aktualisiert:
12. August 2014
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
24.7.2014
Verbotenes Totalherbizid in
25 Prozent aller Lebensmittelproben!
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Seit einigen Monaten kursieren vermehrt Berichte über hohe Gehalte von Chlorat in pflanzlichen
Lebensmitteln aller Art – insbesondere in Obst und
Gemüse, aber beispielsweise auch in Kräutern und
Gewürzen. Chlorat ist ein oxidativ wirkendes Totalherbizid, das früher beispielsweise als „Unkraut-Ex“
auch auf dem deutschen Markt zugelassen war. Weil Chlorat sowohl akut als auch chronisch eine
toxische Wirkung aufweist, ist die Anwendung von
Chlorat als Herbizid und als Biozid in der EU seit
2010 generell verboten.
Warum sich Chlorat weiterhin in vielen Lebensmitteln – auch in Biogemüse -
nachweisen lässt, könnte lt. „Chemisches und
Veterinäruntersuchungsamt“ (CVUA) in Stuttgart
verschiedene Ursachen haben:
-
„Rückstände aus der Verwendung von
gechlortem Waschwasser, der Anwendung
von Chlordioxid zur Desinfektion von
Waschwasser oder eine illegale direkte
Chlorierung von Lebensmitteln mittels Verfahren, bei denen Chlor "in situ" entsteht, z.B. der Chlorelektrolyse.
-
Umweltbedingt, z.B. über atmosphärische
Ablagerungen, über kontaminiertes Beregnungs-
oder
Bewässerungswasser
etc.
- Verbotene Anwendung von Chloraten als
Herbizid.
-
Aufnahme von Chloraten durch die Pflanze aus Böden, die damit belastet sind,
entweder umweltbedingt oder aus früheren
Anwendungen von Chloraten als Herbizide
oder durch verunreinigte Dünger.“
Das Stuttgarter CVUA hat nach den ersten Chlorat-Befunden in Lebensmitteln systematisch pflanzliche
Lebensmittel aller Art analysiert – und musste feststellen, dass in 25 Prozent der über 1.000 untersuchten Lebensmittel
der
Wirkstoff
in
einer
Konzentration von über 0,01 mg/kg nachweisbar war. 0,01
Milligramm Chlorat pro Kilogramm Lebensmittel
gelten in der EU als Standardgrenzwert. Zum Vergleich:
Für
Trinkwasser
gilt
im
Allgemeinen
ein 100fach strengerer Vorsorgegrenzwert von 0,0001
mg/l. Für Chlorat hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) allerdings einen vorläufigen Richtwert
von 0,7 mg/l festgesetzt.
„Dies bedeutet, dass laut WHO täglich 2 Liter
Wasser mit einem Chlorat-Gehalt von 0,7 mg/L
ohne negative gesundheitliche Folgen von
Menschen getrunken werden können“,
schreibt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR)
in einer Stellungnahme am 11.03.14. Auch BioLebensmittel waren ebenfalls zu etwa 25 Prozent
mit Chlorat kontaminiert. Der Median der Chloratbefunde lag sowohl bei konventionellen als auch bei
Bio-Lebensmitteln bei etwas mehr als 0,02 mg/kg.
Warum Konzentrationen über dem 0,01 mg/kg
Standardgrenzwert „unerwünscht“ sind, begründet
das CVUA damit, dass Chlorat die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigt und die roten Blutkörperchen
(Erythrozyten) schädigt (siehe Kasten).
Deshalb dürfen Lebensmittel, deren Chlorat-Gehalt
gesichert über dem 0,01 mg/kg-Standardgrenzwert
liegen, nach dem deutschen Lebensmittelgesetz
(LFGB) erst gar nicht in den Verkehr gebracht
werden. In einzelnen Fällen waren die gefunden
Chloratkonzentrationen nicht nur in chronischer Hinsicht
bedenklich:
„Bei drei Proben (0,3 %) lagen die errechneten
Aufnahmemengen von Chlorat durch die
jeweiligen Proben bei über 100 % der vom BfR
[Bundesamt für Risikobewertung; Anm. BBU]
empfohlenen akuten Referenzdosis (0,01 mg/kg
Körpergewicht). Hier könnten unerwünschte
gesundheitliche Effekte nicht ausgeschlossen
werden. Bei zwei weiteren Proben wurde die
akzeptierbare tägliche Aufnahmemenge nur
knapp unterschritten.“
Warum Chlorate gesundheitlich bedenklich sind
Chlorate sind Salze der Chlorsäure (HClO). Sie
sind starke Oxidationsmittel und werden z.B. zum
Bleichen von Papier, zum Gerben von Leder, zur
Oberflächenbearbeitung von Metallen und in der
Pyrotechnik verwendet. Aufgrund ihrer
desinfizierenden Wirkung können sie in Kosmetika
und zu Mundhygienezwecken in Mundwasser und
Zahnpasta eingesetzt werden.
Dass das vielleicht
nicht besonders gesund ist, erläutert das CVUA
folgendermaßen:
„Chlorat hemmt reversibel die Aufnahme von Jodid
in die Schilddrüse und kann bei höheren Dosen
insbesondere bei empfindlichen Personengruppen
wie Kindern, Schwangeren oder Personen mit
Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Jodmangel
unerwünschte gesundheitliche Effekte verursachen..Neben Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion
kann Chlorat auch Schädigungen der roten
Blutkörperchen (Methämoglobinbildung, Hämolyse) bewirken.“
Am 26.07.14 hat das Bundesamt für Risikobewertung
(BfR)
seine
Stellungnahme
Nr.
028/2014
vom 12.05.2014
zur gesundheitlichen
Bewertung
von Chloratrückständen
in
Lebensmitteln
auf
seiner
Homepage veröffentlicht. Darin empfiehlt das BfR,
die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
abgeleitete erlaubte Tagesdosis (Acceptable Daily
Intake, ADI) von 0,01 Milligramm (mg) Chlorat pro
Kilogramm (kg) Körpergewicht vorläufig als Basis
sowohl für die chronische als auch für die akute Risikobewertung
von
Chlorat
zu
verwenden.
Obwohl ein
Viertel
aller
bislang
untersuchten
Lebensmittel Chloratbefunde
aufgewiesen
haben,
rät
das
BfR
von einem
Verzicht
auf
Gemüse
und
Obst
ab.
Denn
der gesundheitliche
Nutzen
von
Obst
und
Gemüse bleibe
trotz
der
Chloratbefunde„unumstritten“.
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Statt US-Chlorhühnchen zur
Abwechslung US-Chlorat-Karotten
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Seit der Debatte um das transatlantische Freihhandels-&
Investitionschutzabkommen
TTIP
(s.
RUNDBR.
1029/2-3,
1026/1-2)
sind
die
US-Chlorhühnchen zu einem Synonym für drohende Standardabsenkungen beim Verbraucherschutz geworden. Durch
die zuvor genannten Chlorat-Untersuchungen des
CVUA Stuttgart ist deutlich geworden, dass die
Haltbarmachung von Lebensmitteln mit Chlorwasser
in der US-Lebenmittelindustrie eine breit angewandte Desinfektionsmethode ist. Bei der Untersuchung
von
importierten
Karotten
aus
den
USA
hat das CVUA nämlich besonders hohe Chlorat-Konzentrationen festgestellt. Das CVUA führt dies auf
das in den USA angewandte „Hydrocooling-Verfahren“
zurück:
"‘Hydrocooling‘ ist ein Nachernteverfahren, mit
dem frischgeerntetes und evtl. zubereitetes
Gemüse/Obst mittels Eiswasser schnell auf
Temperaturen unter 10 °C heruntergekühlt wird,
um die Haltbarkeit zur verlängern und Feuchtigkeitsverluste zu minimieren. Um die Belastung
des Lebensmittels mit Mikroorganismen während
und nach der Behandlung zu reduzieren, wird
das Kühlwasser u.U. je nach Verfahren,
Anwender oder Kühlgut auch mit Chlor bzw.
Natrium- oder Calciumhypochlorit versetzt, wodurch pathogene Keime und Verderbniserreger
abgetötet werden.“
Die US-Lebensmittelhersteller würden zwar die
Chlorkonzentration im Abkühlwasser überwachen,
aber nicht die Chlorat-Konzentration. Das ist
einigermaßen fahrlässig, weil bekannt ist, dass bei
der Behandlung von Wasser mit Chlor und bei
Verwendung von Chlorbleichlauge (Natrium- bzw.
Calciumhypochlorit-Lösung) Chlorat als Nebenprodukt entstehen kann. Dazu führt das CVUA weiter
aus:
„Die Bildung von Chlorat als Nebenprodukt ist
abhängig vor allem vom pH-Wert, von der Wassertemperatur, der Anwendungsdauer und auch
von der organischen Belastung des Wassers. Da
bei hoher organischer Belastung der Chlorbedarf
erhöht ist, steigt auch der Gehalt an Chlorat an.
Wird während der Behandlung der Lebensmittel
im Hydrocooler nur die Chlorkonzentration überwacht, so kann sich vom Anwender unbemerkt,
insbesondere bei kontinuierlicher Nachchlorierung des Wassers, die Chlorat-Konzentration
stark erhöhen und so zu erhöhten Chlorat-Rückständen
im
Lebensmittel
führen.“
Das Hydrocooling-Verfahren ist vermutlich nur eine
der Ursachen für die Chlorat-Belastung von Gemüsen und anderen pflanzlichen Lebensmitteln. Es
muss noch andere Ursachen geben, denn mit dem
Hydrocooling-Verfahren ist nicht erklärbar, dass sich
auch in vielen einheimischen Bio-Lebensmitteln vergleichsweise hohe Chlorat-Konzentrationen nachweisen lassen. Behörden und Lebensmittelindustrie
stochern offenbar bei der Suche nach den Ursachen
der Chloratbelastung von pflanzlichen Lebensmitteln
immer noch im Nebel. Auf der Homepage des
Bundes für Lebensmittelkunde und –recht e.V. (BLL)
versichert man zunächst, dass die deutsche
Lebensmittelwirtschaft „sich ihrer hohen Verantwortung für die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln
bewusst“
sei,
um
dann
fortzufahren:
„Da die Ursachen für Chlorat-Gehalte in pflanzlichen Lebensmitteln bislang auf Annahmen beruhen
und
bestimmte
Funde
noch
nicht
schlüssig erklärt werden konnten, hat die deutsche Lebensmittelwirtschaft begonnen, mögliche Eintragsquellen für Chlorat in Lebensmittel zu überprüfen und den Übergang von Chlorat aus
Wasser auf Lebensmittel zu untersuchen. Sie
steht dazu mit den zuständigen Behörden in Deutschland in engem Austausch.“
Die BLL-Meldung stammt vom März 2014. Bis auf
das US-amerikanische Hydrocooling-Verfahren hat
man offenbar noch keine weitere heiße Spur gefunden.
Chloratträchtige Homepages
Die obenstehenden „Chlorat-Infos“ beruhen auf den
Angaben, die man auf den Homepages der CVUA,
der Stiftung Warentest, des BBL und des BfR
nachlesen kann:
www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=5&ID=1852
http://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=5&ID=1851
http://www.test.de/Rueckruf-Tiefkuehl-Brokkolivon-Rewe-Penny-und-Real-Erhoehte-ChloratRueckstaende-4701717-0/
http://www.bll.de/de/lebensmittel/sicherheit/unerwuenschte-stoffe/chlorat
www.bfr.bund.de/cm/343/empfehlung-des-bfrzur-gesundheitlichen-bewertung-von-perchloratrueckstaenden-in-lebensmitteln.pdf
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