Mit dem Schlachtruf „Wettbewerb im Markt!“ hatte Anfang der Nullerjahre die - vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte - Ewers-Kommission eine Totalliberalisierung des „Wassermarktes“ empfohlen (s. RUNDBR. 599 - 602, 613/3-4, 637/1): Durch die Aufhebung von „Gebietsmonopolen“ sollten sich die Wasserversorger gegenseitig Konkurrenz machen. Benachbarte Wasserversorger wurden von der Ewers-Kommission dazu aufgerufen, sich mit einem knallharten Preiswettbewerb gegenseitig die Großkunden abzujagen.
Wir hatten schon damals gewarnt, dass sich in einem liberalisierten „Wassermarkt“ auch externe Dienstleister einmischen könnten. Diese könnten beispielsweise in Neubaugebieten die Kunden „bündeln“, um dann als Großkunde gegenüber dem Wasserversorger Preisreduktionen heraus zu verhandeln.
In einer etwas anderen Version als damals befürchtet, könnte dieses Modell jetzt doch noch seine Umsetzung erleben: „»Prime« stellt Vertriebsmodell auf den Kopf“ titelte die Zeitung für kommunale Wirtschaft“ (ZfK) in ihrer Ausgabe vom Dez. 2016. »Prime«, eine Tochter des Vergleichsportals Verivox, übernimmt von den Kunden sämtliche Verträge für Strom, Gas, Telefon, Internet und Kfz-Versicherungen und sucht für den Kunden die preisgünstigsten Energielieferanten, Internetprovider und Versicherer. Der Kunde hat nur noch mit »Prime« zu tun und braucht sich um Kündigungen, neue Vertragsabschlüsse und Umbuchungen nicht mehr zu kümmern.
Wasser hat »Prime« noch nicht im Sortiment. Wir erwarten, dass das aber noch kommen wird. Dann würde der lokale Wasserlieferant hinter »Prime« verschwinden. Zwischen den Kunden und sein Wasserwerk würde sich »Prime« (oder einer der künftigen Konkurrenten von »Prime«) schieben. Wasser kommt dann eben - wie alles andere auch - von »Prime«.
Für das „Wasserbewusstsein“ könnte das auf Dauer fatale Auswirkungen haben! Das Bewusstsein für Wasser als lokale bzw. regionale Ressource ginge verschütt. Was der lokale Wasserversorger beispielsweise für den vorsorgenden Grundwasserschutz unternimmt, bekäme der »Prime«-Kunde immer weniger mit. Denn eine Kundenbeziehung zu „seinem“ angestammten Wasserwerk würde es nicht mehr geben. Wasser würde zu einer anonymen Ware, die über »Prime« abgerechnet wird. Die Identifikation des Kunden mit „seinem“ Stadt- oder Wasserwerk ginge zunehmend verloren, weil es keinerlei vertraglichen Beziehungen zu dem jeweiligen Wasserversorger mehr geben wird. Nicht einmal mehr den Ableser des Wasserversorgers für die „Wasseruhr“ bekäme der Kunde zu Gesicht. Denn in Smart-Meter-Zeiten wird der Zählerstand künftig per Fernabfrage ausgelesen. Und da man mit seinem originären Wasserversorger eh nichts mehr zu tun hat, ist es letztlich auch egal, wenn der ganze Laden beispielsweise an Veolia verkauft wird.
Dem neuen Geschäftsmodell von »Prime« wird in der Energiebranche lt. ZfK bereits jetzt ein „disruptives Potenzial“ zuerkannt. Wasserversorger und wasseraffine BürgerInnen sollten sich ebenfalls Gedanken machen, was mit den Pauschalangeboten von »Prime« & Co. auf sie zukommen könnte. -n.g.-