aktualisiert:
13. Mai 2015
|
Nachrichten |
|
|
WasserInBürgerhand!
|
BBU-Wasserrundbrief,
16.3.2015
Kunststoffrohrverband:
„Trinkwassergüte in steht auf dem Spiel!“
|
|
Am 6. März 2015 tauchte im Internet ein kurzer Fachzeitschriftenartikel auf, der sich in Windeseile in der TTIP-kritischen Szene verbreitete. Denn der Artikel bestätigt alle Vorurteile, die man im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Freihandel einerseits und der Bewahrung von Standards für die Gesundheitsvorsorge andererseits haben könnte. Im digitalen Chemie-Fachmagazin PRO-CESS warnte der Kunststoffrohrverband, dass aufgrund des Freihandels innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes die Trinkwassergüte in Deutschland gefährdet sei – siehe:
http://www.process.vogel.de/anlagenbau_rohre_schlaeuche/articles/479363/
Grund der Beunruhigung: Die Leitlinien des Umeltbundesamtes (UBA) für Materialien, die in Kontakt mit Trinkwasser kommen, würden von der EU-Kommission nicht anerkannt. RUNDBR.-LeserInnen, die an Details interessiert sind, finden die UBA-Leitlinien unter:
http://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/trinkwasser/trinkwasser-verteilen/bewertungsgrundlagen-leitlinien
Die Folge einer Nichtanerkennung der UBA-Leitlinien: Minderwertiges Rohrleitungsmaterial könnten ungehindert auf den deutschen Markt drängen.
„Das wäre nicht nur für Verbraucher unerfreulich,sondern auch für die Kunststoffrohrhersteller,durch deren Produkte schon jetzt der Großteildes deutschen Trinkwassers fließt. Sie habensich bereits auf die neuen Richtlinien eingestelltund in höherwertige Materialien und Produkte investiert“,
wird der Kunststoffrohrverband in PRO-CESS zitiert.Wir haben weitere Recherchen angestellt – und folgendes erfahren: Frühere Fassungen der UBA-Leitlinien sind von der EU-Kommission immer anstandslos notifiziert (anerkannt) worden. Bei der jetzt vorliegenden Neufassung ziert sich die Kommission aber – obwohl die Neufassung der UBA-Leitlinien nur geringe Änderungen beinhaltet. Mehrere zuständige Generaldirektionen in der EU-Kommission sollen sich seit Monaten gegenseitig blockieren.
|
Nichtanerkennung der UBA-Leitlinien:
Eine Folge des FRABO-Urteils
|
|
Die unterschiedlichen Einschätzungen der UBA-Leitlinien in Brüssel gehen auf das denkwürdige FRABO-Urteil zurück: Am 14. August 2013 hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf nach Rücksprache mit dem Europäischen Gerichtshof einem italienischen Hersteller von Pressfittings Recht gegeben und die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW) zum Schadenersatz verurteilt. Die italienische Firma FRABO wollte Pressfittings auf den deutschen Markt bringen - ohne über das hierzu notwendige DVGW-Zertifizierungszeichen zu verfügen. Der italienische Pressfitting-Hersteller hatte sich mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit in der EU geweigert, den bei uns üblichen DVGW-Test zu Erlangung des DVGWZertifikats zu absolvieren. (Eine ausführliche Darstellung des FRABO-Urteils kann im RUNDBR. 1023 nachgelesen werden.)
Jetzt bestehen in der Kommission Bedenken, dass sich die Leitlinien des Umweltbundesamtes – ähnlich wie die DVGWAnforderungen – im europäischen Binnenmarkt als Handelshemmnis erweisen könnten. Dies gilt umso mehr, weil die letzte Neufassung der deutschen Trinkwasserverordnung aus dem Jahr 2013 in § 17 (3) direkt Bezug auf die UBA-Leitlinien nimmt. Die UBA-Leitlinien sind somit gleichsam vom Verordnungsgeber »geadelt« worden. An den UBALeitlinien kommt somit niemand vorbei: Bei Neuerrichtung oder Instandhaltung von Wasserverteilungssystemen dürfen nur Materialien verwendet werden, die den UBA-Leitlinien entsprechen. Dazu heißt es in § 17 (3) der Trinkwasserverordnung:
„Das Umweltbundesamt entscheidet, für welche Werkstoff- oder Materialgruppen es Bewertungsgrundlagen festlegt. Hat es Bewertungsgrundlagen für eine Werkstoff- oder Materialgruppe festgelegt, so gelten sie nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrer Veröffentlichung verbindlich. Enthalten die Bewertungsgrundlagen Positivlisten (…), dürfen für die Neuerrichtung oder die Instandhaltung von Anlagen (…) nur solche Ausgangsstoffe, Werkstoffe und Materialien verwendet werden, die auf den Positivlisten geführt sind.“
Vor allem in der Generaldirektion Binnenmarkt scheint man nach dem FRABO-Urteil die Befürchtung zu hegen, dass auch die UBA-Leitlinien ein Handelshemmnis darstellen könnten – Gesundheitsschutz hin oder her. Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die UBA-Leitlinien der nationalen Regelungskompetenz unterliegen – oder ob die Anforderungen an Rohrleitungsmaterialien nur auf EU-Ebene getroffen werden können. Wenn aber künftig die hygienischen, chemischen und sonstigen Anforderungen aus Brüssel kommen sollten, schwant einigen Skeptikern nichts Gutes. Der Kunststoffrohrverband betont deshalb:
„Ziel muss es sein, dass den traditionell hohen deutschen Standards nicht durch eine EU-Harmonisierung verwässern.“
|
Wenn Rohrleitungmaterial
hinter dem Zähler ausblutet
|
|
Auch bei einer Nichtnotifizierung der UBA-Leitlinien durch die EU-Kommissionen könnten die deutschen Wasserversorger weiterhin hohe Anforderungen an die von ihnen verlegten Rohrleitungsmaterialien stellen. Der Verantwortungsbereich der Wasserversorger reicht allerdings nur bis zum Hauswasserzähler. Der Wildwuchs könnte nach dem Zähler anfangen: Wenn die Leitlinien des UBA von der EU-Kommission tatsächlich nicht notifiziert werden sollten, könnte Bauherrn, Bauträgern und wenig sachkundigen Installateuren minderwertige Rohrleitungsmaterialien untergejubelt werden. Vor allem im Warmwasserbereich könnte dann die Gefahr bestehen, dass Kunststoffrohre und sonstige Kunststoffmaterialien (beispielsweise Elastomere) „ausbluten“ – dass also Stoffe ins Lösung gehen, die im Trinkwasser nichts zu suchen haben. Im Umweltbundesamt wundert man sich, dass einerseits eine Riesendiskussion um Spurenstoffe und Mikroverunreinigungen geführt wird, dass gewisse aber andererseits Leute in Brüssel bereit sein könnten, zu tolerieren, dass aus minderwertigen Rohrleitungsmaterialien viel höhere Konzentrationen an möglichen Problemstoffen freigesetzt werden.
|
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
|
|
|
|
Zurück
zur Startseite |
|