„Versehentlich“ in die Kanalisation eingeleitete Abwässer aus dem Klinikum Vitos Kurhessen in Merxhausen hätten fast ein ökologisches Desaster in der Ems ausgelöst. Zumindest nach Meinung der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) ist die Ems – ein Nebenfluss der Lahn – Ende August 2015 nur „knapp einer Umweltkatastrophe“ entgangen. Grund:
„Rund 400.000 Liter Abwasser - versetzt mit Unkrautvernichter, Ammoniaklösung, Desinfektionsmitteln und bislang noch unbekannten Chemikalien - lagert derzeit in einem Becken auf dem Gelände der Bad Emstaler Kläranlage. Wenn nicht die Messanlage des Klärwerks am Mittag des 12. August Alarm geschlagen hätte, weil ein Wert schlagartig in die Höhe schnellte, wäre die Brühe wohl in die Ems gerauscht. Mit fatalen Folgen“,
schrieb die HNA am 5.9.15. Nach dem Alarm wären Klärwärter zu Anlage geeilt. Dort hätten sie festgestellt, dass Abwasser ankam, das „komisch“ gerochen hätte. Zudem wäre das Abwasser wegen seiner „ungewöhnliche Färbung“ aufgefallen. Die Klärwärter hätten daraufhin als erstes die Pumpen zum Klärwerk abgestellt und das Abwasser in ein leeres Klärschlamm-Vererdungsbecken umgeleitet. Bei der Suche nach der Herkunft des Abwassers habe sich schnell herausgestellt, dass es über das Pumpwerk Merxhausen in den Abwassersammler gelangt sei. Die Klärwärter hätten daraufhin auch dieses Pumpwerk stillgelegt und das ankommende Abwasser in die alte Ortskläranlage von Merxhausen eingeleitet. Da an diesem Pumpwerk auch das Klinikum von Merxhausen angeschlossen sei, habe man die Herkunft des Abwassers auf die Klinik zurückführen können.
Die Klinik erklärte hierzu; dass ein Mitarbeiter „versehentlich flüssige Substanzen über den Abwasserkanal entsorgt“ habe. Das in mehreren Becken abgespeicherte Abwasser aus der Klinik darf nach einer Anordnung der Unteren Wasserbehörde nicht sukzessive über die Kläranlage abgearbeitet werden. Das kontaminierte Abwasser muss stattdessen extern über eine Spezialfirma gereinigt werden.
Die HNA zitiert den Bad Emstaler Bürgermeister Ralf Pfeiffer (parteilos), dass eine ordnungsgemäße Entsorgung der Chemikalien über den Landkreis für die Klinik „nahezu zum Nulltarif möglich“ gewesen wäre. So aber würde die Abfuhr der kontaminierten Abwasserchargen, die Entsorgung des Chemikaliengemisches und die Sanierung der Becken „wohl mehrere hunderttausend Euro kosten“. Der Bürgermeister hoffe, dass die Kosten von der Haftpflichtversicherung der Klinik übernommen werden. „Wäre es nicht so, bliebe der Schaden an der Gemeinde und damit letztlich an den Bürgern hängen.“ Die Klinik erklärte zu dem Kontamininationsfall auf ihrer Homepage am 01.09.15 unter konsequenter Verwechslung von Wasser- und Naturschutzbehörde:
„Durch das umsichtige Verhalten von Vitos Kurhessen und der Gemeinde Bad Emstal und sofort eingeleiteten Maßnahmen konnte größerer Schaden verhindert werden. Es ist kein Umweltschaden entstanden und so bestand auch zu keiner Zeit Gefahr für die Bewohner der Gemeinde. Die Gemeinde, Vitos Kurhessen und die Untere Naturschutzbehörde stehen in engem Kontakt. Die eingeleiteten Maßnahmen wurden mit der Naturschutzbehörde abgesprochen und werden von allen Beteiligten weiter verfolgt.“
Die Vitos Kurhessen gemeinnützige GmbH ist nach eigenen Worten „ein anerkanntes und renommiertes Zentrum der Psychiatrie und Psychotherapie für Erwachsene, Kinder und Jugendliche mit ambulanten, teilstationären, stationären und rehabilitativen Angeboten“. Die Gesellschaft ist an neun Standorten in Nordhessen vertreten. Vitos Kurhessen ist eine Gesellschaft der Vitos GmbH. Die Vitos GmbH ist wiederum die strategische Managementholding von zwölf gemeinnützigen Unternehmen. Alleingesellschafter ist der Landeswohlfahrtsverband Hessen. Die Vitos GmbH ist stolz auf ihr Qualitätsmanagementsystem – das im Fall der Entsorgung der Chemikalien über den Abwasserkanal aber wohl nur suboptimal funktioniert hat.