aktualisiert:
8. August 2016
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
20.7.2016
TTIP & CETA völlig harmlos für Wasser ?
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Bereits vor der legendären Berliner Großdemonstration gegen TTIP & Co. am 10.10.15 hatte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung am 09.10.15 unter dem Motto „Was TTIP-Gegner verschweigen“ rhetorisch gefragt: „Was wird aus der bisher selbstständigen Daseinsvorsorge der Kommunen?“ – Um dann beruhigend zu antworten:
„Es wird auch keinen Zwang geben, öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zu privatisieren. Im Gegenteil: Dort, wo deutsche Städte die Wasser- oder Abwasserbeseitigung, die Krankenhausversorgung oder die Kindergärten privatisiert haben, können sie das jederzeit rückgängig machen. Öffentliche Auftraggeber dürfen ihre Vergabekriterien auch künftig selbst bestimmen. Soziale und ökologische Gesichtspunkte dürfen weiterhin Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen sein.“
In der Folgezeit hat die Bundesregierung mehrfach beteuert, dass auch der kanadisch-europäische Freihandelsvertrag (CETA) ohne jegliche Relevanz für die hiesigen Wasser- und Abwasserbetriebe sei. Zum einen sei sowieso der gesamte Bereich der öffentlichen Dienstleistungen vom Geltungsbereich des CETA-Vertrages ausgenommen. Zum anderen würde eine spezielle Ausnahmeklausel für den Wassersektor zusätzlich gewährleisten, dass es in diesem Bereich keine Marktöffnung geben werde.
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Wie „wasserfest“ ist der CETA-Vertrag formuliert?
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Der CETA-Vertrag ist hoch komplex formuliert worden. Viele Begriffe aus dem Wirtschaftsenglisch, die in dem über 1.500 Seiten dicken Vertragswerk verwandt werden, sind doppeldeutig. Die Zweideutigkeiten in dem Vertragstext sind deshalb bedenklich, weil sich international operierende Rechtsanwaltkanzleien auf die Auslegung von unklaren Begriffen in binationalen und internationalen Verträgen spezialisiert haben. Man kann davon ausgehen, dass im Auftrag von finanzstarken Großkonzernen gewiefte
Wirtschaftsanwälte die CETA-Begrifflichkeiten so lange hin und her kneten werden, bis sie eine „Marktöffnung“ auch im Bereich der kommunalen Wasser- und Klärwerke erzwingen können.
Ein Musterbeispiel für weit interpretierbare Begrifflichkeiten ist im CETA-Vertrag ausgerechnet der Art. 1.9 (siehe Wortlaut im untenstehenden Kasten), der nach Ansicht der Bundesregierung die Wasserwerke vor dem Zugriff von potenten Großkonzernen hundertprozentig schützen soll. Während die ersten beiden Absätze von Art. 1.9 zusichern, dass durch den CETA-Vertrag niemand gezwungen ist, Wasser als Ware zu behandeln, wird diese Zusicherung im dritten Absatz wieder stark relativiert. Der dritte Absatz sagt nämlich aus, die beiden Vertragsparteien – also die EU und Kanada – nicht gehindert sind, den Wassersektor zu kommerzialisieren. Wenn der Wassersektor kommerzialisiert werden sollte, müsse dies jedoch in völliger Übereinstimmung mit den übrigen Vorgaben des CETA-Vertrags erfolgen.
Der Art. 1.9 schützt also den Wasserbereich keinesfalls vor einer Marktöffnung. Der Art. 1.9 sagt letztlich nur aus, dass bei einer Marktöffnung im Wassersektor die übrigen Bestimmungen des CETA-Vertrages eingehalten werden müssen. Das Grundprinzip des CETA-Vertrages ist das Gebot zur „Nichtdiskriminierung“ – soll heißen, dass bei Investments in- und ausländische Unternehmen gleichgestellt sind. Wenn es also zu einer Marktöffnung und Kommerzialisierung der Trinkwasserversorgung in Kanada und/oder in der EU kommen sollte, dann dürfen sich auch kanadische Unternehmen im europäischen „Wassermarkt“ tummeln bzw. umgekehrt.
Article 1.9:
Rights and Obligations Relating to Water
1. The Parties recognise that water in its natural state, including water in lakes, rivers,reservoirs, aquifers and water basins, is not a good or a product. Therefore, only Chapters Twenty-Two (Trade and Sustainable Development) and Twenty-Four (Trade and Environment) apply to such water.
2. Each Party has the right to protect and preserve its natural water resources. Nothing in this Agreement obliges a Party to permit the commercial use of water for any purpose, including its withdrawal, extraction or diversion for export in bulk.
3. If a Party permits the commercial use of a specific water source, it shall do so in a manner consistent with this Agreement.
(Der Art. 1.9. findet sich auf S. 8 des Vertrages, der unter http://ec.europa.eu/trade/policy/
in-focus/ceta/index_de.htm
heruntergeladen werden kann. In früheren Vertragsfassungen war Art. 1.9 mit „Art. X.08“ bezeichnet worden – siehe RUNDBR. 1046/2),
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Öffnet CETA den Markt
für Wasserhandelssysteme?
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Es kommt aber noch schlimmer: Eine von vielen weiteren Zweideutigkeiten im Vertrag lässt sich am Begriff „concession“ erläutern. Landläufig könnte man annehmen, dass es sich bei einer „concession“ um eine Konzession handelt. Auf den Seiten 39/40 des Vertrages wird erklärt, was im Vertrag alles unter einem „Investment“ verstanden wird. Und dort steht dann zu lesen, dass auch eine „concession“ zu einem Investment zählt. Das könnte man noch nachvollziehen, wenn man davon ausgeht, dass der Kauf einer Versorgungs-Konzession tatsächlich eine Investition darstellt. Allerdings wird in den einschlägigen Wörterbuchen „concession“ auch mit „Erlaubnis“ und „Bewilligung“ übersetzt. Und das sind zwei Begriffe, die im deutschen Wasserhaushaltsgesetz verwandt werden.
Beispielsweise sind Entnahmen von Wasser aus Grundwasservorkommen oder aus Oberflächengewässern nur zulässig, wenn man dazu eine wasserrechtliche Erlaubnis oder eine Bewilligung der Wasserbehörde erhalten hat. Das Wasserhaushaltsgesetz betont in § 4 ausdrücklich, dass Bach-, Fluss- und Grundwasser nicht eigentumsfähig sind (s. RUNDBR. 913/1-3). Wenn nun aber im Sinne von CETA auch eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung den Charakter einer Investition annehmen kann, wird es extrem kritisch: Kreativ argumentierende Wirtschaftsanwälte könnten den Zugang zu Wasserentnahmen erstreiten, wenn ihr Klientel direkt in Wasserentnahmerechte investieren will. Damit würde die Tür zum Handel mit Wasserentnahmerechten aufgestoßen.
Wem das zu abstrus erscheint, sollte zur Kenntnis nehmen, dass in der kanadischen Provinz Alberta der Handel mit Wasserrechten bereits zulässig ist. Ferner ist anzumerken, dass auch die EU-Kommission im Rahmen des „Blueprints“ einen ersten Vorstoß in Richtung der Etablierung von „Wasserhandelssystemen“ gewagt hatte (s. 1007/4). Der Vorstoß wurde zwar nicht weiterverfolgt, zeigt aber, dass es in der EU-Kommission durchaus Kräfte gibt, die der Idee von Wasserhandelssystemen durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen
Bösartiger Masterplan oder pure Naivität?
Wir schließen nicht aus, dass Bundesregierung und EU-Kommission tatsächlich davon ausgehen, dass CETA den Wassersektor nicht tangieren wird. Wir haben allerdings große Zweifel, ob Bundesregierung und EU-Kommission in vollem Umfang überblicken, auf was sie sich mit CETA einlassen. Wer die Schläue von Wirtschaftsanwälten, Banken und Konzernen unterschätzt, macht möglicherweise die Rechnung ohne den Wirt.
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NAFTA: Den Verkauf von
Wasserentnahmerechten erzwingen
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Bedenklich muss stimmen, dass innerhalb der NAFTA-Zone Banken und Konzerne bereits den Zugang zu Wasserrechten erstritten haben. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA gilt als Blaupause für das CETA-Abkommen. Was innerhalb von NAFTA möglich ist, kann deshalb auch innerhalb von CETA nicht völlig ausgeschlossen werden. Zwei erfolgreiche Investorstaatsklagen sind aktenkundig geworden. Obwohl in den jeweils verklagten Provinzen Kanadas noch gar keine Wasserhandelsmärkte eingerichtet sind, war es den Klägern gelungen die staatliche Regulierung im Wassersektor der beiden Provinzen aufzubrechen und sich Wasserentnahmerechte zu eigen zu machen. Die Begrifflichkeit der kommerziellen Nutzung einer spezifischen Wasserressource („commercial use of a specific water source“) in Abs. 3 von Art. 1.9 bekäme unter dem Aspekt der Erzwingung von Wasserhandelssystemen einen ganz eigenen Sinn.
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Investitionsschutz für Wasserentnahmerechte?
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Hinzu kommt, dass sich die deutsche Ausschlussklausel im Anhang zum CETA-Vertrag nur auf die Kategorie „Marktzugang“ („market acess“) bezieht. Der Marktzugang ist jedoch nur eine von mehreren CETA-Kategorien. Entscheidender könnte bei der Erzwingung von Wasserhandelssystemen die Kategorie „Investitionsschutz“ sein. Wer ein Mal in ein Wasserentnahmerecht investiert hat oder ein derartiges Investment vorhat, kann auf den Investitionsschutz pochen – und ggf. vor einem Investor-Staats-Schiedsgericht seine (vermeintlichen) Rechte einklagen (s. Kasten).
Schiedsgerichte zum Schutz von Investoren
Wie um die Schiedsgerichte herum eine regelrechte „Schiedsgerichts-Industrie“ entstanden ist, wurde im Deutschlandfunk in einem Feature am 28.06.16 erläutert. Was in dem Feature geschildert wird, ist voll krass, fast unglaublich – und auf jeden Fall nachlesens- und vor allem nachhörenswert. Nachhörenswert deshalb, weil man dann das höhnische Gelächter der Finanziers mitbekommt, die die Klagen von Investoren vorfinanzieren. Deren Geschäftsmodell besteht nicht nur darin, mit der Vorfinanzierung von Klagen eine fantastische Rendite zu erwirtschaften:
„Auf den Ausgang der Schadenersatzklagen könnten wir auch noch wetten und damit weitere Spekulation ermöglichen.“
Der Feature-Redakteur erklärt das lukrative Geschäftsmodell:
„Neue Finanzprodukte verwandeln die Schadenersatzklagen in Wertpapiere für die Finanzmärkte. Banken, Versicherungen, Investmentfonds, aber auch wohlhabende Privatleute können sie erwerben.“
In der Branche der Finanziers von Schiedsgerichts-verfahren geht es also nicht nur darum, möglichst viele erfolgversprechende Investorklagen anzuzetteln. Spekuliert wird darüber hinaus auch mit Derivaten, bei denen man den Reibach mit Wetten auf den Ausgang der Klagen von Investoren gegen Staaten macht. Das Feature mit dem Titel „Freihandelsabkommen CETA – ‚Goldstandard‘ oder Etikettenschwindel?“ von Peter Kreysler steht unter
http://www.deutschlandfunk.de/
freihandelsabkommen-ceta-goldstandard-oder.1247.de.html?dram:article_id=355049
zur Verfügung.
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Die „schwache“ Hoheitlichkeit von
Abwasser ist kein Schutz vor CETA
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Und was das Abwasser betrifft: Für Klärwerke und Kanalisationsbetriebe ist kein spezieller Schutz in CETA vorgesehen. CETA geht auf der Basis des alten Dienstleistungsabkommens GATS (s. RUNDBR. 1060/3, 712/3, 703/1, 700, 674/1-3) davon aus, dass die Abwasserreinigung ohnehin schon liberalisiert worden ist. Zwar wird in CETA allgemein vermerkt, dass hoheitliche Dienstleistungen nicht unter CETA fallen würden. Im Ernstfall kann dieser Schutz aber nur hinsichtlich der „harten“ Hoheitlichkeit durchgesetzt werden (insbesondere Justiz, Polizei, Militär). Dass die Abwasserentsorgung in Deutschland als hoheitlich gilt, ist nur eine sehr „schwache“ Hoheitlichkeit (vgl. 945/1-3). Denn die Hoheitlichkeit der Abwasserentsorgung ist nicht mit einem Artikel im Grundgesetz abgesichert (s. 842/1-2).
Der Zugang zu allen früheren Notizen in den WASSER-RUNDBRIEFEN zum Thema »TTIP/CETA/TISA und Wasser« funktioniert über die Ausgaben 1065/1-2 und 1064/1-4.
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TTIP & CETA:
Umweltministerkonferenz
für Ausklammerung von Wasser
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Dass die kommunal geprägte Trinkwasserversorgung lt. Bundesregierung und EU-Kommission in keinster Weise von den Freihandelsabkommen beeinträchtigt wird, stößt nicht nur bei den üblichen Verdächtigen auf Misstrauen. Auch die UmweltministerInnen der Bundesländer schenken den Beteuerungen der Freunde des Freihandels offensichtlich wenig Glauben. Auf der 86. Umweltministerkonferenz (UMK) am 17. Juni 2016 haben die MinisterInnen an ihren Beschluss anlässlich der 83. UMK erinnert,
„wonach die EU keinem Abkommen zustimmen soll, das den Druck zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorgeleistungen (insbesondere Abfall, Wasser, umweltbezogene Energie- und Verkehrsdienstleistungen) verstärkt.“
In dem neuerlichen Beschluss der 86. UMK heißt es ferner:
„Die EU ist durch EU-Recht (Art. 14 AEUV) verpflichtet, die Daseinsvorsorge besonders zu schützen. Das kommunale System der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung muss als Garant für die Versorgungssicherheit der Bürger und insbesondere die kommunale Entscheidungshoheit für die Wasserdienstleistungen der Daseinsvorsorge gewahrt werden. Deshalb ist sicherzustellen, dass eine erneute Kommunalisierung einmal privatisierter Bereiche der Daseinsvorsorge auch künftig möglich ist.“
Die UmweltministerInnen der Länder machen sich auch für einen Erhalt des Vorsorgeprinzips aus und appellieren deshalb an die Bundesregierung und die EU-Kommission, „dass bei den Verhandlungen mit den USA zu TTIP keine europäischen Umweltstandards zugunsten wirtschaftlicher Vorteile reduziert werden.“
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UmweltministerInnen gegen Investitionsschutzregelungen
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Die UmweltministerInnen haben in Hinblick auf TTIP auf der Berliner UMK die Bundesregierung erneut darum gebeten, sich dafür einzusetzen, „dass Investitionsschutzregelungen nicht in das Abkommen aufgenommen werden“ dürfen (siehe auch Kasten oben). Neben dieser erfreulich klaren Forderung wenden sich die MinisterInnen in ihrem Beschluss auch gegen den in TTIP vorgesehenen Regulierungsrat. Im Regulierungsrat könnte die Lobby der Großkonzerne bereits vor der Einleitung von parlamentarischen und sonstigen Regulierungsinitiativen alle Ansätze von weiteren Umweltschutzregelungen zurückpfeifen. Die UMK schreibt zu diesem dreisten Ansinnen der TTIP-Verhandler:
„Kernanliegen der Umweltministerkonferenz an den Investitionsschutz ist es, dass er das Recht der EU und der Mitgliedsstaaten zur Gesetzgebung und zum Erlass von Regelungen im öffentlichen Interesse in keiner Weise beeinträchtigen darf. Handlungsspielräume der Europäischen Union sowie der nationalen und regionalen Parlamente und Regierungen der Mitgliedstaaten müssen gesichert und auf diesem Wege auch die demokratischen Einflussmöglichkeiten ihrer Bürgerinnen und Bürger darauf gewahrt werden. Die regulatorische Umsetzung von politischen Zielen auf kommunaler, nationaler, europäischer sowie auf Landesebene ist Kernbestand demokratischer Willensbildung. Dem darf eine regulatorische Kohärenz nicht entgegenstehen. Dies muss uneingeschränkt auch für diejenigen Abkommen gelten, die aktuell bereits im Verhandlungs- oder Ratifizierungsprozess stehen. [Damit ist CETA gemeint; Anm. BBU].
Dass die EU-Kommission den CETA-Vertrag an den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten vorbei (vorläufig) in Kraft setzen will, geht auch den Länder-UmweltministerInnen gegen den Strich. Die Umweltministerkonferenz bittet deshalb die Bundesregierung,
„sich dafür einzusetzen, dass die Freihandelsabkommen TTIP und CETA als gemischte Abkommen eingestuft werden und somit auch eine Befassung des Bundesrats erfolgt.“
(Sobald das vorläufige Beschlussprotokoll der 86. UMK durch das endgültige Protokoll ersetzt worden ist, sind die UMK-Beschlüsse zu den Freihandelsabkommen unter
www.umweltminsterkonferenz.de
und dort " Dokumente"
herunterladbar.)
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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