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5. November 2014

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 17.10.2014

 

Die Biokökonomie und die
Begrenztheit der Wasserressourcen

 

Es ist eine kühne Vision: Statt auf Erdöl, Erdgas und Kohle, soll die Wirtschaft künftig auf Biomasse basieren. Nicht nur die fossilen Energieträger sollen durch Energiepflanzen ersetzt werden, auch chemische Grundchemikalien und Kunststoffe sollen mehr und mehr aus Biomasse (insbesondere Pflanzen und Algen) gewonnen werden. Der Umbau von einem fossilbasierten zu einem Biomasse-basierten Wirtschaftssystem läuft unter dem Titel „Bioökonomie“. Die Bundesregierung und die Europäische Union investieren derzeit Milliarden Euro in die Bioökonomie-Forschung.

Möglicherweise wird die Bioökonomie aber schon an der Begrenztheit der Wasserressourcen scheitern. Denn im Schnitt benötigen der Anbau und die Weiterverarbeitung von Biomasse 70mal mehr Wasser als die Gewinnung von Erdöl, Erdgas oder Steinkohle (s. RUNDBR. 906/2-3, siehe Kasten).

Am 3. Nov. 2014 wird auf einem Umweltverbändeseminar in Berlin die Frage diskutiert werden, ob man drauf und dran ist, mit der Bioökonomie den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben: In Deutschland hat sich gezeigt, dass der Anbau von Energiepflanzen und die Biogasgewinnung regional zu einem Wiederanstieg der Grundwasserbelastung mit Nitrat geführt haben. Und eine Bioökonomie in Europa wird nur möglich sein, wenn in gigantischem Umfang Biomasse aus Übersee bezogen wird. In den Überseeländern wird der Export von Biomasse für energetische und stoffliche Nutzungen den Wasserstress noch weiter in die Höhe treiben. International anwendbare Normen zur Sicherung der Nachhaltigkeit von Biomasseanbau und Weiterverarbeitung sollen u.a. auch Water-Grabbing, Wassermangel und Wasserverschmutzung verhindern. Aber können Normen tatsächlich einen intakten Wasserhaushalt gewährleisten, wenn für eine „grüne“ Bioökonomie der Biomasseanbau exponentiell zunehmen wird?

Am Folgetag, 4. Nov. 2014, wird ebenfalls in Berlin ein Kongress der Bundesregierung zum Thema Nachhaltigkeit der Bioökonomie stattfinden – siehe
http://www.biooekonomie2014.de/

("... die Bioökonomie nimmt einen herausragen­den Platz in einer zukunftsorientierten Nachhaltigkeitspolitik ein ...")

Weil wir seitens der Umweltverbände die Bioökonomie-Begeisterung von Bundesregierung, EU-Kommission, Industrie und Bauern­verbänden nicht so ohne Weiteres teilen können, wollen wir im Vorfeld der Regierungsveranstaltung die Verheißungen der Bioökonomie an der Begrenztheit der Wasserressourcen messen. Motto: Was bleibt von der Bioökonomie übrig, wenn das Wasser zur Neige geht? Die Veranstaltungsankündigung, das Programm sowie den Weg zur Anmeldung sind zu finden unter
http://www.grueneliga.de/newsreader/items/
ankuendigung-zum-gewaesserschutzseminar.
html?month=201410

 

 

Auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft

Einen Gezeitenwechsel beschworen die ModeratorInnen des Bioökonomie-Kongresses der Bundesregierung am 6. Mai 2014 in Berlin: Weg von Kohle, Erdöl und Erdgas und hin zur energetisch und stofflich genutzten Biomasse. Der Kongress war völlig überfüllt und gleich zwei Bundesminister entrichteten Ihre Grußworte – ein Hinweis, wie wichtig die Bundesregierung die Bioökonomie nimmt. RUNDBR.-AbonnentInnen, die mehr über den (aufgebauschten?) Bioökonomie-Hype wissen wollen, können kostenlos unseren ausführlichen Kongressbericht via nik@akwasser.de anfordern.

 

Wie klimaverträglich ist
Biosprit“ aus Algen?

 

Die Kritik an energetisch genutzter Biomasse wird immer lauter, da wertvolle landwirtschaftliche Flächen nicht mehr nur für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden, sondern vermehrt zur Erzeugung von Biokraftstoffen. Eine Lösung dieses Tank-Teller-Problems könnten Algen sein!

Zur Energiegewinnung werden Mikroalgen verwendet. Mikroal­gen sind ca. 5 Mikrometer große, ein- bis mehrzellige Organismen, welche Energie in Form von Sonnenlicht sowie CO2 und Nähr­stoffe für ihr Wachstum aufnehmen. Im Vergleich zu landwirtschaftlichen Energiepflanzen haben Algen viele Vorteile:

Sie haben eine 7- bis 10-mal höhere Wachstumsrate als Landpflanzen und können ganzjährig geerntet werden. Algen stehen nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, da sie keine landwirtschaftlichen Flächen beanspruchen. Sie können in Salz- oder Brackwasser leben oder sogar in Industrieabwässern. Algen enthalten fettartige Lipide, die extrahiert und zu Kraftstoff weiterverarbeitet werden können. Aus dem ausgepressten Öl wird Biodiesel gewonnen. Algen enthalten durchschnittlich 33% extrahierbares Öl pro Algenmasse. Algen können bezogen auf die Anbaufläche wesentlich mehr Leistung binden als Landpflanzen. Sie können bis zu 5% des Sonnenlichts in chemische Energie umwandeln, Raps und Mais dagegen nur etwa 1%. Der flächenbezogene Energiegehalt von Algen (3,3W/m²) ist mit Windkraft (2,6W/m²) vergleichbar. Mit der Leistung von Photovoltaik (ca. 140W/m²) können Algen allerdings nicht mithalten.

-sb-

Kerosin aus Algen - gigantischer
Flächenbedarf und extrem teuer

 

Besonders die Luftfahrt ist auch in Zukunft auf Energieträger mit hoher Energiedichte angewiesen. Dazu könnten Treibstoffe auf Algenbasis dienen. Aus Algen kann ein sehr hochwertiger Kraftstoff gewonnen werden, welcher als Biokerosin eingesetzt werden kann. Der Energiegehalt von Biokerosin ist sogar höher als von konventionellem Treibstoff. Momentan wird nach einer besonders leistungsstarken Alge, d.h. mit hohem Lipidanteil und schnellem Wachstum, geforscht. Große Herausforderungen sind jedoch noch der hohe Energieaufwand im Produktionsprozess und der große Flächenbedarf. Allein für einen Transatlantikflug einer Boeing 747 von Frankfurt nach New York wäre die Jahresernte einer Fläche von 12,5 ha notwendig!

Ein weiteres Problem, das es noch zu lösen gilt, ist die Massenkultivierung, denn wenn die Algen wachsen nehmen sie sich mit der Zeit selbst das Sonnenlicht. Um die Energiebilanz zu verbessern sollte man die entölte Algenmasse weiter verwenden, z.B. als Tierfutter, Düngemittel oder zur weiteren Nutzung in einer Biogasanlage. Die nicht für die Photosynthese genutzte Sonnenwärme kann aus den Bioreaktoren entnommen und für andere Zwecke verwendet werden. Bisher ist Algensprit noch fünf-bis zehnmal so teuer wie konventionelle Kraftstoffe. Erst wenn es gelingt den Algentreibstoffpreis zu senken und der Ölpreis weiter steigt, kann Biosprit aus Algen konkurrenzfähig werden. Forscher rechnen damit, dass man in 20-30 Jahren Algen als kommerziell genutzten Rohstoff verwenden kann. RUNDBR.-LeserInnen können via nik@akwasser.de kostenlos unseren Übersichtsaufsatz zur Produktion von Agro-Treibstoffen aus Algen anfordern.

-sb-


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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