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8. August 2016

 

 

 

 

 

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BBU-Wasserrundbrief, 18.7.2016

Chemieindustrie bangt um
hormonell wirkende Fungizide

 

Theatralisch entsetzt hat die deutsche Chemiebranche am 15. Juni 2016 auf eine Vorschlagsliste der EU-Kommission zur Reglementierung von endokrinen Disruptoren reagiert. Bei endokrin wirksamen Disruptoren handelt es sich um Chemikalien, die als „Pseudohormone“ in den Stoffwechsel von Pilzen, Pflanzen, Tieren und Menschen eingreifen. In der Vorschlagsliste der EU-Kommission sind noch keine Schwellenwerte enthalten, ab denen diese Stoffe tatsächlich eine hormonelle Wirkung entfalten. Ähnlich wie bei der Glyphosat-Debatte legt die deutsche Chemieindustrie auf eine Berücksichtigung von Schwellenwerten gesteigerten Wert:

"Die bloße Anwesenheit einer hormonell aktiven Substanz bedeutet nicht automatisch, dass sie beim Menschen oder in der Umwelt eine Schädigung verursacht. In der Regel können für hormonaktive Chemikalien auf Grundlage einer wissenschaftlichen Risikobewertung Grenzwerte für die sichere Verwendung ermittelt werden",

so der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in einer Medienmitteilung am 15.06.16 – und weiter:

"Eine sichere Handhabung von hormonaktiven Stoffen ist möglich."

Nach Meinung des VCI sollte sich die vorgesehene Regulierung endokriner Disruptoren nur auf Stoffe beschränken, die bereits in niedrigen Mengen oder Dosierungen eine schädliche Wirkung beim Menschen oder in der Umwelt auslösen. Bei einer pauschalen Diskriminierung von sämtlichen Chemikalien mit dem Potenzial zur hormonellen Wirkung könnte eine Vielzahl von „Pflanzenschutzmitteln“ vom Markt verschwinden, befürchtet der VCI. Ähnlich sieht das auch die agroindustrielle Lobbyorganisation Industrieverband Agrar e.V. (IVA): Ebenfalls am 15.06.16 kritisierte der IVA, dass sich die EU-Kommission in ihrer Vorschlagsliste für die Reglementierung von endokrinen Disruptoren einfach auf eine allgemein gehaltene Definition der Weltgesundheitsorganisation abgestützt habe. Das berge die Gefahr, dass zahlreiche Pilzbekämpfungsmittel (Fungizide) mit hormoneller Wirkung vom Markt genommen werden müssten. Damit würden den Landwirten keine ausreichende Mittelpalette mehr zur Verfügung stehen, um gefährliche Schadpilze im Getreide zu bekämpfen. [Dazu gehört beispielsweise Mutterkorn, ein Getreidepilz, der früher zu schweren Erkrankungen geführt hat; Anm. BBU.] Auf Grund der völlig undifferenzierten Vorgehensweise der EU-Kommission sieht der IVA die Gefahr, dass „neun der zehn wichtigsten Getreidefungizide vom Markt verschwinden könnten“. Wer mehr über die Ängste und Sorgen der Pestizidhersteller wissen will, kann sich wenden an:

Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
Herrn Martin May
F r a n k f u r t
Tel. 069 2556-1249
E-Mail: may.iva@vci.de
http://www.iva.de

Endokrine Disruptoren:
Pestizidlobby wird zur Hochform auflaufen

 

Damit die Reglementierung von endokrinen Disruptoren möglichst noch weichgespült werden kann, werden die agroindustriellen Lobbyverbände jetzt in den zuständigen Ministerien und in den Parlamenten der EU-Mitgliedsländer Klinkenputzen gehen. Denn die Vorschläge der Kommission müssen als nächstes von den Mitgliedsstaaten geprüft und bewertet werden. Das Europäische Parlament ist ebenfalls in den weiteren Entscheidungsprozess eingebunden, so dass auch in Brüssel und Strasbourg die Interessenvertreter der Pestizidhersteller den zuständigen EU-Abgeordneten die Bude einrennen werden. -ng-

Umweltverbände „geschockt“ über
Kriterien für Endokrine Disruptoren

 

Mit einer genau gegenteiligen Begründung wie die Chemiebranche haben die Umweltverbände die am 15. Juni 2016 von der EU-Kommission vorgelegten Kriterien für hormonell wirksame Chemikalien kritisiert. Die EU-Kommission wolle nur die Substanzen als endokrine Disruptoren einstufen, die nachgewiesene schädliche Auswirkungen auf den Menschen hätten. Dieser evidenzbasierte Bewertungsansatz erfordere nach Meinung der Umweltverbände eine zu hohe Beweislast, bis eine Substanz als schädlich eingestuft werden kann. Folglich würde es weitere Jahre dauern, bis die entsprechenden Substanzen verboten werden können, befürchten die Verbände. Die Definition sei zwar angelehnt an die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), verschärfe aber die Nachweispflicht enorm. Die NGO Client-Earth meint dazu, dass es „annähernd unmöglich sei“, diese Kriterien zu erfüllen.

Zusätzlich hat die Kommission einen Maßnahmenentwurf zur Regulierung von Pestiziden herausgegeben. Aus Umweltsicht schwächt die Kommission auch diesen Regulierungansatz ab, indem die Kommission einen risikobasierten Ansatz hinzuge­fügt hat. Dies bedeutet, dass auch hier Gefahren für den Menschen nachgewiesen werden müssen. Der bisherige gefahrenbasierte Ansatz bezieht auch ein potenzielles Risiko ein. Das Pestizid Aktions-Netz­werk PAN Europe befürchtet nun, dass dadurch kein einziges hormonell wirksames Pestizid in der EU noch verboten wird. Es fordert das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten auf, diese Entscheidung der Kommission aufzuhalten. Weitere Infos unter

http://www.eu-koordina­tion.de/umweltnews/ news/chemie/3779-2016-06-16-09-33-20

[Wer bisher die Befürchtung hatte, dass das Vorsorgeprinzip in den TTIP-Verhandlungen unter die Räder kommen könnte, wird jetzt von der EU-Kommission eines besseren belehrt. Die Kommission bekommt es fertig, mit Hilfe des „evidenzbasierten Ansatzes“ auch ohne TTIP das Vorsorgeprinzip zu unterlaufen.]

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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