Produktionsverbot für die 129 Stoffe der vorläufigen Liste der Europäischen Gemeinschaft sein.“

Außerdem forderte die IAWR:

  • „Alle chemische Stoffe und ihre Neben-, Zwischen- und Abfallprodukte, die am Rhein und seinen Nebengewässern hergestellt werden, sollten nach Art und Menge inventarisiert werden. Eine derartige Liste sollte veröffentlicht werden.
  • Der Einsatz von Giftstoffen in der Landwirtschaft ist drastisch zu verringern.
  • Die Beschaffenheit des Rheinwassers stromabwärts der Industrie-Ballungsgebiete Basel, Mannheim/Ludwigshafen, Rhein/ Main- und Ruhrgebiet sollte von den Behör-den durch Gaschromatographie und Massenspektrometrie ständig überwacht werden.“

Ein noch mehr kontrollierender Scharfblick „habe nicht nur industriellen, sondern auch kommunalen Abwassereinleitern zu gelten, zumal die Abläufe nicht weniger öffentlicher Klärwerke höhere Konzentrationen an Lösungsmitteln enthielten als der Rhein“ (Zfk 11/86). (…)

Am gleichen Tag, als die IAWR-Pressemitteilung veröffentlicht worden war, hatten der Bundesverband der Deutschen Industrie sowie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) den Rheinwasserwerken vorgeworfen, dass diese die Uferfiltratentnahmen während der SANDOZ- und der BASF-Giftwellen im Nov. 1986 „aus politischen Gründen“ und wegen des Show-Effektes abgestellt zu haben – und nicht etwa, weil hierfür eine sachliche Notwendigkeit bestanden habe.

Bereits vor dem Pressewirbel um die Rheinvergiftungen aufgrund des Großbrandes bei SANDOZ und der 2,4 D-Havarie bei der BASF im November 1986 habe es entlang des Rheins 100 Betriebsstörungen in der Chemieindustrie gegeben. Diese Havarien seien alle den Behörden gemeldet worden, ohne dass in der Öffentlichkeit jemand Notiz davon genommen hätte (FR, 18.12.86). Bei dem 2.4 D-Störfall bei der BASF am 21.11.86 waren durch eine Leckage im Kühlsystem eines BASF-Produktionsbetriebes in Ludwigs-hafen zwei Tonnen Dichlorphenoxyessigsäure in den Rhein gelangt. Der auch mit 2,4 D bezeichnete Stoff war als Beimischung zum 3T-agend orange-Herbizid bekannt geworden, mit dem im Vietnamkrieg von der US-Luftwaffe der Wald großflächig entlaubt worden war (s. RUNDBR: 80/1). [Agend Orange führt noch heute in dritter Generation in Vietnam zu schweren Missbildungen; Anm.: BBU.]

Im RUNDBR. 81 wurde ferner berichtet, dass die Kölner Stadtwerke wegen der Schadstoffbelastung des Rheins sich weiterhin um den Bau der damals umstrittenen Naafbachtalsperre im Rhein-Sieg-Kreis (Aggerverband) bemühen würden (Zfk 11/86). [Die Pläne für den Bau des Trinkwasserspeichers im Naafbachtal sind zwecks „Sicherung der Wasserressourcen für künftige Generationen“ nach wie vor im nordrhein-westfälischen Landesentwicklungsplan enthalten; Anm.: BBU 2012.]

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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