Vor allem in Ostdeutschland gab es in den 90er und in den Nullerjahren eine Bewegung, die sich
gegen den Anschluss an zentrale Kläranlagen wehrte. Ziel waren dezentrale Grundstückskläranlagen
mit einer völligen Abkopplung vom - auf zentrale Kläranlagen ausgerichteten – Kanalisationsnetz.
Die „Nutzwasser-Bewegung“ war insbesondere durch das Video „Tatort Briesensee“ zu einer gewissen Berühmtheit
gelangt (s. RUNDBR. Nr. 933/1-2 912/3, 896/1-4,
816/1-2, 794/4, 756/1, 747/1-2 740/4 und 669/3, vgl. RUNDBR. 960/1-2, 988/4, 984/4, 896/1-4,
862/12).
Seit einigen Jahren schlägt das Pendel in die andere Richtung aus. In immer mehr
Regionen in den ostdeutschen Bundesländern fordern BürgerInnen – vor allem aus Kostengründen -
vehement den Anschluss an die zentrale Kläranlage ein.
In einigen Ortschaften haben
Bürgerinitiativen Protestbanner aufgestellt, auf denen zu Lesen steht „Stoppt den
Kleinkläranlagen-Wahnsinn!“ An der Spitze der neuen Bewegung steht Thüringen, das im bundesweiten Vergleich - vor allem in Südthüringen - den geringsten Anschlussgrad an zentrale
Kläranlagen aufzuweisen hat.
Seit März 2017 werden in Thüringen Unterschriften für eine Petition
für eine „Sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Abwasserpolitik im ländlichen Raum“
gesammelt (siehe Kasten). Die Zeichner der Petition bedauern, dass zwei Jahre nach Beginn der
rot-rot-grünen Regierungskoalition die angekündigte Novellierung des Wassergesetzes noch nicht
auf den Weg gebracht worden ist. Damit sei eine Zielstellung des Koalitionsvertrags vom 05.12.2014, insbesondere Ziffer
3.4. Absätze 1 und 2 [gemeint ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ländlichen
und urbanen Raum; Anm. BBU], „nicht umgesetzt worden“.
Die Initiatoren der Petition
verweisen darauf, dass seit dem 29.06.2016 der Entwurf für eine Novelle des
Landeswassergesetzes Thüringen vorliege. Dort würden die Kommunen in § 44 verpflichtet,
stärker als bislang einen Anschluss an zentrale Kläranlagen (ZKA) zu ermöglichen.
Die
Petition steht unter
https://petitionen-land-
tag.thueringen.de/petitions/1217
zum Herunterladen (und ggf. nach Registrierung zum Unterzeichnen) bereit.
„Hauskläranlagen sind teurer als ein Kläranlagenanschluss!“
Für die Initiatoren der Petition sprechen u.a. folgende Gründe „gegen den massenhaften Einsatz“
von Kleinkläranlagen (KKA; Hauskläranlagen):
„1. KKA waren ursprünglich (KKA-Verordnung 2004) nur für dezentrale Grundstücke mit sehr hohem Erschließungsaufwand beim Anschluss an eine zentrale Kläranlage (ZKA) gedacht. KKA entsprechen
zwar dem Stand der Technik, sind in der Reinigungsleistung jedoch deutlich schlechter als ZKA
(z.B. Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB): KKA durchschnittlich 89 mg/l; ZKA durchschnittlich 28 mg/l
(Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft (DWA); Leistungsvergleich Sachsen/Thüringen
2013)). Darüber hinaus findet bei KKA keine weiter- gehende Nährstoffelimination
(Stickstoff/Phosphat) statt. Eine nachhaltige Abwasserreinigung mit einem langfristigen Schutz der
Gewässer ist somit nicht gegeben.
2. Neben den hohen Investitionskosten von durchschnittlich 10 000 € für den Bau einer KKA, für
die die Bürger weitgehend selbst aufkommen müssen, fallen jährlich noch ca. 500 € für den Betrieb
(Energie, Wartung, Reparaturen und Schlammabfuhr) dieser Anlagen an. Der Bau und Betrieb einer
KKA verursacht damit etwa das 4 fache an Kosten gegenüber Volleinleitern, die an ZKA
angeschlossen sind.
3. Der Bestandsschutz bei KKA beträgt nur 15 Jahre. Viele Bürger sind mit dem Betrieb einer KKA überfordert und tragen das volle Risiko für die Grenzwerteinhaltung. Bei Grenzwertüberschreitungen drohen Sanktionen durch den Aufgabenträger.
4. Zu einer funktionierenden Wasserversorgung gehört auch eine von Fachleuten betriebene Abwasserbehandlung. Aus diesem Grund sind die Gemeinden überhaupt einem ZV beigetreten. Eine
Rückübertragung der Aufgaben an die Bürger ist nicht im Sinne der Daseinsvorsorge. (…)“
[Die Kostenrelation zwischen dezentralen Kleinkläranlagen einerseits und dem Aufbau einer
Ortskanalisation mit einer zentralen Kläranlage andererseits wird vor allem auch davon
bestimmt, wie viel öffentliche Zuschüsse jeweils gewährt werden; Anm. BBU.]
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