Völlig überraschend
hatte Michel Barnier, EU-Binnenmarktkommissar, am 21. Juni 2013
erklärt, dass die Kommission den gesamten Bereich der Trinkwasserversorgung
aus der geplanten EU-Dienstleistungskonzessionrichtlinie (s.
RUNDBR. 1009, 1007) herausnehmen würde. Das
so nicht erwartete Zugeständnis der EU-Kommission war zunächst als
großer Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative Right
to Water (s. 1014/4, 1009/4, 1007/1-
2, 999/4, 994/1, 983/1) gefeiert worden.
Die
Initiative hatte EU-weit rund 1,8 Mio. Unterschriften für
das Menschenrecht auf Wasser und gegen die „Liberalisierung“ in
der Wasserversorgung – und damit auch gegen den Richtlinienentwurf – gesammelt.
Dass der
Rückzug der Kommission komplexere Ursachen gehabt hat,
erläutert in der gwf-WASSER/ABWASSER 10/2013 der Vizepräsident
Wasser/ Abwasser des Bundesverbandes der deutschen Energie-
und Wasserwirtschaft (BDEW). Wulf Abke, der auch Geschäftsführer
der HESSENWASSER GmbH & Co. KG ist, schreibt in dem
Aufsatz „Nichts
ist wie es scheint“ (S. 1082 – 1084) dass es
sich bei dem Werdegang des Richtlinienentwurfs um einen „Politikthriller“ gehandelt
habe.
ln
seiner Chronologie über die Auseinandersetzungen um die Herausnahme
der Wasserversorgung aus dem Regelungsbereich des Richtlinienentwurfs
klopft sich Abke selbst auf die Schultern. Denn dem BDEW-Verhandlungsteam sei
es in Berlin und Brüssel gelungen, der EU-Kommission
unter dem Motto „Drin– und doch draussen“ weitgehende Zugeständnis
abzutrotzen.
Obwohl
formal die Wasserversorgung weiterhin in den Richtlinienentwurf
einbezogen war, habe man erreichen können, dass die
EUKommission ein „BDEW-Wasserausnahmepaket“ geschnürt
habe. Die in diesem Paket enthaltenen Ausnahmen zu Gunsten
der kommunal geprägten Wasserversorgung in Deutschland
hätten dann aber den französischen Berichterstatter
im EU-Parlament auf die Palme gebracht: Mit dem „BDEW-Ausnahmepaket“ wäre
die deutsche Kommunalwasserwirtschaft in einem Umfang privilegiert
worden, dass dies Philippe Juvin nicht mehr tolerabel erschien.
Nachdem
aber der Ministerrat bereits das „BDEW-Ausnahmepaket“ abgesegnet
hatte, konnte Berichterstatter Juvin nach der Lesart von Abke in
der entscheidenden Verhandlungsrunde nur noch „die
Notbremse“ ziehen. Gleichzeitig wäre der Ministerrat aber
nicht mehr bereit gewesen, seine Zustimmung zum „BDEW-Ausnahmepaket“ zu
revidieren. Abke
schildert das High Noon wie folgt:
„Der Prozess um die EU-Konzessionsvergaberichtlinie
hatte sich selbst in eine Sackgasse geführt und drohte insgesamt
zu scheitern. Niemand wollte sich auch nur einen Schritt bewegen. Das
Verfahren drohte mit dem bevorstehenden Übergang
auf die litauische Ratspräsidentschaft 'zeitlich aus dem Ruder
zu laufen‘.
Um einen weiteren Gesichtsverlust zu vermeiden, gab es letztendlich nur einen
Ausweg: Kommissar Barnier zog das Wasserausnahmepaket zurück und erklärte
(…) die Ausnahme der Wasserwirtschaft vom Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie.“