Die Pariser Wasserbetriebe sind seit dem 1.Januar 2010 wieder in
städtischem Besitz. Weshalb wurden die auslaufenden Konzessionen mit
den privaten Partnern Suez und Veolia nicht erneuert und wie kamen die
Wasserbetriebe in öffentliches Eigentum zurück?
Anne Le Strat:
Im Januar 2010 holte die französische Hauptstadt nach
25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen
Besitz zurück, die auslaufenden Konzessionen der privaten Partner Suez
und Veolia wurden nicht erneuert. Für die Konzerne, die seit 1985 für
die Wasserversorgung rechts und links der Seine verantwortlich waren,
stand zunehmend nur noch ihr Gewinn-Interesse im Vordergrund. Die
satten jährlichen Renditen führten zu massiv steigenden Wasserpreisen.
Eine öffentliche Kontrolle der Unternehmen war dabei weitgehend
unmöglich. Wir waren der Überzeugung, das in städtischer Regie besser
zu können und wollten die privat geführten Pariser Wasser-Unternehmen
in ein neues öffentliches Unternehmen überführen.
Mit »Eau de Paris«
wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet, die Stadt Paris
nahm den Betrieb wieder in eigene Regie zurück und gab damit das
klassische französische Modell der Vergabe von Konzessionen an
Privatunternehmen auf. Das erforderte viel Arbeit im juristischen
Bereich - die konkrete Umsetzung und institutionelle Ausgestaltung
mußte erst gefunden werden - und einen intensiven Dialog mit den
Beschäftigten und den Gewerkschaften über die Form des neuenöffentlichen Betriebes. Die Rekommunaliserung war eine Sache des
politischen Willens. Vor der Wahl versprachen wir den Bürgerinnen, dass
wir die Trinkwasserversorgung in kommunale Hände zurückführen würden.
Das lösten wir ein.
Wie reagierten die Mitarbeiter auf diesen Kurswechsel?
Anne Le Strat:
Wir hatte keine Probleme mit den Arbeitnehmern, die die
Arbeit vor Ort erledigen, sondern eher mit dem gehobenen Management
und den Gewerkschaften. Heute rekutieren wir sogar Leute aus anderen
Unternehmen, weil die Arbeitsbedingungen bei uns sehr gut sind. Das Bild
hat sich also gewandelt. Würde heute jemand die Wasserbetriebe
privatisieren wollen, gäbe es große Proteste.
Wie wurde bei den rekommunalisierten Pariser Wasserbetrieben Transparenz
und Kontrolle umgesetzt?
Anne Le Strat:
Für die Zukunft erschien es uns sinnvoll, möglichst
viele gesellschaftliche Gruppen aktiv einzubeziehen – also Transparenz,
Mitsprache und Kontrolle zu ermöglichen. Wir haben deshalb einöffentliches und partizipatives Kontrollgremium, das »Observatoire
parisien de l’eau« geschaffen. In ihm sind Organisationen des
Verbraucher- und Umweltschutzes sowie unabhängige Wissenschaftler
versammelt. An diesem Gremium können sich alle Bürger beteiligen, es
gibt keine gewählten Mitglieder, sondern es handelt sich um eine allen
offen stehende Einrichtung. Das "Observatoire" mit seiner
basisdemokratischen Struktur ist staatlicherseits eingerichtet worden
und kein Gremium von "Eau de Paris", sondern der Stadt Paris. Es
verfügt über eine beratende Funktion. In diesem Kreis werden wichtige
Wasser-Themen wie etwa die Preisgestaltung besprochen.
Ein anderes
Instrument ist der neue erweiterte Verwaltungsrat unseres öffentlichen
Wasserbetriebes. In ihm sitzen neben Vertretern aller Fraktionen des
Stadtrates Delegierte der Beschäftigten sowie Vertreter des
Verbraucher- und Umweltschutzes. Die Zukunftsentscheidungen des
Wasserbetriebes können so demokratisch mitgestaltet werden.
Was hat die Rekommunalisierung des Wassers der Stadt Paris gebracht?
Anne Le Strat:
Wir konnten eine achtprozentige Preissenkung für
Trinkwasser realisieren, es ist wieder möglich, langfristig zu planen,
die Gewinne verbleiben im Betrieb und können in die Infrastruktur der
Wasserversorgung fließen, statt in die Hände der Aktionäre.
Die
Rekommunalisierung hat auch positive Effekte auf die Sozialpolitik,
weil es wieder möglich ist, günstigere Tarife für sozial schwache
Menschen anzubieten. Rekommunalisieren ist also auch sozialer.
Wir
haben wieder mehr Kontrolle über das Budget und können Investitionen
längerfristig planen. Die privaten Unternehmen hatten Reparaturarbeiten
an ihre eigenen Firmen weitergegeben, die wiederum alles viel teurer
fakturierten, jetzt werden solche Arbeiten ausgeschrieben. In Paris hat
man gesehen, wozu die Liberalisierung führt: Zwei international
agierenden Konzerne hatten sich den Markt aufgeteilt und die Arbeiten
untereinander verteilt, anstatt sie auszuschreiben. Das hat auf Dauer
alles teurer und schlechter gemacht und ging zu Lasten der Kunden.
Wie war der Zustand der Wasserbetriebe, als Sie diese übernommen haben?
Anne Le Strat:
Wir konnten feststellen, dass nicht genug investiert
worden ist, obwohl die Wasserkunden das Geld für die Investitionen
bezahlt hatten. Dieses Geld wurde zuvor zweckentfremdet. Das haben wir
geändert. Heute fließt das gesamte Geld der Pariser Wasserkunden in den
Betrieb.
Das ist also ein wesentlicher Unterschied zu Berlin?
Anne Le Strat:
Ja, denn auf der heutigen Tagung habe ich erfahren, daß
in Berlin ein Teil des Geldes der Wasserkunden für die Rückzahlung der
Kredite verwandt wird, die aufgenommen wurden, um die vor 14 Jahren
privatisierten Veolia- und RWE-Anteile zurückzukaufen. Außerdem liefern
die Berliner Wasserbetriebe Geld an den Landeshaushalt ab. Das ist bei
uns nicht der Fall. Wir haben einen geschlossenen Kreislauf. Das Geld
der Wasserkunden wird nur für das Wasser ausgegeben.
Welche politischen Auswirkungen hat die jetzt in Frankreich verkündete
Austeritätspolitik auf das Wassergeschäft?
Anne Le Strat:
Im Prinzip keine, weil alles Geld des Unternehmens von
den Wasserkunden kommt und im geschlossenen Kreis im Betrieb verwendet
wird, da greift die "Sparpolitik" nicht. Die Infrastruktur wird
verbessert, die Mitarbeiter sind sehr motiviert. Die Bevölkerung
schätzt den Service und findet den Wasserpreis angemessen. Das ist für
uns ein großer Erfolg.
Als wir die Reform in Paris angegangen sind, hat
das in Frankreich geradezu eine Revolution ausgelöst. Viele
Gebietskörperschaften wollten dem Pariser Beispiel folgen, was aber
eine langwierige Sache ist, weil die Konzerne Veolia und Suez auch
politisch ziemlich einflussreich geworden sind und andere öffentliche
Dienste bestellen. Doch eine breite Diskussion zu einer geeigneten
Bewirtschaftung von öffentlichen Betrieben ist eröffnet worden und das
ist ein guter Anfang.