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19. Juli 2014

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 1.7.2014

 

Neues Wassergesetz in Ecuador
verbietet „Wasserprivatisierungen“

 

Am 24. Juni 2014 hat das Parlament von Ecuador mit großer Mehrheit ein neues Wassergesetz verabschiedet. Obwohl das Gesetz „Wasserprivatisierungen“ verbietet, war das Gesetz gerade bei den Gegnern einer Privatisierung von Wasserdienstleistungen bis zum Schluss heftig umstritten: Den Vereinigungen der Indigenen geht das Gesetz nicht weit genug. Insbesondere die zu geringen Partizipationsmöglichkeiten werden kritisiert.

Wie amerika21.de am 26.06.14 meldete, verbiete das neue Gesetz wegen der Bedeutung des Wassers für das Leben, die Wirtschaft und die Umwelt alle Formen der Privatisierung von Wasser- und Abwasserdienstleistungen. Ebenso wenig könne Wasser Gegenstand einer kommerziellen Vereinbarung der nationalen Regierung mit einer anderen Regierung, eines multilateralen Abkommens oder eines privaten internationalen oder nationalen Unternehmens sein. Wasser werde ausschließlich als ein öffentliches Gut eingestuft. Die 163 Paragrafen umfassende Gesetzesnovelle regele zudem, dass die Zuständigkeiten für alle Fragen des Wassers beim Staat liegen. Damit sollen der sichere und gleichberechtigte Zugang sowie der Schutz des Wassers garantiert werden. Wasser werde damit als Teil der Nahrungsmittelsouveränität, des Schutzes der Ökologie und der Produktion bestimmt.

 

Verfassungsgrundsatz:
Das Wassers Ecuadors gehört dem Volk

Die Wasserrechtsreform war eine Folge der neuen Verfassung Ecuadors, die nach dem im Jahr 2007 erfolgten Amtsantritt des als „links“ geltenden RAFAEL CORREA als Präsident verabschiedet worden war.

Bereits die neue ecuadorianische Verfassung, die im September 2008 vom Volk in einem Referendum angenommen worden war, sieht in Art. 318 Wasser als ein fundamentales Menschenrecht an. Zum ersten Mal wird in dieser Verfassung auch der kulturellen Verbundenheit der indigenen Ureinwohner zu Wasser Respekt gezollt. Dem zugrunde liegt
auch die Forderung innerhalb der Verfassung, dass Wasser nicht privatisiert werden darf. Der Staat soll die exklusive Entscheidung und Kontrolle über Wasser haben. Das jetzt beschlossene neue Wassergesetz ersetzt das bis dahin geltende Gesetz von 1972.

Das alte Wassergesetz war allgemein als obsolet angesehen worden. Viele Schutzbestimmungen des Gesetzes waren nie umgesetzt worden.


Ecuador: Bestandsschutz für
„Wasserprivatisierungen“?
 

Die Debatte um das neue Wassergesetz war zusätzlich aufgeheizt worden, weil Guayaquils Bürgermeister JAIME NEBOT die Privatisierung der Wasserversorgung in der größten Stadt Ecuadors im neuen Wassergesetz festgeschrieben wissen wollte.

Trotz des klaren Verbots in der Verfassung sollte damit der Privatisierung in Guayqquil Bestandsschutz verliehen werden. In Guayaquil war die lokale Wasserversorgung bereits im Jahr 2001 an die Firma INTERAGUA übergeben worden; bis 2008 hatte der US-Multi BECHTEL die Aktienmehrheit an INERAGUA gehalten. (BECHTEL war schon zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt, weil der US-Konzern die Wasserversorgung der bolivanischen Metropole Cochabamba übernommen und dort den Wasserpreis drastisch erhöht hatte – das führte im Jahr 2000 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen und letztlich zu einer Rücknahme der Wasserprivatisierung – siehe RUNDBR. 569/1, 983/2-3.) Entgegen den BECHTELVersprechungen hatte die Privatisierung lt. den LATAINAMERIKA-NACHRICHTEN in Guayqquil „jedoch kaum zu einer verbesserten Wasserversorgung in der Küstenmetropole“ geführt – „stattdessen aber zu einem dauerhaften Konflikt mit zivilgesellschaftlichen Gruppen“.

Gegen illegale Wasseraneignung
und Wasserverschmutzung
 

Der Botschafter Ecuadors in Deutschland, JORGE JURADO, hat gegenüber amerika21.de erklärt, dass er davon ausgehe, „dass bisher etwa 60 Prozent des Wassers illegal angeeignet“ werde. Deshalb würden jetzt die Paragrafen 129 und 130 die Verfahren für unrechtmäßig angeeignetes Wasser regeln. JURADO war bis zu seiner Ernennung als Botschafter in Berlin an der Erarbeitung des Wassergesetzes beteiligt. Mit dem neuen Wassergesetz soll auch konsequenter gegen die Wasserverschmutzung vorgegangen werden. In Ecuador sind insbesondere die Böden und das Grundwasser durch die in der Landwirtschaft verwendeten Pestizide und durch die Förderung von Mineralien, Erdöl und anderen Rohstoffen belastet. Bei Verstoß gegen die Auflagen zur Reinhaltung des (Grund)Wassers sind im neuen Wassergesetz Strafen bis hin zum Lizenzentzug für die Produktion vorgesehen.

Wasserrecht in Ecuador:
Kostenlose Grundversorgung mit Wasser
 

Für die Festlegung der Tarife für die Wassernutzung gebe das Gesetz einen Rahmen vor. Für die Bevölkerung soll es eine kostenlose Grundversorgung mit sauberem und sicherem Wasser geben.

„Darüber hinaus sind die Tarife vom Volumen, der Effizienz der Nutzung, dem Beitrag zur Erhaltung der Wasserversorgung und der Arbeitsplatzbeschaffung abhängig“,

berichtete amerika21.de weiter. Den indigenen, afroecuadorianischen und anderen ethnischen Gruppen würden besondere Rechte zugestanden. Ein plurinationaler Rat für die Planung und Verwaltung des Wassers sei gesetzlich verankert. Auch sichere das Regelwerk den Schutz und die wasserwirtschaftliche Weiterbildung der Verbraucher.

Die Berichterstattung von amerika21.de über die Verabschiedung des neuen ecuadorischen Wassergesetzes kann nachgelesen werden unter:

https://amerika21.de/2014/06/102783/wassergesetz-ecuador

Ecuador: Breite Debatte
über das neue Wassergesetz
 

Der Entwurf für das Wassergesetz lag schon seit vier Jahren vor. Zunächst hatte die regierende Alianza Pais jedoch keine Mehrheit im Parlament. Wegen dem breiten Protest gegen den Gesetzesentwurf war 2010 die Verschiebung des Wassergesetzes im Parlament aufgeschoben worden. Zugleich wurde eine breite Konsultation über den Gesetzesentwurf eingeleitet. Im Vorfeld fanden in allen Provinzen Diskussionen über das Gesetz statt. Insgesamt waren rund 1.600 soziale Organisationen beteiligt. Zudem hatte Regierungschef RAFAEL CORREA das SENAGUA (Secretaría Nacional del Agua) ins Leben gerufen. Eine öffentliche Institution, in der mehr als 300 Organisationen - bestehend aus Gemeinden, Hochschulen, Umweltverbänden, lokalen Regierungen, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen - zum „Wasser-Dialog“ aufgerufen waren.

Die Debatten waren von Demonstrationen einiger politischer Gruppen begleitet worden, die der Regierung auch heute noch vorwerfen, das Wasser letztlich doch der Privatisierung preiszugeben. Außerdem kritisieren sie die Zuständigkeit des Staates für die Verwaltung des Wassers.

Ecuador: Repressionskurs gegen
indigene Wasserrechtsaktivisten
 

Wie AMNESTY INTERNATIONAL (AI) in seinem Jahresbericht 2012 berichtete, sei die Regierung auch während der Konsultationsphase zum neuen Wassergesetz massiv gegen die Sprecher der indigenen Gemeinschaften vorgegangen. Den IndigenenSprechern sei im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Wassergesetzgebung „u.a. Mord, Sabotage und Terrorismus vorgeworfen“ worden. Bei diesen Protesten waren im Jahr 2009 eine Person getötet und 40 weitere, darunter Polizisten, verletzt worden. Die Indigenensprecher seien zwar nach sieben Tagen freigelassen worden, doch waren die Klagen gegen sie trotz fehlender Beweise zum Jahresende 2011 noch anhängig gewesen. In einer weiteren Provinz sei ebenfalls Klage gegen IndigenenSprecher wegen des Baus von Straßensperren bei den Protesten gegen die Wassergesetzgebung erhoben worden. Im AI-Report heißt es zu den Repressionsmaßnahmen weiter:

„Der Präsident des Indigenen- und Kleinbauernverbands Imbabura, Marco Guatemal, und zwei weitere Angehörige einer indigenen Gemeinschaft wurden wegen Terrorismus und Sabotage angeklagt, nachdem sie sich ebenfalls an einer Protestkundgebung gegen die Wassergesetze beteiligt hatten. Die Anklage wurde später aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Im Oktober wurde Marco Guatemal wegen neuer Beschuldigungen festgenommen. Man warf ihm die Errichtung von Straßensperren vor, doch wurde die Anklage im November fallengelassen.“

Über die Protestaktionen gegen den als unzureichend angesehene Entwurf zum neuen Wassergesetz hatte 2010 auch die NZZ berichtet:

„Mehrere tausend mit Stöcken bewaffnete Indianer haben am Dienstag den Kongress in Quito umzingelt. Der Protest wurde von der mächtigen Dachorganisation Confederación de Nacionalidades Indígenas de Ecuador (CONAIE) und weiteren Gruppen organisiert. Diese verlangen mit ihrer Kampfmassnahme Änderungen an einem Wassergesetz, das an diesem Tag definitiv hätte verabschiedet werden sollen. Nachdem die Debatte auf Donnerstag verschoben worden war, ohne dass die Forderungen der Protestierenden berücksichtigt worden waren, hinderten diese die Parlamentarier und das Personal am Verlassen des Gebäudes. Dabei kam es zu spektakulären Fluchtversuchen. In der Nacht wurden die Indianer schliesslich von den Sicherheitskräften mit Tränengas vertrieben.“

Zu den Hintergründen der Proteste hatte die NZZ berichtet, dass bei der Verteilung der Wasserressourcen „die Interessen der Minenunternehmen und der Elektrizitätswirtschaft mit denjenigen der indianischen Gemeinschaften kollidieren“ würden. Die Indigenen würden befürchten, „dass sie in ihren Gebieten die Kontrolle über den Zugang zum Wasser verlieren“ könnten. Nach Ansicht der CONAIE versuche CORREA die Wasserressourcen zu privatisieren. Er hat dies als Lüge bezeichnet, mit der die Conaie ihre Mitglieder aufstacheln würde. Schon 2010 war die geplante Errichtung einer zentralen, für die Wasserverteilung zuständigen Behörde in Quito „besonders umstritten“. An Stelle der Staatsbehörde verlangten die Indigenen-Vertreter ein Kollegium aus Vertretern der unterschiedlichen Interessen, in dem sie Mitsprache haben und nicht nur konsultiert werden. Die Entscheidungen sollten nach Ansicht der Indigenensprecher dezentral getroffen werden.

Ecuador: Wie viel wasserwirtschaftli-
che Mitbestimmung soll es geben?
 

Bereits ab 2008 hatte ein breiter werdendes zivilgesellschaftliches Bündnis in Ecuador partizipative Entscheidungsstrukturen im Wassersektor gefordert. Sie wollen die in der neuen Verfassung festgeschriebenen Rechte durch konsequente Entprivatisierung und einen plurinationalen Wasserrat gewährleisten. Die diesbezüglichen Regelungen im Entwurf für das neue Wassergesetz waren von den Vereinigungen der Indigenen Völker in Ecuador von Anfang als nicht weitreichend genug bewertet worden.

Die LATAINAMERIKA NACHRICHTEN führten die„Sprengkraft“ der Wasserthematik bereits 2010 darauf zurück, dass das Thema „eine breite Palette grundlegender Aspekte“ vereine:

„So geht es um alternative Entwicklungsmodelle, mehr Verteilungsgerechtigkeit, das Zusammenspiel von Stärkung des Staates und Dezentralisierung, Partizipation insbesondere der indigenen Völker im neuen plurinationalen Ecuador sowie die spannungsreichen Beziehungen zwischen sozialen Bewegungen und „linker“ Regierung.“

Umstritten ist bis heute die geplante Entscheidungsstruktur im mit Ministeriumsrang ausgestatteten Sekretariat für Wasserfragen. Im Hinblick auf das auch für Wasserverteilungskonflikte zuständige Sekretariat sprechen Kritiker von einem „Staatszentrismus“, da die Regierung den Verfassungsgrundsatz der „Partizipation“ nur in Form eines Beirates mit beratender, nicht bindender Funktion akzeptieren wollte.

Demgegenüber hatten drei Indigenenorganisationen gemeinsam mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft einen breiten „plurinationalen Wasserrat“ vorgeschlagen, der die Richtlinien der zukünftigen Wasserpolitik Ecuadors festlegen sollte. Hierüber ließ Präsident CORREA keine ernsthafte Debatte zu, „sondern polemisierte mit unverhohlenem rassistischen Unterton gegen die Indigenenbewegungen“, so die Wertung die LATAINAMERIKA-NACHRICHTEN.

Der Vorwurf des Präsidenten: Die Wortführer der Indigenenorganisationen wollten das Wasser alleine kontrollieren und davon profitieren; das Wasser gehöre aber allen EcuadorianerInnen. Nach Einschätzung der LATAINAMERIKA-NACH-RICHTEN „eine platte
Argumentation“, denn der Regierungschef ignoriere damit doch die früher von CORREA selbst beklagten Auswüchse der Parteienwirtschaft, die Schwächen des parlamentarischen Systems sowie die ökonomische Dominanz von GroßgrundbesitzerInnen und urbanen Eliten.

„Ebensowenig berücksichtigt sie die zahlreichen positiven Erfahrungen mit lokalen Wasserräten, die aus NutzerInnen der Bewässerungssysteme bestehen und bereits regional und national vernetzt sind.“

Mehr Infos zu den Anfängen der bis heute reichenden Auseinandersetzungen über die Partizipationsmöglichkeiten gibt es in den LATEINAMERIKA NACHRICHTEN Ausgabe 432 - Juni 2010, herunterladbar unter

http://www.lateinamerikanachrichten.de/
index.php?/artikel/3845.html

Der Disput um das Ausmaß von Partizipationsmöglichkeiten verfolgte die Wasserrechtsnovelle bis zur Verabschiedung des neuen Wassergesetzes im Juni 2014: Am Tag des Beschlusses im Parlament fand eine große Demonstration zur Unterstützung und eine kleinere in Ablehnung des Gesetzes statt. Die Polizei trennte die beiden Gruppen.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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